Joana Rebelo Valente (Jahrgang 1989) ist seit 2020 Oberärztin im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe im Städtischen Klinikum Wolfenbüttel. Im Interview mit praktischArzt blickt sie zurück auf ihren spannenden Werdegang und gibt einen Einblick in den Arbeitsalltag im Klinikum.
Frau Valente, Sie wurden in Portugal geboren. Wie kam es, dass Sie sich für ein Medizinstudium in Deutschland entschieden haben?
Familiäre Verbindungen nach Deutschland hatte ich zwar nicht, aber ich habe mein Abitur auf der Deutschen Schule in Lissabon gemacht. Ich konnte also schon in der Schule fundierte Sprachkenntnisse erwerben. Während meiner Schulzeit habe ich außerdem einige Freundschaften mit deutschen Schülern schließen können, denn ich habe an einem internationalen Feriencamp und einem europäischen Austauschprogramm in Deutschland teilgenommen. Daher kannte ich auch das Land und wollte deswegen auch gerne hier studieren. Also bin ich 2007 im Alter von 17 Jahren allein nach Deutschland ausgewandert und habe mein Medizinstudium an der Georg-August-Universität in Göttingen begonnen.
Sie haben bereits während Ihrer Famulatur im Mai 2010 im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe gearbeitet. Erst im Krankenhaus Neu-Mariahilf Göttingen und dann ab 2012 im Städtischen Klinikum Wolfenbüttel. Wie sind Sie auf Wolfenbüttel aufmerksam geworden?
Durch den Austausch während meiner Schulzeit hatte ich noch Kontakte nach Deutschland. Wir treffen uns in regelmäßigen Abständen und im Jahr 2012 war ein Treffen in Wolfenbüttel geplant. Da ich auf der Suche nach einem PJ-Platz war und das Klinikum Wolfenbüttel ein Lehrkrankenhaus der Georg-August-Universität Göttingen ist, habe ich dies in Erwägung gezogen. Nach einem Blick auf die sehr positiven Bewertungen auf pj-ranking.de stand meine Entscheidung fest.
Und warum haben Sie sich für ein Tertial im Bereich der Gynäkologie entschieden?
Da ich bis zum Ende meines Studiums nicht genau wusste, in welchen Bereich ich gehen möchte, wollte ich noch den Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe kennenlernen. Denn fest stand für mich, dass es ein chirurgisches Fach werden sollte. Die Allgemeinchirurgie gefiel mir gut, aber nur chirurgischen Tätigkeiten nachzugehen konnte ich mir auf Dauer auch nicht vorstellen. So kam es zu der Entscheidung, mein PJ im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe zu absolvieren. In diesem Bereich konnte ich sowohl chirurgisch als auch konservativ tätig sein.
Wann stand für Sie dann fest, dass Sie auch zukünftig im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe tätig werden möchten? Und warum?
Wie gesagt, war ich lange Zeit unentschlossen, welcher Fachrichtung ich mich letztendlich widmen wollte. Gefallen fand ich vor allem an dem Bereich der Chirurgie und konnte mir auch die Tätigkeit im Bereich der Allgemeinchirurgie vorstellen. Durch das PJ habe ich aber dann Interesse und Gefallen an der Geburtshilfe und Gynäkologie gefunden und sah hier die Möglichkeit, dennoch ebenfalls chirurgisch tätig zu werden. Gleichzeitig erschien mir das Aufgabenfeld der Geburtshilfe und Gynäkologie vielfältiger und abwechslungsreicher als im rein chirurgischen Bereich. Außerdem konnte ich während meines PJs am Städtischen Klinikum Wolfenbüttel sehen, dass die Zusammenarbeit im Team der Gynäkologie reibungslos funktioniert. Gerade die Arbeit in einem kleinen Team hat mir die Möglichkeit geboten, vieles praktisch zu erlernen und die familiäre Atmosphäre trug zu einem guten Arbeitsklima bei. Die herzliche und kollegiale Zusammenarbeit sowie die abwechslungsreichen Tätigkeiten in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe haben mir so gut gefallen, dass ich 2014 als Assistenzärztin in der Gynäkologie und Geburtshilfe meinen Berufsweg gestartet bin. Mittlerweile begleite ich teilweise bereits die zweite oder dritte Geburt derselben Frau.
Wie wurden Sie vom Team aufgenommen – als PJlerin und als festes Teammitglied?
Als ich 2014 als Assistenzärztin gestartet bin, habe ich viele bekannte Gesichter aus meinem PJ wieder angetroffen. Das Team war mir also nicht fremd und ich wurde herzlich aufgenommen. Die kollegiale Atmosphäre und das familiäre Miteinander haben meinen Start sehr erleichtert.
Grundsätzlich hat mich das gesamte Team unterstützt und geprägt. Durch das Patenprogramm, bei dem eine Kollegin oder ein Kollege dem neuen Mitarbeitenden an die Seite gestellt wird, gibt es immer eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner. Es hilft enorm, wenn man jemanden an der Seite weiß, der bei allen beruflichen Fragen sowie dem Netzwerken unterstützen kann.
Mit dem Beginn Ihrer Tätigkeit sind Sie direkt in die Facharztweiterbildung gestartet und haben dafür auch ein Jahr lang in einer gynäkologischen Praxis als Weiterbildungsassistenz gearbeitet.
Das ist richtig. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits seit vier Jahren am Klinikum Wolfenbüttel beschäftigt und grundsätzlich können bei uns aktuell maximal vier Jahre Weiterbildungszeit angerechnet werden. Daher stand für mich fest, dass ich für die Facharztweiterbildung nochmal andere Luft schnuppern muss. In Erwägung zog ich, mir die Arbeit im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe in einer größeren Klinik anzusehen. Dann bot sich aber die Möglichkeit, in der benachbarten Frauenarztpraxis ein Weiterbildungsjahr zu absolvieren.
Wie war für Sie die Zeit in der Praxis? Stand für Sie bereits davor oder erst danach fest, dass Sie am Klinikum bleiben möchten? Aus welchen Gründen?
Ich habe während meines Weiterbildungsjahres Vollzeit in der Praxis gearbeitet und nebenbei weiterhin Dienste im Klinikum Wolfenbüttel übernehmen können. Zum einen wollte ich den Anschluss zum Team nicht verlieren und zum anderen habe ich gemerkt, dass ich langfristig nicht nur die Tätigkeiten in einer gynäkologischen Praxis ausüben möchte, sondern weiterhin beispielsweise stationäre Operationen oder Geburten mit zu meinem Arbeits- und Aufgabenbereich zählen möchte. Daher war die Kombination während des Jahres für mich optimal.
Sie haben sehr schnell oberärztliche Verantwortung bekommen: Wie hat sich das für Sie angefühlt? Und welche Veränderungen hat die Position mit sich gebracht?
Nach knapp sechs Jahren oberärztliche Verantwortung zu bekommen, war natürlich aufregend und fühlte sich am Anfang sehr ungewohnt an. Nach meiner Facharztprüfung kam die Geschäftsführung auf mich zu und bot mir die Stelle als Oberärztin an. Zu der Zeit hatten wir eine aktuelle Vakanz, aber ich hätte so schnell noch nicht an diese Position gedacht. Durch die direkte Ansprache und das Angebot zog ich diese Möglichkeit das erste Mal in Erwägung und fragte mein Team um Rat. Denn mir war und ist es wichtig, dass ich in einem Team arbeite, das hinter mir steht und das meine Entscheidungen mitträgt. Mein Team traute mir diese Position vollkommen zu. Ich selbst liebe Herausforderungen und habe mich für die Stelle der Oberärztin entschieden – und es bis heute nicht bereut!
Wie setzt sich das aktuelle Team zusammen und wie viele Patientinnen haben Sie in der Regel auf der Station?
Unser Team besteht derzeit aus einem Chefarzt, einer leitenden Oberärztin, vier Oberärztinnen und -ärzten, drei Fachärztinnen und -ärzten sowie neun Assistenzärztinnen und -ärzten mit unterschiedlichen Stundenzahlen.
Eine konkrete Aussage zu der Anzahl der Patientinnen zu treffen, ist schwierig, denn dies schwankt deutlich. An manchen Tagen sind es drei und an anderen sogar 20. Auf Station sind ca. 21 Betten vorhanden. Doch die Bettanzahl spiegelt nicht unsere tägliche Arbeit wider, denn nicht jede Frau muss stationär aufgenommen werden. Viele verlassen das Klinikum zum Beispiel bereits ein bis zwei Tage nach der Entbindung. Zudem haben wir einen Tag in der Woche für die Durchführung der ambulanten Operationen und ansonsten weitere drei Tage an denen Operationen für stationäre Aufenthalte stattfinden.
Welches Behandlungsspektrum bieten Sie aktuell an?
Wir führen hier am Klinikum Wolfenbüttel alle Standardeingriffe der Gynäkologie durch. Um einige Beispiele zu nennen: Abrasionen, Gebärmutterentfernungen, minimal-invasive Chirurgie (Laparoskopie), Deszensus-Chirurgie, Mamma-Chirurgie. Zudem kooperieren wir mit dem nur wenige Minuten entfernten Klinikum Braunschweig im Bereich der Geburtshilfe. Unter anderem bei Frühchen und Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt arbeiten wir eng mit dem Städtischen Klinikum Braunschweig zusammen, da wir bei uns keine Abteilung für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin haben.
Sie sind aktuell neben Ihrer Tätigkeit am Klinikum noch immer einen Tag in der Woche in der Praxis tätig?
Ganz genau. Nach meinem Weiterbildungsjahr stand für mich fest, dass ich zukünftig gerne beide Bereiche ausüben möchte. Mit meinem Facharzttitel in der Tasche bin ich zurück ans Klinikum Wolfenbüttel und habe dort meine Arbeitszeit auf 80% reduziert, um einen Tag in der Woche in der gynäkologischen Praxis weiterhin meine eigenen Patientinnen zu betreuen.
Ich freue mich, dass mir mein Arbeitgeber dieses individuelle Arbeitszeitmodell ermöglicht. Die Geschäftsführung steht als Ansprechpartnerin für Arbeitszeitwünsche und andere Themen der Ärzteschaft immer zur Verfügung. Auch die Umsetzung der einzelnen Wünsche ist eine Herzensangelegenheit und erfolgt in der Regel reibungslos. Vor allem in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe arbeitet ein junges, dynamisches Team. Es besteht vorranging aus Frauen, sodass der Arbeitgeber mit der Zeit gehen und individuelle Arbeitszeitmodelle anbieten muss, damit beispielsweise Familie und Beruf vereinbart werden können. Oder, wie in meinem Fall, ein zweiter Arbeitgeber möglich ist.
Könnten Sie zum Abschluss noch einmal zusammenfassen, was das Städtische Klinikum Wolfenbüttel ausgebildeten Medizinern und Nachwuchsmedizinern als Arbeitgeber zu bieten hat?
Ich arbeite gern am Klinikum Wolfenbüttel, weil es seinen Mitarbeitenden flexible Arbeitszeitmodelle ermöglicht, um sich beruflich zu verwirklichen oder Familie und Beruf zu vereinbaren. Auch Studierende der Humanmedizin werden in ihrem Praktischen Jahr bereits umfassend gefördert. Als Lehrkrankenhaus der Georg-August-Universität Göttingen bieten wir pro Jahr 24 Plätze für das Praktische Jahr an: vier Plätze im Bereich der Inneren Medizin, vier Plätze im Bereich der Chirurgie und jeweils zwei Plätze im Bereich der Anästhesie-/Intensiv-/Notfallmedizin und der Gynäkologie und Geburtshilfe – das Ganze zweimal pro Jahr. Hier erhält jeder tiefgreifende Einblicke in den Arbeitsalltag und kann unabhängig vom Einsatz in der Klinik an allen Seminaren und Fortbildungen teilnehmen. Auch bei uns im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe freuen wir uns immer über PJler!
Weitere Informationen zum Klinikum und freien Stellen
Weitere Informationen zum Klinikum Wolfenbüttel sind auf der Homepage abrufbar. Freie Stellen erscheinen zudem auf der klinik-eigenen Karrierehomepage. Aktuell sucht das Klinikum eine Assistenzärztin/einen Assistenzarzt für die Gynäkologie und Geburtshilfe!
Fotos: Klinikum Wolfenbüttel