Trotz leichtem Zuwachs bei der Zahl der Ärzte/-innen bleibt die Personalsituation in Kliniken und Praxen weiterhin angespannt und droht sich in den nächsten Jahren, unter anderem durch demografische Faktoren und einer zunehmenden Teilzeitbeschäftigung innerhalb der Ärzteschaft, zu verschärfen. Es bedarf einer Etablierung strukturierter Karrieremodelle mit dem Ziel Fachärzte/-innen zu gewinnen und längerfristig zu binden. Wissenswertes zu dem Thema im folgenden Beitrag.
Ergebnisse der Ärztestatistik
Im Jahr 2021 waren bei den Landesärztekammern insgesamt 416.120 berufstätige Ärzte/-innen gemeldet. Dies entspricht – wie bereits im Vorjahr – einem Zuwachs um 1,7 Prozent bzw. um rund 7.000 Personen. Trotz allem fällt dieser Zuwachs verglichen zum Jahr 2019 (+ 2,5 Prozent) gering aus.
Die Gesellschaft in Deutschland wird immer älter und mit ihr auch die Ärzte/-innen. Wie aus den Daten der Bundesärztekammer hervorgeht, befindet sich jeder/r fünfte Arzt/Ärztin vor dem Ruhestand: über 13 Prozent der Ärzte/-innen sind 60 bis 65 Jahre alt und 8,5 Prozent der Ärzte/-innen sind bereits älter als 65 Jahre.
Bedingt durch die demografischen Faktoren, dem baldigen Ausscheiden von Ärzten/-innen aus dem Berufsleben und der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung hin zu mehr Teilzeitarbeit, gestaltet sich die Besetzung von offenen Arztstellen immer schwieriger. Dr. Klaus Reinhard, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), spricht von einer „besorgniserregenden Entwicklung“ und fordert „eine konsequente Nachwuchsförderung und bessere Ausbildungsbedingungen im ärztlichen Bereich“.
Ein Zusammenbruch der medizinischen Versorgung habe man nur durch den immensen Einsatz und die Bereitschaft der Mitarbeiter/-innen im medizinischen Sektor verhindern können. Damit sich die Personalbeschaffungsmöglichkeiten verbessern, sind „attraktive berufliche Rahmenbedingungen, um junge Ärztinnen und Ärzte in der kurativen Medizin zu halten“ nötig, verlangt BÄK-Präsident Reinhardt.
Herausforderung für Kliniken und Krankenhäuser
Die Herausforderung für Kliniken und Krankenhäuser besteht derzeit darin, vorhandene ärztliche Mitarbeiter/-innen auf lange Sicht zu binden bzw. eine Abwanderung zu vermeiden sowie neue ärztliche Mitarbeiter/-innen für sich zu gewinnen. Vor allem forschungsorientierte Krankenhäuser, wie Universitätskliniken und Lehrkrankenhäuser, möchten den verstärkten Abgang von Fachärzten/-innen in andere Versorgungskrankenhäuser und in den ambulanten Bereich zu verhindern wissen.
Aus diesem Grund bedarf es strukturierter Karrieremodelle für Fachärzte/-innen, die konsequent weiterentwickelt werden müssen, und unter anderem die Ansprüche der Ärzte/-innen berücksichtigt sowie den individuellen Zielen des/-r ärztlichen Mitarbeiters/-in Beachtung schenkt. Zufriedene Mitarbeiter/-innen könnten demnach eine hohe Fluktuation verhindern.
Das Angebot möglicher Karrierepfade: Führungskarriere, Fachkarriere und Projektkarriere
Verschiedene Karrierepfade haben zum Ziel, Einfluss auf die individuellen Karriereerwartungen zu nehmen und die Interessen zukünftiger ärztlicher Mitarbeiter/-innen zu wecken und gleichzeitig den Anforderungen und Bedingungen des Krankenhauses gerecht zu werden.
Eine Karriere- und Nachfolgeplanung ist sowohl für das Krankenhaus als auch für den/die Arzt/Ärztin vorteilhaft. Unternehmen können Fachkräfte rekrutieren und sichern. Aus Sicht des/der Arztes/Ärztin werden Karriereaufstiegsmöglichkeiten gewährleistet mitsamt Steigerung des sozialen Status, des Einkommensstatus, der Selbstverwirklichung und der Lebensplanung.
In dem Zusammenhang unterscheidet man folgende Karrierepfade: Führungskarriere, Fachkarriere und Projektkarriere.
Führungskarriere: Die traditionelle Karriereform
Die Führungskarriere stellt die traditionelle Karriereform dar. Im medizinischen Sektor versteht man darunter die stufenweise Beförderung vom/-n Assistenzarzt/-ärztin zum/-r Facharzt/-ärztin und Oberarzt/-ärztin zum Chefarzt/-ärztin.
Mit jeder Hierarchiestufe nehmen Entscheidungskompetenz und Verantwortung sowie Einkommen und sozialer Status zu. Zudem stellen sich aber auch Engpässe ein. Es gibt weniger Stellen für Oberärzte/-innen als für Fachärzte/-innen, es gibt nur eine/n leitende/n Oberarzt/-ärztin und nur eine/n Chefarzt/-ärztin. Auch die Karriereoptionen unterhalb der Position des/der Chefarztes/-ärztin sind vor allem in der Hochschulmedizin kaum vorhanden.
Durch das Schaffen weiterer Stellen innerhalb der Führungskarrierestruktur könnte man vorhandene Fachärzte/-ärztinnen, die an einer Führungskarriere interessiert sind, für die aber keine Beförderungsmöglichkeiten auf dem traditionellen Karriereweg zu Verfügung stehen, weiterhin in dem beschäftigten Krankenhaus binden. Praktizierte Optionen sind zum Beispiel die Leitung einer Unterabteilung oder einer Spezialambulanz – hier könnte der/die Arzt/Ärztin mehr Verantwortung übernehmen und mehr verdienen, damit das Einkommen dem eines/-r leitenden Oberarzt/-ärztin gleichkommt.
Fachkarriere: Spezialisierung als Karriere
Eine Fachkarriere, auch als Spezialistenlaufbahn bezeichnet, bietet die Möglichkeiten, sich beruflich weiterzuentwickeln und Karriere zu machen, indem man sich auf einen speziellen Fachbereich konzentriert bzw. die fachliche Expertise verbessert. Durch entsprechende Anreize, zum Beispiel durch Schaffung von Facharzt/-ärztin-Stellen mit besonderen Aufgabenbereichen und Spezialgebieten, könnten Ärzte/-innen nach einer Facharztweiterbildung in dem Krankenhaus, in welchem sie bislang beschäftigt sind, gehalten werden.
Projektkarriere: Möglichkeiten in der Universitätsmedizin durch Forschungsprojekte
Der Begriff Projektkarriere definiert sich wie folgt: In der Projektkarriere ist der/die Mitarbeiter/in in Projekte involviert. Mit zunehmender Erfahrung kann man mehr Verantwortung innerhalb der Projekte übernehmen. Ähnlich wie in der Führungskarriere besteht in der Projektkarriere die Möglichkeit, in der Hierarchie der Projekte nach oben zu steigen, wodurch sich das Tätigkeitsfeld verändert. Das Modell der Projektkarriere kommt beispielsweise in der Forschung zum Einsatz. So kann ein/e Facharzt/-ärztin, welche/r aus den Führungs- und Fachkarrieremodellen ausscheidet, trotz allem aufsteigen, indem er/sie Projekttätigkeiten übernimmt und für umfassende Projekte verantwortlich ist. Derartige Tätigkeiten können möglicherweise in wissenschaftlich orientierte Junior- bzw. Forschungsprofessuren münden.
Implementierung der Karrieremodelle
Damit sich die genannten Karrieremodelle etablieren, muss man folgende Voraussetzungen berücksichtigen:
- Anpassung an die lokalen Gegebenheiten (z.B. ist eine Projektkarriereoption bei der gegebenen Abteilungsgröße überhaupt umsetzbar?)
- die Definition von Laufbahnstufen und deren Zugangsvoraussetzungen (Zuweisung der Verantwortungs- und Entscheidungsbefugnisse, Anpassung an die vorhandene Stellenstruktur)
- die Bestimmung der Vergütungsstufen/-bandbreiten und weiterer Anreize
- die Erarbeitung von Qualifizierungs- und Entwicklungsprogrammen
- das Anstreben von Vergleichbarkeit
- Wechselmöglichkeiten zwischen den Karrierewegen
Der Einsatz transparenter, strukturierter und vor allem kommunizierbarer Karrieremodelle hat zum Ziel, dass die Attraktivität des Arbeitgebers gesteigert wird und die Zufriedenheit innerhalb der Ärzteschaft zunimmt.
Das Nebeneinanderbestehen von Führungskarriere, Fachkarriere und Projektkarriere und die Verzahnung dieser Karrieremodelle kann Einfluss auf die individuellen Karriereerwartungen von Fachärzten/-innen nehmen, die Interessen zukünftiger ärztlicher Mitarbeiter/-innen wecken und die Möglichkeiten eines beruflichen Aufstiegs gewähren, wodurch einer hohen Fluktuation entgegengewirkt werden kann.