
Die teils hohen Zahlen an Burnout-Fällen im Gesundheitswesen sind nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Arbeitgeber ein Problem. Welche Faktoren im Arbeitsumfeld das Burnout-Risiko erhöhen und was Arbeitgeber in Krankenhaus und Klinik tun können, um die Gefahr zu minimieren, das verrät Psychologe und Berater Dr. Matthias Burisch im Interview mit praktischArzt.
Herr Dr. Burisch, nehmen deutsche Arbeitgeber, Ihrer Erfahrung nach, das Burnout-Risiko ausreichend ernst?
Nein. Sonst würden wir uns nicht so umfangreich damit befassen müssen. Meiner Erfahrung nach passiert gerade in Krankenhäusern und Kliniken zu wenig. Natürlich waren die vergangenen beiden Jahre durch die Covid-19-Pandemie sehr schwer. Aber die Gefahr, an Burnout zu erkranken, bestand für Ärztinnen und Ärzte auch schon vor dieser Zeit und sie besteht auch weiterhin. Von den Pflegekräften ganz zu schweigen. Hier ist also noch viel Luft nach oben.
Welche Faktoren im Arbeitsumfeld – beispielsweise Klinik oder Krankenhaus – stehen denn besonders in Verdacht, das Burnout-Risiko zu erhöhen? Und was könnte man tun, um Arbeitgeber mehr für das Thema zu sensibilisieren?
Als Hauptfaktoren, die das Burnout-Risiko im Klinik-Umfeld bedingen, werden immer wieder zu viel Bürokratie, zu lange Arbeitszeiten und zu wenig Wertschätzung genannt. In erster Linie wäre es also sinnvoll, dass sich Arbeitgeber dies bewusst machen und nach Lösungen suchen, diese Aspekte zu verbessern.
Bürokratie und Arbeitszeiten sind eher organisatorische Themen – Wertschätzung ein psychologisches Thema. Doch letztendlich laufen alle drei Faktoren auf Probleme in der Führungs- bzw. Managementebene hinaus. Häufig fällt es der Verwaltung oder der Führungsebene schwer, diese Probleme zu erkennen bzw. konkret etwas zu ändern. Dann kann es sinnvoll sein, sich externen Rat einzuholen.
Gerade unter Mediziner/innen liest man jedes Jahr neue Höchstzahlen was die Burnout-Fälle angeht. Wieso sind gerade Ärztinnen und Ärzte so sehr gefährdet?
Das Medizinstudium ist kein Studium wie jedes andere. Wer Medizin studieren will, bringt oft ein hohes Maß an Idealismus mit. Dieser Idealismus wird jedoch in der Praxis der Krankenpflege, die dann nach dem Studium folgt, oftmals enttäuscht. Auch die teils überhöhten Ansprüche, die Ärzte/-innen an sich selbst stellen, können im Krankenhausalltag oft nicht erfüllt werden.
Hauptursächlich für die hohe Burnout-Rate unter Mediziner/innen ist jedoch sicherlich das Arbeitsumfeld. Also genau die Faktoren, die ich zuvor schon genannt habe.
Welche Handlungsempfehlungen geben Sie Arbeitgebern im Gesundheitswesen, die effektive Burnout-Prävention betreiben möchten, um weitere Krankheitsfälle in Zukunft zu minimieren?
Man wird die Zahl möglicher Burnout-Fälle wohl nie auf null bekommen. Denn das ist ja auch immer abhängig von der jeweiligen betroffenen Person. Aber wenn man sie auf etwa fünf bis zehn Prozent minimieren kann, so ist das schon ziemlich erfolgreich.
Ein wichtiger Faktor dabei ist von psychologischer Seite die Anerkennung. Wie die Wertschätzung kommt auch diese häufig zu kurz. Man könnte das alles unter dem Begriff „Kulturarbeit“ zusammenfassen.
In meiner Funktion als Berater kann ich dabei „Employee Assistence Programs“, also „Mitarbeiter-Unterstützungsprogramme“ empfehlen. Die Idee dieser Programme ist nicht neu, eignet sich aber hervorragend für Krankenhäuser. Diese schließen einen Vertrag mit einem externen Beratungsunternehmen ab. Dieses bietet im Gegenzug eine Beratungshotline für die Krankenhausmitarbeiter/innen an.
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass sich mehr als die Hälfte der eingehenden Anrufe mit Konflikten mit Kollegen/-innen oder Vorgesetzten befassen. Dass diese Hotlines helfen können, zeigt sich in der Regel daran, dass Krankenstand und Fluktuation sinken. Und das wiederum lohnt sich für die Arbeitgeber.
Zur Person
Dr. Matthias Burisch ist Psychologe und lehrte als Professor an der Universität Hamburg. Neben seiner universitären Tätigkeit arbeitet er als Berater, Trainer und Coach. Neben zahlreichen Studien zum Thema Burnout veröffentlichte er mit „Das Burnout-Syndrom“ eins der deutschsprachigen Standardwerke.