In der Arztpraxis gibt es immer wieder Anlässe für Kritikgespräche: Die eine Medizinische Fachangestellte (MFA) kommt zu spät. Eine andere arbeitet umständlich und ist zu langsam. Wieder andere sind zu Patienten/-innen unfreundlich. Kritikgespräche sind unangenehm, weil sich der Arzt/die Ärztin dabei aufregen und die falschen Worte wählen könnte. Dieser Leitfaden stellt wichtige Kommunikationsregeln vor und hilft Betroffenen, Kritik konstruktiv zu formulieren.
Kritikgespräche: Gesprächsführung
Es kommt auf die Wortwahl an. So besteht zum Beispiel zwischen „Ich“- und „Du“-Botschaften ein deutlicher Unterschied. Die „Du“-Botschaft wirkt persönlich und vorwurfsvoll: „Du bist zu langsam …, Du musst dich mal beeilen …, Du hast das falsch gemacht …“. In der „Ich“-Botschaft wirken Ärzte/-innen vorwurfsfrei: „Ich habe festgestellt …, Mir fällt auf …, Ich sehe gerade …“.
Der Wirkungsgrad der Kritik kann gesteigert oder gesenkt werden. Zunächst formuliert man Kritik „im ersten Gang“, z.B. „Ich empfehle …, Ich bitte dich …, Achte zukünftig doch auf …“. Bei mehrfachem Verstoß gegen Anweisungen wird ein Gang höher geschaltet, der/die Praxisinhaber/in ändert die Wortwahl.
Kommunikationsmuster für unterschiedliche Formulierungen:
Stufe | Formulierung |
1: Die Bitte | „Achte bitte zukünftig auf …“ |
2: Der Wunsch | „Ich möchte, dass Du auf … achtest.“ |
3: Die Erwartung | „Ich erwarte, dass Du ab sofort …“ |
4: Der Appell | „Du musst unbedingt …“ |
5: Die Anordnung | „Ich fordere Dich auf …, das ist eine Anordnung.“ |
Konsequenzen von Kritikgesprächen
Im äußersten Fall muss Kritik auch Konsequenzen haben, z.B. stärkere Kontrollen, damit sich etwas ändert. Kritik ohne Konsequenzen könnte man auf die leichte Schulter nehmen, ähnlich wie bei Falschparken, wenn kein Bußgeld verhängt wird. Der Arzt/die Ärztin kann erwarten, dass die Mitarbeiterin sich mit ihrem Verhalten auseinandersetzt und auf die bekannte Abwehrhaltung verzichtet. Die Annahme der Kritik hängt wesentlich von der Gesprächsführung ab. Und auch davon, ob der/die Praxisinhaber/in bei guter Leistung loben kann. Denn wer nicht lobt, wird bei Kritik nicht ernst genommen.
Nach einem gelungenen Kritikgespräch wird sich die Mitarbeiterin besonders anstrengen. Wenn sich das Arbeitsergebnis verbessert, sollte dies auch mit einer ausdrücklichen Anerkennung gewürdigt werden. Fehlerfreies Arbeiten braucht auf jeden Fall eine deutliche Rückmeldung. Das spornt an und motiviert, die gute Leistung zu halten. Wenn sich ein Fehler nicht mehr wiederholt, dann sollte man sich an Winston Churchill erinnern, der einmal gesagt haben soll: „Es ist gut, den Fehler, aus dem man lernen kann, nur einmal zu machen.“
Das Kritikgespräch ist nicht gelungen, wenn:
- sich der Fehler wiederholt, also keine Besserung eintritt.
- sich die Leistung nur kurzfristig bessert und dann wieder nachlässt.
- die Mitarbeiterin guten Willens ist, aber die Leistung nicht erbringen kann.
- die Mitarbeiterin sich ungerecht behandelt fühlt und frustriert ist.
- es zu einer Diskussion über den Tatbestand kommt.
- etwas kritisiert wird, für das die Mitarbeiterin nicht verantwortlich ist.
- die „Lieblingsmitarbeiterin“ bei Fehlern mit Samthandschuhen angefasst wird.
Diskretion
Jemanden vor Kollegen/-innen zu kritisieren, kommt einer Bloßstellung gleich. Das Team könnte sich mit dem/der Kritisierten solidarisieren. Diskretion ist bei der Personalbeurteilung oberstes Gebot. Der Arzt/die Ärztin rechnet damit, dass sich die Mitarbeiterinnen untereinander darauf aufmerksam machen, wenn es zu Fehlern kommt.
Im Team unterstützt man sich gegenseitig, eine hilft der anderen, unter den Kolleginnen geht es dann weniger um „Kritik“, sondern um „Korrektur“. Bei der Besprechung eines Fehlers muss man auch mit Ausreden der Mitarbeiterin rechnen, oder damit, dass die Schuld auf besondere Umstände geschoben wird. („So viel Stress heute“) Ausreden dienen lediglich dem Selbstschutz der Betreffenden, sind also keine bewussten Unwahrheiten.