Kassenpatienten werden schlechter behandelt als Privatpatienten – diese Aussage hört man in den letzten Jahren mehr und mehr in Deutschland. Doch stimmt dies wirklich? Die Frage, ob der Kassenpatient ein Patient zweiter Klasse ist, kann man mit einem klaren, ja und nein beantworten. Denn so ganz einfach ist die Sache nicht.
“Schuld” an diesem Ungleichgewicht zwischen Privat- und Gesetzlich Versicherten ist das duale Gesundheitssystem in Deutschland. Während die Ärztefunktionäre und einige politische Parteien an diesem System festhalten wollen, favorisieren, laut einer Umfrage, weit über 50% der Deutschen eine einheitliche Bürgerversicherung. Unterstützt von den Parteien SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke. Doch wie wirkt sich das derzeitige duale Gesundheitssystem wirklich auf den einzelnen Kassenpatienten aus und welche Nachteile gibt es?
Müssen Kassenpatienten länger auf Termine bei einem Facharzt warten?
Ein klares Ja. Untersuchungen für die orthopädischen Praxen haben ergeben, dass ein Kassenpatient durchschnittlich 16 Tage auf einen Termin warten muss. Ein privat Versicherter kann bereits nach 7 Tagen mit einem Termin rechnen. Um beim Beispiel der nachgefragten orthopädischen Praxen zu bleiben, der Arzt erhält für die 10-minütige Behandlung eines Kassenpatienten 22 Euro, einmal im Quartal. 10 Euro extra für ein Röntgenbild. Muss der Kassenpatient häufiger kommen, gibt es kein Geld mehr. Für die gleiche Behandlung eines Privatpatienten können die Orthopäden 69 Euro abrechnen und dies ohne Begrenzung der Besuche pro Quartal. An diesem kleinen Beispiel sieht man, dass die Ärzte, allein um Geld zu verdienen, schon einen gewissen Anteil an Privatpatienten benötigen. In der Folge ist jeder Arzt bemüht, einen guten Prozentsatz an Privatpatienten zu erhalten. Je höher der Anteil, desto größer der Verdienst. Der Gesetzgeber hat versucht mit einem Gesetz Besserung für Privatpatienten verschaffen, mehr dazu unter Terminvergabe Arzt – Facharzttermin in 4 Wochen.
Werden Kassenpatienten schlechter behandelt?
Eine “schlechte Behandlung” ist immer auch eine Gefühlssache. Wenn man im Wartezimmer sitzt und mitbekommt, dass ein Privatpatient direkt durchgewunken wird, während man selbst schon die dritte Zeitschrift durchblättert, fühlt man sich automatisch schlechter behandelt. Von der medizinischen Grundversorgung her, darf es keine Unterschiede geben. Zum Beispiel bekommt ein Krankenhaus immer die gleiche Summe für eine Operation, egal ob der Patient privat oder gesetzlich versichert ist. Stichwort Fallpauschale. Der einzige Unterschied besteht darin, dass ein privat Versicherter mitbestimmen kann, wer ihn operiert, beispielsweise wenn er in seiner Krankenversicherung die Chefarztbehandlung vereinbart hat. Auch die Nachbehandlungen fallen etwas intensiver aus. Einen 1. Klasse Service und ein Einzelzimmer im Krankenhaus kann jeder Kassenpatient inzwischen durch Eigenleistung hinzubuchen.
Bekommen Kassenpatienten andere Behandlungen?
Die Durchführung einer OP sowie das verwendete Material unterscheiden sich nicht, egal wie der Patient versichert ist. Auch die ärztliche Behandlung ist im Grunde die gleiche. Privatpatienten erhalten in der Regele mehr Behandlungen und auch andere Therapien werden von den privaten Kassen übernommen. So zahlen die gesetzlichen Krankenkassen zum Beispiel keine Lymphdrainagen nach einer Operation, die privaten Kassen jedoch schon. Allerdings muss das nicht immer ein Nachteil für die Kassenpatienten sein. Besonders dann nicht, wenn die ärztliche Versorgung eines Privatpatienten den Beigeschmack einer Übertherapierung bekommt.
Mehr oder weniger Kostenkontrolle bei Kassenpatienten?
Als Privatpatient bekommt man alle Rechnungen zu Kontrolle ins Haus geschickt und hat somit in der Theorie eine höhere Kostenkontrolle. Wer sich jedoch als Privatversicherter schon einmal, nach einer umfangreicheren Behandlung, durch die einzelnen Positionen einer Rechnung gekämpft hat, wird Zweifel an seiner Kontrollfunktion bekommen haben.
Der Kassenpatient bekommt zwar seine Rechnungen nicht zu Gesicht, dafür sitzen in seiner Krankenkasse medizinisch ausgebildete Experten, die die einzelnen Positionen, zumindest auf Plausibilität und Höhe der veranschlagten Kosten, überprüfen können.
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