
Im medizinischen Kontext werden die beiden Begriffe „Compliance“ (vom engl. Compliance: Regelbefolgung, Zustimmung) und „Adhärenz“ (vom engl. Adherence: Einhalten, Festhaften) häufig synonym verwendet. In letzter Zeit hat sich jedoch der Begriff Adhärenz mehr und mehr durchgesetzt. Er bezeichnet das Ausmaß, mit dem das Verhalten einer Person hinsichtlich Medikamenteneinnahme, Diätbefolgung und/oder Lebensstiländerungen mit den Empfehlungen eines medizinischen Behandlers übereinstimmt. Im Unterschied zur Compliance werden Patienten im Adhärenzkonzept als aktive Partner in dieser Vereinbarung betrachtet, deren Zustimmung zu den ärztlichen Empfehlungen nötig ist.
Folgen von “Nicht-Adhärenz”
Die Nicht-Adhärenz von chronisch kranken Patienten kann sich nachteilig auf die Behandlungsergebnisse auswirken und zu erheblichen zusätzlichen Gesundheitskosten führen. In den USA sind schätzungsweise 68 bis 150 Milliarden US-Dollar als vermeidbare Gesundheitskosten auf Nicht-Adhärenz zurückzuführen. Nicht-Adhärenz ist daher weder aus ethischer noch aus gesundheitsökonomischer Sicht akzeptabel und stellt eine der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen dar.
Studie legt Adhärenz von Patienten dar
In einer neuen Studie, die im Januar 2019 in Pedriatric Nephrology erschien, wurde die Adhärenz bei 87 Patienten im Alter von 11 bis 19 Jahren mit chronischer Niereninsuffizienz untersucht. Eine schlechte Adhärenz bei jugendlichen Patienten ist einer der Hauptgründe für das Fortschreiten der chronischen Nierenerkrankung bis zum Endstadium Nierenversagen.
Normalerweise versuchen allein die Ärzte die Compliance eines Patienten zu beurteilen, aber ihre individuellen Wahrnehmungen sind nicht immer ausreichend und genau genug. Neue Techniken bieten jedoch zusätzliche Möglichkeiten, um die Compliance eines Patienten bei seiner Behandlung besser zu verfolgen.
Die Forscher der Johns Hopkins University in Baltimore untersuchten, ob die Verwendung solcher zusätzlicher Maßnahmen – über die Anbieter-Bewertung hinaus – die Nicht-Adhärenz von Patienten besser identifizieren kann.
Dazu wurden fünf verschiedene Maßnahmen untersucht:
- Provider-Bericht (ein Gesundheitsdienstleister schätzt die Medikamenteneinhaltung eines Patienten nach dem Klinikbesuch)
- Pflegepersonalberichte
- Patientenbericht
- Nachfülldaten der Apotheke
- elektronisches Medikationsmonitoring (elektronische Pillenboxen)
Neue Technologien zur Adhärenzmessung
In letzter Zeit sind neue Methoden entwickelt worden, um objektivere Angaben über die tatsächliche Medikamenteneinnahme zu erhalten. Anhand elektronischer Krankenakten, die mit Apothekendaten verknüpft sind, lässt sich nachvollziehen, ob Patienten ihre Verschreibungen so oft wie nötig nachfüllen. Zusätzlich kann das elektronische Medikationsmonitoring (Medication Event Monitoring System, MEMS) aufzeichnen, wann Arzneimittel entnommen werden, und liefert so Tag für Tag noch detailliertere Daten.
34,5 % der Patienten sind nicht adhärent
In der Studie identifizierten sowohl die Gesundheitsdienstleister als auch das elektronische Medikationsmonitoring 34,5% der Patienten als nicht adhärent. Die beiden stimmten jedoch nicht darin überein, welche Patienten nicht adhärent waren. Darüber hinaus wurden anhand der Patientenberichte, Pflegepersonalberichte und Nachfülldaten für Apotheken zwischen 50% und 60% der Patienten als nicht adhärent eingestuft. Die Studie zeigte, dass die Kombination von Provider-Berichten und Nachfülldaten aus der Apotheke die ausgewogenste Sensitivität (0,90) und die beste negative Vorhersagekraft (0,88) lieferte.
Die Studie demonstriert die Vorteile eines multimethodischen Ansatzes zur Ermittlung der Nicht-Adhärenz bei Patienten mit chronischen Erkrankungen. Dies ist ein wesentlicher erster Schritt zur Verbesserung der Compliance, schlussfolgern die Autoren. Sie weisen aber darauf hin, dass weitere Forschungen erforderlich sind, um zu bestimmen, ob dieser multimethodische Ansatz auch der effektivste Weg ist, um das Adhärenzniveau in anderen Patientengruppen zu bestimmen.
Fazit
„Es lässt sich nicht sagen, für welche anderen Patientengruppen unsere Befunde gelten, aber man kann wohl allgemein sagen, dass ein multimodaler Ansatz wirklich am besten geeignet ist, Nicht-Adhärenz zu erkennen und uns die bestmöglichen Informationen zur Verfügung zu stellen, um Patienten zu helfen, ihre Adhärenz zu verbessern,“ so Cozumel Pruette, die Erstautorin der Arbeit.