
Mit einem neuen Versorgungsstärkungsgesetz möchte die Bundesregierung mehr finanzielle Freiräume für Hausärztinnen und Hausärzte schaffen. Das Bundeskabinett hat den Gesetzesentwurf am 22. Mai 2024 beschlossen. Ziel ist es, lange Wartezeiten und Engpässe in der medizinischen Versorgung zu vermeiden und den Hausarztberuf attraktiver zu machen.
Befreiung von Budgetobergrenzen soll Hausarztberuf attraktiver machen
In der ambulanten Versorgung tätige Ärzte werden in der Regel von den Krankenkassen nach Art und Menge der erbrachten Leistungen honoriert. Für jedes Quartal gelten Budgetobergrenzen, die sich nach der Zahl der behandelten Patienten richten. Derartige Obergrenzen können dazu führen, dass Ärzte ihr Behandlungsbudget schon vor Monatsende ausschöpfen und kein Geld mehr für die Behandlung weiterer Patienten erhalten.
Kinderärzte sind bereits von diesen Obergrenzen befreit. Für Hausärzte sollen die Budgetobergrenzen nun ebenfalls abgeschafft werden. Stattdessen sollen alle in der Praxis erbrachten Leistungen bezahlt werden, in der Hoffnung, damit die Wartezeiten zu verringern, die Versorgungsqualität zu verbessern und den bürokratischen Aufwand zu reduzieren. Zugleich soll damit der Anreiz entfallen, chronisch kranke Patienten jedes Quartal in die Praxis zu bestellen. Wie Lauterbach erklärt, sollen Ärzte sich auf die Patienten konzentrieren können, die tatsächlich eine medizinische Behandlung benötigen.
Jährliche Versorgungspauschale für die Behandlung chronisch Kranker
In Deutschland gibt es pro Jahr mehr als eine Milliarde Arzt-Patienten-Kontakte, Lauterbach zufolge mehr als in anderen europäischen Ländern. Das sei aber nicht als Ausdruck von Qualität zu werten, sondern weise vielmehr auf eine „Deformation“ der medizinischen Versorgung hin. Das wolle die Bundesregierung nun angehen. Eine Maßnahme: Statt der Quartalspauschale soll es künftig eine Jahrespauschale für die Versorgung chronisch kranker Patienten geben, die Arztpraxen beim ersten Patientenkontakt abrechnen. Auf diese Weise soll die Zahl vermeidbarer Praxisbesuche gesenkt werden. Anfragen nach dem Ausstellen von Rezepten und Krankschreibungen sollen sich auch telefonisch erledigen lassen.
Hausarztpraxen, die bestimmte Kriterien erfüllen, etwa Hausbesuche unternehmen oder eine gewisse Mindestzahl an Versicherten behandeln, sollen zudem eine gesetzlich geregelte Vorbehaltepauschale erhalten. Weiterhin sollen sie pro Jahr eine qualifizierte Hitzeberatung für Risikogruppen mit der Kasse abrechnen können.
Lauterbach geht davon aus, dass durch die geplante Reform Kosten im dreistelligen Millionenbereich anfallen. Die Größenordnung von einer Milliarde Euro werde nach Einschätzung des Gesundheitsministers nicht überschritten.
Kritik an Lauterbachs Plänen
Kritik am Gesetzesentwurf kommt unter anderem von Ärzte- und Patientenvertretungen. Der Virchowbund hält die Zusagen des Gesundheitsministers für zu vage und unvollständig. Auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband zeigt sich enttäuscht.
Die Krankenkassen erwarten derweil einen Kostenanstieg, der zulasten der Beitragszahlenden geht. Nach Schätzung der Kassen werden sich die Mehrausgaben allein durch die Abschaffung der Budgetobergrenzen auf 300 Millionen Euro belaufen. Dabei sei eine Ausweitung der Leistungsmenge noch nicht berücksichtigt. Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Ersatzkassenverbandes VDEK, warnt zudem davor, dass die gelockerte Honorarregelung vor allem die hausärztliche Betätigung in den Ballungsräumen steigern werde, während der ländliche Bereich kaum profitiere. Aktuell fehlen laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung rund 5.000 Hausarztsitze, vor allem in ländlichen Regionen.