Viele Klinken haben mehr und mehr mit dem Ärztemangel zu kämpfen. Auch auf der Oberarzt-Ebene ist der Mangel deutlich zu spüren. Es bewerben sich immer weniger Fachärzte auf eine Oberarzt-Position und somit wird es immer schwieriger, freie Oberarzt-Positionen zu besetzen. Dass eine Stelle ein Jahr und länger vakant bleibt, ist dabei keine Seltenheit. Einige Fachrichtungen wie die Gastroenterologie sind dabei besonders betroffen. Woran liegt es, dass sich so wenig Bewerber finden? An fehlender Attraktivität der Stellen, am Mangel an geeigneten Bewerbern oder an Störungen im Verhältnis von Angebot und Nachfrage?
Vom Facharzt zum Oberarzt
Ein Oberarzt ist ein Krankenhaus-Arzt in leitender Funktion. Aufgrund seiner fortgeschrittenen oder fertigen Facharzt-Ausbildung ist er für einen definierten Zuständigkeitsbereich innerhalb der Klinik verantwortlich.
Die nächsthöhere Stufe ist der Chefarzt, der eine ganze Krankenhaus-Abteilung leitet. Darüber kommt dann noch der ärztliche Direktor einer Klinik, der die medizinische Gesamtverantwortung inne hat.
Da Oberärzte Fachspezialisten sind, führt der übliche Werdegang vom Facharzt zum Oberarzt. So werden Oberärzte aus dem “Pool” der Fachärzte rekrutiert. Gibt es in einem Fachgebiet nur relativ wenige Fachärzte, ist auch die Wahrscheinlichkeit von Bewerbungen bei offenen Stellen gering. Das ist eine logische Konsequenz.
27 Fachärzte kommen auf eine Oberarzt Stelle
Tatsächlich bestehen signifikante Unterschiede in den einzelnen Facharztrichtungen. Das zeigt eine Auswertung der Personalberatung mainmedico. Diese hat die im Deutschen Ärzteblatt ausgeschriebenen Oberarzt-Positionen ins Verhältnis zu den jeweils vorhandenen Fachärzten in der entsprechenden Fachdisziplin gesetzt. Daraus wird der sogenannte Oberarzt-Index berechnet.
2018 gab es insgesamt 1.510 Oberarzt-Stellenausschreibungen im Deutschen Ärzteblatt. Auf eine Ausschreibung kamen im Schnitt 26,9 Fachärzte – also fast 27 potentielle Bewerber. Dieses Verhältnis ist an und für sich gar nicht so schlecht, auch wenn nicht jeder Facharzt automatisch zum Bewerber wird.
Unzufriedenheit bei übrigen Ärzten
Der Oberarzt-Mangel führt in erster Linie dazu, dass die Aufgaben des Oberarztes auf die übrigen Führungskräfte verteilt werden. Stärkere Arbeitsbelastung und Unzufriedenheit sind die Folge. Wenn Stellen nicht besetzt werden können, lassen sich zudem aber auch die Leistungen der entsprechenden Abteilungen nicht ausbauen. Und geplante Abteilungen können aufgrund des Personalmangels häufig erst gar nicht eingerichtet werden.
Gastroenterologie besonders betroffen
Allerdings gibt es einige Facharztrichtungen, wo das Verhältnis besonders ungünstig ist. Hier stehen einer vakanten Oberarzt-Stelle nur wenige Fachärzte gegenüber, die überhaupt für eine Bewerbung in Betracht kommen.
Besonders dramatisch ist die Situation bei Gastroentereologen. Hier kommen auf eine Oberarzt-Position nur 4,6 Fachärzte. Ähnlich kritisch sieht es bei Pneumologen (Indexwert 6,9) und Gefäßchirurgen (Indexwert 7,7) aus.
Außerdem sind Kardiologie, Hämatologie, Onkologie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie ebenfalls Fachbereiche, in denen Oberarzt Stellen sehr schwer besetzt werden können.
Was sind die Gründe?
Als ein Grund für die Probleme bei der Stellenbesetzung kann die starke Ausweitung der Oberarzt-Positionen in Krankenhäusern in den letzten Jahren genannt werden. Das Verhältnis von Fachärzten zu Oberärzten in Kliniken hat sich zum Teil umgekehrt. Gab es früher mehr Fachärzte als Oberärzte, ist heute manchmal das Gegenteil der Fall.
Besonders extrem zeigt sich das in der Gefäßchirurgie, wo inzwischen auf drei Oberärzte ein Facharzt kommt. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes ist von 2007 bis 2017 die Zahl der Oberärzte doppelt so schnell gestiegen wie die Zahl der Fachärzte – um 61 Prozent.
Aber der Oberarzt-Mangel ist nicht allein einem “Überangebot” an Stellen zuzuschreiben. Hinzu kommt, dass sich immer weniger Fachärzte auf eine Oberarzt-Stelle bewerben, weil sie die extrem stressigen Rahmenbedingungen in Kliniken fürchten.
Viele entscheiden sich für eine Tätigkeit als Facharzt mit ambulanter Praxis, weil sie sich mehr Freiheitsgrade und eine gute Work-Life-Balance wünschen. Dafür verzichtet mancher “freie” Facharzt auf die wirtschaftliche Sicherheit einer Oberarzt-Position und ggf. auch auf bessere Bezahlung.
Krankenhäuser sind selbst gefordert
Doch wie kann dem Oberarzt Mangel entgegengewirkt werden? Um eine Unterversorgung abzuwenden, wurden bereits zahlreiche Maßnahmen von der Politik ergriffen. Aber auch die Krankenhäuser können etwas für ihren Oberarzt-Nachwuchs tun.
So ist es in erster Linie wichtig Fachärzte bereits frühzeitig für eine Oberarzt Stelle zu begeistern und sie bei ihrem Karrieresprung zum Oberarzt zu unterstützen und zu fördern. Denn daraus rekrutieren sich Oberärzte in der Regel. Damit ist aber nicht nur die medizinische Weiterbildung gemeint. Viele Nachwuchsmediziner scheuen sich unter anderem vor dem hohen Arbeitspensum oder der Verantwortung als Oberarzt. Mit Hilfe spezieller Förderprogramme kann der Nachwuchs auch auf Führungsaufgaben qualifiziert und vorbereitet werden.
Nur wenn es gelingt, Fachärzten in Krankenhäusern attraktive Perspektiven zu bieten, können Engpässe bei Oberarzt-Stellenbesetzungen dauerhaft gelöst werden.
Quelle: aerzteblatt.de