Als Arztzeit bezeichnet die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Zeit, die ...

Die Corona-Pandemie stellt alle Lebensbereiche vor besondere Herausforderungen. Nicht nur die Ärztinnen und Ärzte sowie das medizinische Personal in den Kliniken und Praxen sind gefordert, auch die angehenden Mediziner im Studium sehen sich seit einem Jahr mit einer speziellen Situation konfrontiert. Wie wirkt sich die Pandemie auf das Medizinstudium aus? Ein Medizinstudent berichtet.
Stärker denn je fokussieren sich die Studiengänge derzeit auf die autodidaktische Aneignung theoretischen Wissens. Doch insbesondere das Studium einer angewandten Naturwissenschaft, wie sie die Medizin zweifelsohne darstellt, lebt von der engen Verzahnung zwischen theoretischen Lehrinhalten und der Vermittlung praktischer Fähigkeiten. Oder liefert man die Präparate für den Sezierkurs bald kontaktlos frei Haustüre? Da wäre wohl eine Videoaufzeichnung des sezierenden Anatomie-Professors den meisten Studenten lieber.
Was in den vorklinischen Fächern bereits abstrus klingt, ist spätestens in den klinischen Disziplinen absurd. Krankheiten kann man am besten am Kranken studieren. „Auf Dauer können Medizinstudierende nicht ausschließlich virtuell ausgebildet werden“, meint auch Dr. med. Klaus Reinhardt Präsident der Bundesärztekammer und Vorsitzender des Hartmannbundes.
Studierende wünschen Rückkehr zur Präsenzlehre
Laut einer aktuellen Umfrage des Hartmannbundes empfanden die befragten Medizinstudenten bereits das Semester 2020 als deutlich unproduktiver als vorangegangene Semester. 80% der Befragten wünschten sich eine baldige Rückkehr zur Präsenzlehre.
Nichtsdestotrotz gab eine überwältigende Mehrheit der Studienteilnehmer an, dass die Online-Lehre auch mit einer enormen Zeitersparnis einhergehe. Durch Vorlesungen auf Abruf ließe sich der Tag flexibler strukturieren und Wegzeiten zwischen den einzelnen Instituten entfielen.
Schon im Auditorium mühte sich mancher Dozent vergeblich ab, um die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu fokussieren. Via Zoom verkommen viele Vorlesungen zur Hintergrundberieselung während in der Wohnung Staub gesaugt wird.
Viele Fakultäten bieten inzwischen Hybridveranstaltungen an, d.h., die Vorlesung wird vor reduziertem und maskiertem Saalpublikum gehalten und synchron für die Online-Community an die häuslichen Bildschirme übertragen.
Der Tenor ist einstimmig: Online-Formate und Videos können die Lehre allenfalls unterstützen, aufgezeichnete Vorlesungen, die man seit drei Semestern wiederverwendet, ersetzen aber mitnichten Präsenzveranstaltungen.
Pioniere der Pandemie
Doch es gibt auch Pioniere in dieser Pandemie. Dank der, im bundesweiten Vergleich mustergültigen Inzidenzraten, entschied das anatomische Institut der Universität Rostock unter dem Direktorium des Herrn Prof. Dr. Markus Kipp, den Präparierkurs für die Studenten des vorklinischen Studienabschnitts unter strikten Hygieneauflagen mit wöchentlicher Testpflicht und sinnvollem Abstandskonzept dennoch anzubieten. Wenn derartige Pionierleistungen mit wirksamen Konzepten von Erfolg gekrönt sind, finden sich bald Nachahmer. Inzwischen bieten an der Universität Rostock auch andere Fakultäten Labor-Praktika unter strengen Auflagen in Präsenz an. Und derartige Angebote sind natürlich weitaus prioritärer als Vorlesungen im Hörsaal.
Insbesondere im klinischen Abschnitt sollten Untersuchungskurse und Unterricht am Krankenbett unbedingt in vivo durchgeführt werden. Da Medizinstudenten zumeist einen Anspruch auf Impfung geltend machen können, stellen Patientenkontakte zu Lehrzwecken ein durchaus kalkulierbares Infektionsrisiko dar. Vor diesem Hintergrund sollten auch Famulaturen unproblematisch sein.
Solange die pandemische Großwetterlage es den Unternehmen möglich macht, ihre Mitarbeiter am Montageband und in Großraumbüros zu beschäftigen, lässt sich nur schwerlich argumentieren, warum die universitäre Bildung das Nachsehen haben sollte.
Insbesondere die Ausbildung künftiger Medizinergenerationen, von denen in künftigen Krisen und potenzielle Pandemien zurecht rationales Handeln erwartet wird, sollte mindestens ebenso systemrelevant sein, wie die Produktion der aktuellen Daimlerflotte.