
Krankenrückkehrgespräche sind – wie der Name schon sagt – Gespräche mit ehemals erkrankten Mitarbeitenden nach deren Genesung. Manchmal werden sie auch als Fehlzeitengespräche, Fürsorgegespräche, Mitarbeitergespräche etc. bezeichnet. Sie werden i.d.R. von den Arbeitgebern oder Vorgesetzten durchgeführt und dienen dazu, zu eruieren, wie es dem/-r Genesenen geht und inwieweit dessen/deren Arbeitsfähigkeit (noch) eingeschränkt ist.
Inhaltsverzeichnis
Die Durchführung von Krankenrückkehrgesprächen ist für die Arbeitgeber und Vorgesetzten nicht gesetzlich verpflichtend, allerdings ist es in der betrieblichen Praxis dennoch weit verbreitet. Wird ein solches Gespräch durchgeführt, sind Arbeitgeber bzw. Vorgesetzte jedoch an gewisse juristische Spielregeln gebunden.
Wir erläutern hier, was Krankenrückkehrgespräche sind, wie sie ablaufen können, was Arbeitgeber und Vorgesetzte im Gesundheitswesen in juristischer Hinsicht beachten sollten und geben wichtige Tipps.
Krankenrückkehrgespräche: Definition
Krankenrückkehrgespräche sind Gespräche, die von dem/der Vorgesetzten oder Arbeitgeber mit dem/-r Mitarbeitenden geführt werden, der/die zuvor arbeitsunfähig erkrankt war und nun in den Betrieb zurückkehrt. In diesem Gespräch werden drei Dinge erörtert:
- Rahmenbedingungen des/-r Mitarbeitenden in seinem/ihrem persönlichen Umfeld
- durch die Arbeit entstandene Krankheitsursachen
- Zusammenhänge mit früheren Erkrankungen
Die Gespräche erfolgen in mehreren Stufen und können individuell je nach Häufigkeit der krankheitsbedingten Fehlzeiten ausgestaltet werden. Idealerweise sollten Krankenrückkehrgespräche einem innerbetrieblich festgelegten Ablaufschema folgen und protokolliert werden.
Krankenrückkehrgespräche: Ziele
Krankenrückkehrgespräche sollten die Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit, Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeitenden im Blick haben. Außerdem sollten sie eine möglichst dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben gewährleisten und folgende Ziele haben:
- Wertschätzung zeigen: Den Mitarbeitenden verdeutlichen, dass man sie auch mit Einschränkungen wertschätzt. D.h. auch wenn eine Krankenschwester nun z.B. keine Patienten/-innen mehr heben kann, ist sie dennoch ein wichtiger Bestandteil des Stationsteams.
- Rückmeldung geben: Den Mitarbeitenden verdeutlichen, dass sie ein wichtiger Bestandteil des Unternehmens sind. D.h. das Krankenhaus sollte deutlich machen, dass es darauf Wert legt, auch leistungsmäßig eingeschränkte Mitarbeitende zu integrieren.
- Überblick gewinnen: Die aktuelle Belastbarkeit des/-r Mitarbeitenden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben eruieren. D.h. der Arzt mit Burnout wird danach gefragt, welche Situationen er als besonders belastend empfand, damit diese möglichst vermieden werden können.
- Arbeitsaufnahme erleichtern: Maßnahmen der Wiedereingliederung und ähnliche Erleichterungen sollten soweit möglich umgesetzt werden. D.h. eine Physiotherapeutin mit Bandscheibenvorfall darf z.B. in ihrer Pause entsprechende Sportgeräte eigentherapeutisch nutzen.
- Unternehmen aufklären: Man sollte direkte Mitarbeitende im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben informieren. D.h. das Notfallstationsteam darüber aufklären, dass die schwangere Notärztin derzeit keine Patienten/-innen mit ansteckenden Krankheiten übernimmt.
- Erneuter Arbeitsunfähigkeit vorbeugen: Nach z.B. Betriebsunfällen sollten mögliche Unfallauslöser entfernt oder angepasst werden, um weitere Betriebsunfälle zu verhindern. D.h. dass der Facility Manager angewiesen wird, auf das Aufstellen entsprechender Hinweisschilder („Achtung! Boden ist nass! Rutschgefahr!“) zu achten.
- Arbeitsfähigkeit langfristig erhalten: Ggf. lohnen sich innerbetriebliche Angebote wie z.B. Sport- oder Physiotherapieangebote auch für andere Mitarbeitende, um Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und Arbeitsfähigkeit zu erhalten. D.h. dass Mitarbeitende, um Verschleißerkrankungen vorzubeugen, entsprechend physiotherapeutisch angewiesen und zu Ausgleichssport ermutigt werden.
- Arbeitsplatzbedingte Ursachen für die Erkrankung sollten identifiziert und wenn möglich beseitigt oder zumindest deutlich eingeschränkt werden. D.h. dass z.B. Maßnahmen des Stressmanagements auf den Stationen implementiert werden, um Burnout vorzubeugen.
- Behinderungen und chronische Erkrankungen vermeiden: V.a. für Krankenpflegepersonal lohnen sich z.B. Anleitungen zum korrekten Heben von Patienten/-innen, Autogenes Training zum mentalen Stressausgleich o.ä.
Krankenrückkehrgespräche: Gesetzliche Rahmenbedingungen
Krankenrückkehrgespräche sind grundsätzlich nicht gesetzlich verpflichtend. Wenn sich Arbeitgeber bzw. Vorgesetzte jedoch dazu entschließen, diese durchzuführen, müssen einige juristische Feinheiten beachtet werden. Diese gelten für Arbeitgeber, Mitarbeitende und ggf. Betriebsräte.
Für Arbeitgeber
Wird ein Krankenrückkehrgespräch durchgeführt, muss der Arbeitgeber oder Vorgesetzte im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements mit dem Betriebsrat (ggf. zusätzlich der Schwerbehindertenvertretung) und dem/-r betroffenen Beschäftigten nach § 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX erörtern,
- wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und
- mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und
- der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Arbeitgeber und Vorgesetzte dürfen von den Mitarbeitenden außerdem nicht verlangen, dass diese ihre/n behandelnde/n Arzt/Ärztin von seiner/ihrer Schweigepflicht entbinden. Dies gilt auch für Betriebsärzte/-innen. Arbeitnehmende können auch nicht zu einer betriebsärztlichen Untersuchung verpflichtet werden, da die Überprüfung der Berechtigung von Krankmeldungen gemäß § 3 Abs. 3 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) nicht zu dessen/deren Aufgaben gehört.
Für Arbeitnehmende
Das Erscheinen des/-r Arbeitnehmenden beim Krankenrückkehrgespräch ist grundsätzlich Pflicht, sprich: Wird man eingeladen, muss man erscheinen. Gibt es einen Betriebsrat, darf der/die Arbeitnehmende darauf bestehen, dass ein Betriebsratsmitglied gemäß §§ 82 Abs. 2, 84 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) anwesend ist. Schwerbehinderte Menschen dürfen außerdem die Schwerbehindertenvertretung hinzuziehen.
Man muss ehrlich und vollumfänglich auf zulässige Fragen antworten. Es darf nichts verschwiegen, falsch dargestellt oder nur unvollständig eingeräumt werden. Welche Fragen zulässig und welche unzulässig sind, folgt im Anschluss.
Für Betriebsräte
Bei Krankenrückkehrgesprächen zunächst die Mitbestimmungsrechte eines ggf. vorhandenen Betriebsrats beachten. Dies kann man vernachlässigen, wenn der/die genesene Mitarbeitende innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war.
Gibt es einen Betriebsrat, hat dieser folgende Mitbestimmungsrechte und Möglichkeiten:
- Mitbestimmungsrecht bei formalisierten Krankenrückkehrgesprächen zur Aufklärung eines überdurchschnittlichen Krankenstandes nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Bundesarbeitsgericht (BAG), Beschluss vom 08.11.1994, Az.: 1 ABR 22/94)
- Mitbestimmungsrecht bei der Gefährdungsbeurteilung bzw. Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG
- Möglichkeit (mit explizitem schriftlichem Einverständnis des/-r Mitarbeitenden), Einsicht in die Gesprächsprotokolle zu nehmen
- Möglichkeit, mit dem/-r Mitarbeitenden Rücksprache zu halten
- Möglichkeit, den/die Mitarbeitende/n zu beraten
Der Betriebsrat ist vom Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten außerdem über die geplante Umsetzung von Maßnahmen der Gesundheitsförderung zu informieren, die z.B. aufgrund eines Arbeitsunfalls eingeführt werden sollen. Er kann daran auch aktiv beteiligt und um Input gebeten werden.
Krankenrückkehrgespräche: Zulässige und unzulässige Fragen
Fragen des Arbeitgebers bzw. Vorgesetzten nach dem Krankheitsgrund sind generell unzulässig, da dies in das Persönlichkeitsrecht des/-r Arbeitnehmenden eingreift. Auch Fragen nach einer Schwangerschaft oder deren Planung sind unzulässig, sofern diese die Berufsausübung nicht gefährdet oder maßgeblich einschränkt (z.B. bei Röntgenpersonal o.ä.).
In folgenden Ausnahmefällen dürfen Arbeitgeber bzw. Vorgesetzte dennoch nach dem Krankheitsgrund fragen:
- Wenn z.B. wegen Ansteckungsgefahr o.ä. ein berechtigtes betriebliches Interesse besteht: Eine Ärztin mit Long Covid darf also nach ihrer Krankheit befragt werden.
- Wenn der/die Arbeitnehmende seine/ihre Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann: Ein Notarzt, der nicht mehr rennen und Treppen steigen kann, muss darüber Auskunft geben.
- Wenn der begründete Verdacht besteht, dass der/die Arbeitnehmende seine/ihre Erkrankung vorgetäuscht hat: Hierzu müssen eindeutige Hinweise oder Anhaltspunkte vorliegen, z.B. dass eine Krankenschwester den Arzt mit vermeintlicher Oberschenkelruptur auf dem Parkplatz ohne Gehhilfen laufen gesehen hat.
- Wenn ein Betriebliches Eingliederungsmanagement erfolgen soll: Wenn das Krankenhaus Maßnahmen der Wiedereingliederung ergreifen soll, muss es natürlich wissen, in welchem Umfang und wie lange.
- Wenn der/die Arbeitnehmende eine krankheitsbedingte Kündigung beabsichtigt: Wenn ein Arzt mit Komplexem Burnout oder Posttraumatischer Belastungsstörung nicht mehr als Arzt arbeiten kann oder will, muss er dies ehrlich zugeben.
Darüber hinaus sind einige Fragen grundsätzlich zulässig, z.B. diese:
- Wie lange wird Ihre Krankheit voraussichtlich noch dauern?
- Hat eine betriebliche Bedingung die Erkrankung verursacht? Gab es bestimmte auslösende Umstände auf Station oder anderweitig?
- Handelt es sich um Folgen eines Arbeitsunfalls? Wenn ja, wie war der Unfallhergang? Was war die Ursache des Arbeitsunfalls?
- Gibt es etwas, das wir bei Ihrer Rückkehr beachten müssen? Benötigen Sie z.B. Unterstützung von Ihren Kollegen/-innen oder sind Sie bezüglich Ihrer gewöhnlichen Aufgaben oder Arbeitszeiten in irgendeiner Form eingeschränkt?
Krankenrückkehrgespräche: Betriebliche Folgen
Nicht nur Arbeitsunfälle können betriebliche Folgen haben, sondern auch andere Krankheitsbilder. Vor allem im Gesundheitswesen sind oft arbeitsbedingter Stress und spannungsgeladene Beziehungen zwischen Mitarbeitenden auf derselben Station Auslöser für komplexe Krankheiten, z.B. Burnout, Posttraumatische Belastungsstörung oder Angstzustände. Dem Krankenhaus sollte es daher bei der Durchführung von Krankenrückkehrgesprächen auch darum gehen, mögliche betriebs- bzw. arbeitsbedingte Ursachen zu identifizieren und wenn möglich zu vermeiden oder zumindest erheblich einzuschränken.
Mögliche betriebliche Ursachen können z.B. aus den folgenden Bereichen kommen:
- Arbeitssituation
- Arbeitstätigkeit
- Arbeitsbelastungen (z.B. körperliche oder seelische Belastungen, Arbeitsmenge)
- Konflikte mit Kollegen/-innen
- Konflikte mit Vorgesetzten
- Betriebsklima
- Unzufriedenheit über betriebliche Veränderungen/Vorgänge
- Unzufriedenheit über Entwicklungsmöglichkeiten im Krankenhaus
In allen diesen Fällen sollte man nach effektiven Lösungen suchen, z.B. in Form von neutralen Streitschlichtungen, personellen Versetzungen, Personalsensibilisierung, Arbeitsentlastung, Arbeitsverteilung etc.
Krankenrückkehrgespräche: Dokumentation und Datenweitergabe
Der/die Vorgesetzte sollte die Krankenrückkehrgespräche dokumentieren, damit er/sie anschließend notwendige Maßnahmen planen und einleiten kann. Krankheitsursachen oder Diagnosen darf man jedoch – auch, wenn man sie mündlich besprochen hat – nicht schriftlich fixieren. Dies verhindert, dass persönliche Informationen zu evtl. genannten Krankheitsursachen an Dritte weitergetragen werden oder diesen anderweitigen Zugriff erlangen.
Sollte es explizit nötig sein, bestimmte Informationen an Dritte weiterzuleiten (z.B. Betriebsärzte, Stationsleitung etc.), so darf dies nur mit ausdrücklichem und schriftlichem Einverständnis des Mitarbeitenden erfolgen. Dieses Einverständnis muss auf dem Gesprächsprotokoll vermerkt und vom/von der Mitarbeitenden unterzeichnet werden.
Vertrauliche Informationen dürfen ausschließlich zur Prüfung gesundheitsgefährdender innerbetrieblicher Faktoren und zur Einleitung entsprechender Maßnahmen verwendet werden. Sie dürfen keinesfalls zur Vorbereitung einer krankheitsbedingten Kündigung dienen. Wenn anschließende Maßnahmen erforderlich sind, sollte dies der/die Vorgesetzte mit der Personalabteilung oder Klinikleitung abstimmen. Auch hierbei muss man sorgfältig darauf achten, dass keine Informationen über Erkrankungsursachen oder Diagnosen weitergegeben werden.
Nach Abschluss des Gespräches sollte der/die Vorgesetzte das Protokoll ebenso wie der/die Mitarbeitende unterschreiben und dem/-r Mitarbeitenden eine Kopie aushändigen.
Krankenrückkehrgespräche – Gesprächsführung
Krankenrückkehrgespräche haben jedoch nicht nur juristische, sondern auch einige zwischenmenschliche Faktoren, die es zu beachten gilt. Speziell bei der Art und Weise der Gesprächsführung sollten Vorgesetzte und Arbeitgeber daher einige Tipps beherzigen.
- Das Krankenrückkehrgespräch sollte man spätestens zwei Tage nach der Rückkehr des/-r Mitarbeitenden aus der Arbeitsunfähigkeit angesetzen, um eventuell notwendige Maßnahmen schnell umsetzen zu können.
- Vorgesetzte sollten ausreichend Zeit für das Gespräch einplanen und keine zu engen Nachfolgetermine ansetzen, da Gespräche über die Gesundheit sensible Gesprächsinhalte sind, die sich dehnen können.
- Es ist auf einen angemessenen Rahmen für das Gespräch zu achten, d.h. man sollte möglichst eine private, störungsfreie Umgebung schaffen (Türen schließen, Telefon stummschalten etc.).
- Vorgesetzte sollten auf einen vertrauensvollen, offenen und fairen Austausch achten und strenge Vertraulichkeit gewährleisten.
- Vorgesetzte dürfen keinerlei Inhalte aus dem Gespräch an Dritte weitergeben, außer bei explizitem schriftlichem Einverständnis, und sollten dies auch unmissverständlich sagen.
- Bei der Fragestellung und -formulierung sind die Persönlichkeitsrechte des Mitarbeitenden zu achten.
- aus dem Gespräch folgende Maßnahmen oder weitere Gespräche sollten zeitnah terminiert, geplant und umgesetzt werden.