Als Arztzeit bezeichnet die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Zeit, die ...

Dass man in der Eile Wichtiges vergisst, Dinge verlegt oder einfach wesentlich unachtsamer ist als gewöhnlich, ist jedem bekannt. Ein fordernder Alltag mit viel Stress macht solche Situationen häufig. Was aber, wenn der Stress chronisch wird? Auch dann sind gravierende Folgen für das Gehirn zu erwarten – mit langfristigen Folgen.
Dieser Beitrag zeigt, was Stress und Einsamkeit mit dem menschlichen Gehirn machen und warum die kognitiven Fähigkeiten leiden können.
Kognitive Fähigkeiten – ein Überblick
Unter dem Sammelbegriff der kognitiven Fähigkeiten versteht man gleich einen ganzen Strauß an Fertigkeiten, die den Mensch ausmachen. Die Sprachfähigkeit gilt als „Königin“ unter den kognitiven Fähigkeiten. Aber auch Gedächtnisleistung, Problemlösefähigkeit sowie Aufmerksamkeit, Wahrnehmungsfragen und geistige Willenskraft gehören in den Bereich der kognitiven Fähigkeiten. Für die Gedächtnisleistung gilt in diesem Zusammenhang: Je emotionaler man ein Ereignis empfindet, desto schneller wird es in das Langzeitgedächtnis überführt.
Was dem Gedächtnis schadet
Nicht alle Lebensumstände des modernen Alltags tun dem Gehirn gut. Allgegenwärtiger Stress, Überlastung in mehreren Lebensbereichen und gleichzeitige soziale Vereinsamung sind häufige Probleme des modernen (Arbeits-)Lebens. Wer ein Leben ohne Freizeit führt, findet keine Freiräume, um qualitativ hochwertige Entspannungsphasen mit Freunden einzuplanen. Über die Jahre führt dies zu Vereinsamung.
Einsamkeit spielt bei der negativen Beeinflussung der menschlichen Wahrnehmung eine große Rolle. Wenn sie lange anhält, ruft sie bei vielen Menschen eine nachhaltig schlechte Stimmung hervor. Die nachteiligen Effekte von Einsamkeit sorgen aber auch für messbare Veränderungen am menschlichen Gehirn: Soziale Isolation, die sich über längere Zeiträume erstreckt, beeinträchtigt die neuronale Plastizität, vor allem im Gyrus dentatus des Hippocampus. Dieser Bereich des Gehirns ist für die Überführung von Informationen in das Langzeitgedächtnis zuständig, indem er Emotionen verarbeitet, aber auch Gelerntes ablegt – und zugleich für räumliches Denken verantwortlich ist.
Gedächtnisleistung und soziale Interaktion
Dass gerade Gedächtnisleistungen massiv unter dem Mangel an sozialer Interaktion leiden, erscheint zunächst verwunderlich. Denn schließlich wird langläufig davon ausgegangen, dass man das Gedächtnis mit diszipliniertem Training in Topform bringen kann.
Neueste Forschung der Berliner Charité und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zeigen ein dramatisches Bild der Auswirkungen, die sich durch soziale Isolation auf das Gedächtnis und damit möglicherweise auch auf andere kognitive Fähigkeiten auswirkt. Untersucht wurde diese Beziehung an neun Antarktisforschern, die für einen Einsatz mit der Länge von 14 Monaten auf der deutschen Station Neumayer III lebten. Hier konnte anhand von Hochfeld-MRT-Messungen festgestellt werden, dass sich deren Gyrus dentatus um bis zu 10 Prozent hinsichtlich seines Volumens verkleinert hatte. Zudem konnte bei allen neun Studienteilnehmern festgestellt werden, dass ihr Spiegel des Neurotrophins BDNF um durchschnittlich 45% gesunken war. Bei BDNF handelt es sich um eine körpereigene Substanz, die ähnlich eines Nervenwachstumsfaktors für die Plastizität von Neuronen und Synapsen verantwortlich ist. Nicht zuletzt spielt BDNF eine wichtige Rolle bei der Neuentwicklung von Neuronen im Erwachsenenalter.
Kognitive Fähigkeiten auch im Alltagsstress erhalten
In der beschriebenen Studie konnten die Veränderungen am Gehirn bereits nach drei Monaten der Isolation beobachtet werden. Räumliches Denken, aber auch die selektive Aufmerksamkeit zeigten sich bereits nach der relativ kurzen Zeit von nur drei Monaten – und blieben dies auch bis eineinhalb Monate nach Ende der Expedition. Auch wenn im Rahmen der genannten Studie lediglich neun Teilnehmer untersucht wurden, gibt diese dennoch interessante Hinweise auf Möglichkeiten, den kognitiven Abbau zu verhindern. Denn dem Gehirn tun regelmäßige Sozialkontakte sehr gut. Auch und gerade in schwierigen und kräftezehrenden Lebensphasen können sie dazu beitragen, die eigene Gesundheit, aber auch die kognitiven Fähigkeiten zu erhalten.