
Ende des Jahres 2022 wurde die bisher wohl größte Umfrage unter (werdenden) Müttern in der Ärzteschaft durchgeführt. Dabei ging man sowohl auf die Reaktionen und Maßnahmen während der Schwangerschaft ein, andererseits erfragte man die empfundenen Auswirkungen der Schwangerschaft auf die Karriereentwicklung. Die Ergebnisse sind erschreckend: der befürchtete Karriereknick nach der Schwangerschaftsverkündung hält viele werdende Mütter davon ab, ihre Arbeitgeber frühzeitig über ihre Situation zu informieren, um so weiterhin operieren und anders ärztlich tätig sein zu können. Doch welche Auswirkungen hat eine Schwangerschaft wirklich auf die Karriere? Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Umfrage in diesem Artikel.
Die Umfrage
Rund 4.800 Ärztinnen und Medizinstudentinnen, die in den letzten Jahren schwanger geworden sind, machten Angaben zu ihren Erfahrungen während der Schwangerschaft. Initiativgeber waren unter anderem Marburger Bund (MB), der Deutsche Ärztinnenbund (DÄB), die Initiative Operieren in der Schwangerschaft (OPidS), die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), der Verband der Chirurginnen (Die Chirurginnen e.V.) und der Verband leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (vlk).
Das Ergebnis der Umfrage malt dabei ein unerfreuliches Bild: Während der Corona-Pandemie stieg dabei der Anteil der Schwangeren, die negative Auswirkungen auf ihre Arbeit und Karriere mit Ankündigung der Schwangerschaft erwarteten, von 44 auf 56 Prozent an. Die befürchteten Folgen reichten von Einschränkungen während der Weiterbildung über OP- und Beschäftigungsverbote hin zu negativen Reaktionen von Chefseite, auch wegen eines herrschenden Personalmangels.
Die Gefährdungsbeurteilung
Nach herrschendem Recht soll man alle Tätigkeiten am Arbeitsplatz dahingehend beurteilen, ob schwangere und stillende Personen diese ausführen können, ohne dass man eine Gefährdung für Mutter oder Kind erwarten kann. Diese Beurteilung findet unabhängig davon statt, ob eine Frau unter den Mitarbeitenden ist. Nichtsdestotrotz gab rund ein Fünftel der Befragten an, dass keine Beurteilung stattgefunden habe. Bei einem weiteren Fünftel war die Situation unbekannt. Selbst nach einem Gespräch mit den Verantwortlichen sei dennoch bei rund einem Drittel keine Gefährdungsbeurteilung erfolgt. Eine Medizinstudentin berichtet, dass sie für die praktischen Anteile des Semesters für jede Rotation eine neue Gefährdungsbeurteilung einholen musste – alle ein bis zwei Wochen. Oft sei dies mit enormen Schwierigkeiten verbunden gewesen, sodass der Organisationsaufwand enorm gewesen sei.
Das betriebliche Beschäftigungsverbot
Ob der Wunsch auf eine möglichst normale Weiterbeschäftigung während der Schwangerschaft besteht, ist von Schwangerer zu Schwangerer sehr unterschiedlich. Fakt ist, dass sich viele Ärztinnen wünschen, zumindest in reduziertem Maß weiterzuarbeiten. Besonders Wert legten die Befragten auf ihr Mitbestimmungsrecht. Dennoch erhielt knapp die Hälfte der befragten Ärztinnen vom Arbeitgeber ein betriebliches Beschäftigungsverbot, bei über einem Drittel kam es zu Tätigkeitseinschränkungen. Die Auswirkungen sind oft eine längere Weiterbildungsdauer mit entsprechendem Karriereknick und schlechterem Verdienst.
Viele Mütter gaben an, dass die Schwangerschaft zwar negative Auswirkungen auf ihre Karriere gehabt habe, die eigentliche Erziehung der Kinder und Teilzeitarbeit jedoch zur Bevorzugung männlicher und kinderloser Kollegen geführt habe: „Ich hatte meine gesamte Schwangerschaft Beschäftigungsverbot, mir fehlt dadurch Weiterbildungszeit. Aber die größeren Behinderungen erfährt meine Karriere sicher durch die Tatsache, dass ich Mutter bin. Dadurch, dass Kita-Öffnungszeiten immer mehr reduziert werden und Kitas in der Pandemie wochen- bis monatelang nicht offen hatten. Mein Vorgesetzter hat mir klar zu verstehen gegeben, dass ich für die Abteilung zu „unflexibel“ und „unzuverlässig“ bin, seit ich Mutter bin.“
Die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, Dr. Christiane Groß, beschreibt die Folgen so: „Sowohl dem Beschäftigungsverbot als auch der Umstrukturierung des Arbeitsplatzes in eine andere, nicht der jeweiligen Weiterbildungsordnung unterliegende Tätigkeit folgt ein Karriereknick, weil die Facharztprüfung nach hinten verschoben werden muss. Folgen sind die spätere Option für oberärztliche oder chefärztliche Stellen oder die spätere Option sich niederzulassen.“
Die Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie hat die schon vorher unzufriedenstellende Lage weiter zugespitzt. Statt individueller Lösungen hat man auf breite betriebliche Beschäftigungsverbote gesetzt. Davon waren bis über 60 Prozent ausschließlich Corona-bedingt. Die Folgen sind deutlich: rund zwei Drittel, der während der Pandemie Schwangeren fühlen sich beruflich zurückgeworfen, was unter anderem daran liegt, dass nur ein Drittel ohne Nachteile Weiterbildungsinhalte für die Facharztweiterbildung sammeln konnte. Wurde vor der Pandemie noch 43 Prozent der schwangeren Ärztinnen erlaubt, zumindest reduziert zu operieren, so war dieser Anteil seit 2022 auf 21 Prozent gefallen.
Jedes Mal ein Kampf
Es bleibt unklar, warum man trotz des steigenden Frauenanteils in der Medizin das Thema Arbeit in der Schwangerschaft weiterhin so stiefmütterlich angeht. Eine Ärztin berichtet: „In meinem Fall lief alles gut, ich musste aber sehr dafür kämpfen, dass ich nicht ins Beschäftigungsverbot geschickt werde. Nur dank zweier Oberärztinnen, die mich beim Chef unterstützt haben, durfte ich am Ende weiterarbeiten.“ Viele Ärztinnen berichten von einem wahren Kampf bei der Durchsetzung von rechtlich verbindlichen Maßnahmen wie der Gefährdungsbeurteilung. Und auch wenn viele Schwangere zumindest anteilig weiterarbeiten möchten, so gibt es dennoch Betroffene, die aus Sorge um das ungeborene Kind oder aufgrund der während der Schwangerschaft zu hohen Belastungen wie Diensten vorübergehend nicht ärztlich tätig sein möchten oder können.
Es gibt kein für alle passendes Modell, daher sollten schon früh Maßnahmen ergriffen werden, um individuelle Lösungen schnell und für alle Beteiligten zufriedenstellend finden zu können. Das Thema Schwangerschaft wird durch den steigenden Frauenanteil in den kommenden Jahren noch an Bedeutung gewinnen. Durch unnötige Beschäftigungsverbote, gegen den Willen der Frauen wird nicht nur kurzfristig die Arbeitslast für die Kollegen/-innen erhöht, auch langfristig werden den werdenden Müttern Steine in den Weg auf der Karriereleiter gelegt und die Zeit, bis wertvolle Fachärztinnen ausgebildet sind, unnötig verlängert.