
Seit 1. Januar 2021 gilt für Medizinische Fachangestellte – kurz MFA – in Arztpraxen ein neuer Mantel- und Gehaltstarifvertrag. Das MFA-Gehalt verbessert sich dadurch nachhaltig. Doch längst nicht in jeder Praxis finden die tariflichen Regelungen Anwendung. Welche Arztpraxen betroffen sind, welche nicht und was die Neuregelungen bedeuten – damit befassen wir uns näher in unserem Beitrag.
Der neue MFA-Tarifvertrag ab 1.1.2021
Nach wie vor ist MFA fast ausschließlich ein Frauenberuf. Für die nach Tarif bezahlten Arzthelferinnen in Praxen bringt der neue Tarifvertrag spürbare Gehaltsverbesserungen. Der Tarifabschluss unterscheidet sich deutlich von Vereinbarungen in anderen Bereichen. Mit der überdurchschnittlichen Anpassung will man vor allem eine Angleichung an MFA-Gehälter in Krankenhäusern erreichen. Hier ein Überblick über die wesentlichen Regelungen des neuen Vertrags, der bis zum 31. Dezember 2023 gilt:
- das MFA-Gehalt wird in drei Stufen angehoben: die erste Stufe ist bereits in Kraft – zum 1. Januar 2021 sind die Gehälter um 6 Prozent angehoben werden, ab 1. Januar 2022 folgt eine weitere Anhebung um 3 Prozent und ab 1. Januar 2023 gibt es noch mal 2,6 Prozent mehr;
- in der Gehaltstabelle für Angestellte vom 17. bis zum 28. Berufsjahr gilt eine neue Stufung. Sie bietet MFAs mit langjähriger Berufserfahrung eine attraktivere Vergütung und bedeutet mehr Anerkennung für die im Beruf erworbene Expertise;
- die Sonderzahlung zum 1. Dezember eines Jahres steigt ab dem zweiten Jahr der Betriebszugehörigkeit von 65 auf 70 Prozent des regelmäßigen Bruttomonatsgehalts;
- ebenfalls verbesserte man die Ausbildungsvergütungen. Auch hier findet eine dreistufige Anhebung statt. In der Endstufe ab 1. Januar 2023 gibt es im ersten Ausbildungsjahr 920 Euro monatlich, im zweiten 995 Euro und im dritten 1.075 Euro.
MFA-Gehalt: Für welche Praxen gilt der Tarifvertrag unmittelbar?
Der Tarifvertrag ist zunächst dort anzuwenden, wo Angestellte und Praxisinhaber Mitglieder einer der beiden Tarifparteien sind. Auf der Arbeitnehmerseite ist das der „Verband medizinischer Fachberufe e.V.“, auf der Arbeitgeberseite die „Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen/Medizinischen Fachangestellten“ (AAA). Die AAA ist an die Bundesärztekammer angebunden, eine Ärztekammer-Mitgliedschaft ist aber nicht gleichbedeutend mit einer Mitgliedschaft in der AAA. Dies gilt im Übrigen auch für Mitgliedschaften in Kassenärztlichen Vereinigungen, ärztlichen Berufsverbänden oder Fachgesellschaften.
Tatsächlich gehört nur eine Minderheit der Praxisinhaber der AAA an. Das bedeutet aber nicht, dass Tarifabschlüsse über den engen Mitgliederkreis der AAA hinaus keine Wirkung entfalten können. Auch auf der Arbeitnehmerseite betrifft der Tarifvertrag unmittelbar nur MFAs mit einer Mitgliedschaft im Verband medizinischer Fachberufe e.V. Nicht berührt sind im Übrigen Tiermedizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte. Für diese Berufsgruppen bestehen eigene Tarifvereinbarungen.
Für welche Praxen gilt eine indirekte Tarifbindung?
Auch wenn die Mehrzahl der Praxisinhaber nicht Mitglied der AAA ist, kann dennoch eine Bindungswirkung von Tarifvereinbarungen gegeben sein, wenn in Arbeitsverträgen darauf Bezug genommen wird. Man unterscheidet zwei Arten von Bezugsklauseln:
- die statische Bezugnahme: bei dieser Regelung wird das MFA-Gehalt an eine bestimmte, durch Datum und Laufzeit bezeichnete Tarifvereinbarung gekoppelt. Der seit Anfang 2021 geltende Mantel- und Gehaltstarifvertrag gilt dann als Grundlage, wenn im Arbeitsvertrag ausdrücklich auf diesen Tarifvertrag abgestellt wird. Konsequenz: selbst wenn künftig ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen wird, bleibt die Tarifvereinbarung 2021 maßgeblich;
- die dynamische Bezugnahme: bindet die Vergütung an den jeweils geltenden Mantel- und Gehaltsvertrag. Die Vergütung wird dann automatisch so angepasst, wie es die Tarifparteien vereinbaren, auch wenn formal keine Mitgliedschaft in den beiden Verbänden gegeben ist.
Eine Verpflichtung zur Aufnahme solcher Bezugsklauseln in Arbeitsverträge besteht nicht. Dort wo Bezugsklauseln vereinbart sind, muss man sie selbstverständlich befolgen. Abweichungen davon sind nur in gegenseitigem Einvernehmen möglich.
MFA-Gehalt: Die wirtschaftlichen Auswirkungen der neuen Regelungen
Für die von den Tariferhöhungen – direkt oder indirekt – betroffenen Praxisinhaber bedeutet der neue Tarifvertrag eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Belastung. Die Lohnkosten werden spürbar steigen – und zwar mit einer eingebauten dreijährigen Dynamik. Besonders schmerzlich ist das 6 Prozent-Plus in diesem Jahr.
Diesen Mehrkosten stehen nicht zwangsläufig Mehreinnahmen durch den Praxisbetrieb gegenüber. Im Gegenteil – gerade in Corona-Zeiten suchte und sucht man Arztpraxen eher seltener auf als sonst. Zusätzliche Kosten entstanden außerdem durch Hygiene- und Schutzmaßnahmen. Inwieweit sich die Lage in den kommenden beiden Jahren wieder normalisieren wird, darüber lassen sich derzeit keine wirklich sicheren Aussagen treffen. Sicher sind nur die Gehalts- und Kostensteigerungen.
Auch Ärzte, die nicht an den Tarifvertrag gebunden sind, werden sich dem Kostendruck kaum entziehen können. Denn selbst wenn sie ein außertarifliches MFA-Gehalt bieten, die Tarifvereinbarungen werden sich auch bei den nicht-tariflichen Gehältern bemerkbar machen. Das ist dem Gesetz von Angebot und Nachfrage geschuldet. Wer unter Tarif bezahlt, wird Probleme bekommen, geeignete Fachkräfte zu finden.
Gehälter, die unterhalb von zwei Drittel des orts- oder branchenüblichen Tariflohns liegen, können sogar von Gerichten als sittenwidrig eingestuft werden. Empirische Gehalts-Vergleiche zeigen nur relativ Unterschiede zwischen tariflicher und nicht-tariflicher Bezahlung. Nicht selten wird nicht-tariflich sogar etwas mehr gezahlt.