Schon Hippokrates, der „Vater der modernen Medizin“, hatte konkrete Vorstellungen vom ärztlichen Erscheinungsbild. Heute haben Ärztinnen und Ärzte viel Entscheidungsspielraum bei der Kleiderwahl und greifen immer seltener zum Kittel. Derweil zeigen mehrere Studien, dass sich Arzt-Outfits direkt auf die Beziehung zwischen Arzt und Patient auswirken.
Kittel, Kasack und Krawatte in der Patientenwahrnehmung
Die Kleidung von Ärztinnen und Ärzten „kommuniziert“ mit der Patientenschaft. Das haben inzwischen über 30 Studien gezeigt. Diese haben die Wirkung von Arzt-Outfits auf Patientinnen und Patienten in Japan, in der Schweiz oder in den USA untersucht.
In jeder Studie zeigt sich Vergleichbares: Die Kleidung von Ärztinnen und Ärzten ist für die Mehrzahl der Befragten wichtig. Ob bewusst oder unterbewusst, die Kleiderwahl wirkt darauf, wie kompetent, fürsorglich, zugänglich und vertrauenswürdig Mediziner auf Patienten wirken.
Arzt-Outfit kann Einfluss auf den Behandlungserfolg haben
In der Schweizer Studie, die an über 800 Patientinnen und Patienten am Universitätsspital Zürich (USZ) durchgeführt wurde, fand das Forscherteam heraus, dass zu lässige Arzt-Outfits dazu führen könnten, dass Patientinnen und Patienten die ärztlichen Anweisungen weniger strikt befolgen. Gleichzeitig könne ein sehr formelles Outfit, etwa ein Anzug mit Krawatte, Patientinnen und Patienten davon abhalten, von sich aus über die eigenen Probleme zu sprechen. Das Forscherteam resümiert daher, dass das Arzt-Outfit einen Einfluss auf den Behandlungserfolg haben kann.
Geschlechterspezifische Unterschiede
In einer Online-Befragung, bei der 487 Männer und Frauen gebeten wurden, Ärztinnen und Ärzte entsprechend ihrer Kleidung zu bewerten, zeigte sich, wie wichtig der Kittel für Ärztinnen ist. Den Befragten wurden Bilder von Ärztinnen und Ärzten in unterschiedlichen Kleidungskombinationen vorgelegt. Die abgebildeten Personen trugen entweder Kasack oder Geschäftskleidung und darüber jeweils einen weißen Kittel oder eine graue Fleecejacke oder eine schwarze Softshelljacke. Ärztinnen und Ärzte in weißen Kitteln wurden im Vergleich zu Personen in Fleece- oder Softshelljacken als deutlich erfahrener, professioneller und freundlicher wahrgenommen. Die fotografierten Frauen wurden dabei grundsätzlich als weniger professionell eingestuft als die fotografierten Männer und wurden eher mit Medizintechnikerin, Arzthelferin oder Krankenschwester verwechselt. Der Kittel kann dabei als klares Signal wirken, dass es sich um eine approbierte Ärztin handelt.
Formelle Kittel weit vorne
Eine größere Studie aus den USA wurde an zehn großen Kliniken durchgeführt. Insgesamt wurden dabei 4.062 Patientinnen und Patienten befragt. Die Ergebnisse sind nahezu deckungsgleich mit den anderen Studien. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass die Kleidung von Ärztinnen und Ärzten für sie wichtig sei. Mehr als ein Drittel gab sogar an, dass das Arzt-Outfit ihre Zufriedenheit mit der Versorgung beeinflusse. Auch hier wurden die Befragten gebeten, Fotos von unterschiedlich gekleideten Ärztinnen und Ärzten zu bewerten. Insgesamt standen sieben Kombinationen zur Auswahl:
- Lässig/Casual: kurzärmliges Hemd oder Shirt mit Kragen, Turnschuhe und Jeans, jeweils mit oder ohne weißen Kittel.
- Kasack/Scrubs: kurzärmliges Hemd und Hose, beides in Blau, jeweils mit oder ohne weißen Kittel.
- Formell: langärmliges Hemd in Hellblau, dunkelblaue Anzughose, schwarze Lederschuhe (bei Frauen mit kleinem Absatz; bei Männern flache Schuhe und zusätzlich eine dunkelblaue Krawatte), jeweils mit oder ohne weißen Kittel.
- Business: dunkelblauer Anzug aus Jackett, Hose und Hemd, schwarze Lederschuhe und dunkelblaue Krawatte – nur ohne weißen Kittel.
Die Befragten sollten angeben, wie kompetent, fürsorglich, zugänglich und vertrauenswürdig sie die unterschiedlich gekleideten Ärztinnen und Ärzte einschätzen. Außerdem, wie wohl sie sich als Patientin oder Patient in der Gegenwart einer so gekleideten Person fühlen würden. Die formelle Variante mit weißem Kittel schnitt bei allen Befragten in allen fünf Kategorien am besten ab. Vor allem die ältere Patientenschaft (65 und älter) präferiert ein solches formelles Outfit samt Arztkittel. An zweiter Stelle schnitt die Kombination aus Kasack/Scrubs mit weißem Kittel, gefolgt von formeller Kleidung ohne Kittel ab.
Arzt-Outfits für die Praxis und Klinik: Tipps
Aus den Studien lässt sich Folgendes extrahieren:
Haus- und Fachpraxen, Gemeinschaftspraxen, Krankenhäuser und Kliniken sollten ihre aktuellen Kleidungsstandards prüfen und gegebenenfalls anpassen oder neu definieren.
Arzt-Outfits sollten der Seriosität der beruflichen Aufgabe entsprechen und eher professionell als leger ausfallen. Als Orientierung kann der Kleiderstil „Business Casual“ dienen. Zu viel Förmlichkeit bei der Kleidung kann der Arzt-Patient-Beziehung abträglich sein. Formell gekleidete Ärztinnen und Ärzte wirken womöglich nicht vertrauenerweckend genug und Patienten sprechen gesundheitliche Probleme weniger offen an.
Farblich sollten helle Töne dominieren. Weiß wirkt nach wie vor am kompetentesten und wird am stärksten mit dem Arztberuf assoziiert. Generell haben helle Farben den Vorteil, dass Verunreinigungen schneller sichtbar sind.
Der weiße Kittel wirkt. Wer den Kittel über seriöse Berufskleidung trägt, wirkt besonders kompetent, professionell und freundlich.
Arzt-Outfits können auf die Corporate Identity der Einrichtung abgestimmt sein und sich je nach Fachgebiet unterscheiden. So ist beispielsweise in der Sportmedizin ein legeres, gar sportliches Outfit angebrachter als etwa in der Dermatologie.