Vakante Stellen zu besetzen, stellt Personalverantwortliche und Recruiter im Gesundheitswesen vor besondere Herausforderungen. Wie erlangt man die maximale Reichweite für seine Stellenanzeigen? Und wo können sich HR-Abteilungen Hilfe holen? Das verrät Stefan Ertel von der Personalmarketing-Agentur Kunze & Stamm im Gespräch mit praktischArzt.
Stefan, Du bist seit 20 Jahren im Recruiting tätig, kannst Du uns erklären, wie das Tagesgeschäft in einer Personalmarketing-Agentur aussieht?
Kurz gesagt: komplex, arbeitsintensiv und geprägt von einer hohen Schnelligkeit. Unsere Kunden wollen zeitnah offene Stellen besetzen. Das können einzelne Positionen sein, aber auch Personal für eine ganze Fachabteilung, die zum Beispiel in einer Klinik neu aufgebaut werden soll. Wir beginnen dann damit, uns mit der Zielgruppe zu beschäftigen. Dabei klären wir, ob es sich bei der Position um einen generellen Mangelberuf oder einen regionalen Mangelberuf handelt. Das hat Auswirkungen auf unser weiteres Vorgehen, z.B. darauf, ob wir nur Aktiv-Jobsuchende oder auch Passiv-Jobsuchende ansprechen müssen. Ziel ist es immer, möglichst viele potenzielle Bewerberinnen und Bewerber zu erreichen. Darauf aufbauend erstellen wir dann die nötigen Medien, wie Texte und Grafiken oder planen Kampagnen, etc. Natürlich muss das alles im Rahmen eines Budgets bleiben, welches uns von unserem Kunden vorgegeben wird.
Worauf sollten Recruiter bei der Stellenbesetzung besonders achten? Wie sollten Personalerinnen und Personaler idealerweise vorgehen?
Ich sehe sehr viel Potenzial darin, sich mit der Zielgruppe zu beschäftigen. Das klingt jetzt möglicherweise nicht sehr innovativ, wird aber von vielen Recruitern immer noch zu sehr vernachlässigt. Denn wenn ich weiß, wie die Person tickt, die ich erreichen will, gibt mir das auch Aufschluss darüber, wie ich diese Person erreichen kann. Dann weiß ich, was diese Zielgruppe in meiner Stellenanzeige lesen will und was ich ihr als Arbeitgeber bieten muss, um sie für mich zu interessieren. Ebenfalls gut zu wissen, sind die Kanäle, über welche ich meine Zielgruppe am besten erreichen kann. Denn es bringt mir zum Beispiel wenig, eine Stellenanzeige für einen Ausbildungsplatz in der gedruckten Ausgabe einer Tageszeitung zu veröffentlichen, die dann von den jungen Menschen aber gar nicht gelesen wird.
Von Vorteil ist außerdem Fachwissen über die technischen Möglichkeiten, die modernes Recruiting bietet. Die eigene Karriereseite optimal zu gestalten. Und natürlich sollte man auch die eigenen Recruiting-Prozesse mittels Controllings überprüfen, um zu sehen, ob man effizient genug arbeitet.
Welche besonderen Herausforderungen stellt der medizinische Bereich an das Recruiting? Und in welchen Bereichen haben deutsche Krankenhäuser Verbesserungspotential?
In diesem Bereich ist der Mangel an Fachkräften besonders prekär. Es herrscht ein ausgeprägter Abwerbemarkt vor. Da es in Deutschland nicht genug Fachkräfte gibt, wird der Pool an Bewerbern immer internationaler. In solchen Fällen zeigt sich dann, dass viele Kliniken in punkto Onboarding Verbesserungsbedarf haben. Wenn internationale Mitarbeiter eine neue Stelle antreten, dann benötigen sie andere und viel mehr Zuwendung und Hilfestellung als das vielleicht bei Kollegen der Fall ist, die schon Jahre im deutschen Gesundheitswesen arbeiten.
Meinem Empfinden nach, haben viele Krankenhäuser oder auch Pflegeeinrichtungen auch noch nicht ausreichend realisiert, dass es nicht mehr ausreicht, nur die Aktiv-Jobsuchenden anzusprechen. Stattdessen sollten sie anfangen, ihren Fokus auch auf die Passiv-Jobsuchenden zu richten.
Auch das Employer Branding könnte vielerorts noch verbessert werden. Auf vielen Karriereseiten strahlen einem Fotomodels in reinweißen Kitteln entgegen. Und da frage ich mich: Sieht so die Arbeit in einer Klinik aus? Und wie weit ist diese Vorstellung von dem vielleicht auch mal blutigen Berufsalltag entfernt? Das eigene Krankenhaus und Arbeitsumfeld realistisch und trotzdem sympathisch abzubilden, ist eine Kunst, die besondere Herausforderungen mit sich bringt.
Fairerweise muss ich aber auch sagen, dass die Bedeutung des Recruitings in den Personalabteilungen steigen muss. Oft sind es die zu engen Budgets, die einem als Recruiter die Spielräume nehmen.
Welche Trends lassen sich aktuell für Recruiter erkennen? Hat die Corona-Pandemie den Markt beeinflusst?
Leider sind die finanziellen Spielräume, die ich eben schon angesprochen hatte, vielerorts zurückgegangen. Viel Geld wurde an anderen Stellen benötigt. Wir messen an machen Standorten einen Rückgang der Bewerbungen. Da könnten Ängste oder Bedenken der Bewerberinnen und Bewerber bezogen auf die Jobsicherheit eine Rolle spielen.
Die Corona-Pandemie hat aber auch dazu geführt, dass sich viele Entwicklungen beschleunigt haben. Vielen Personalabteilungen scheint bewusst geworden zu sein, dass sich im Recruiting etwas ändern muss. Wenn man plötzlich weniger finanzielle Mittel zur Verfügung hat, muss man das vorhandene Geld besser einsetzen. Zum Beispiel legt man mehr Wert auf Kennzahlen und Controlling oder prüft, ob die eigenen Recruiting-Prozesse wirklich optimal digitalisiert sind. Das sind dann auch positive Trends, die sich aus der Pandemie für das Recruiting ableiten lassen.
Welche Kanäle hältst Du für das Schalten von Stellenanzeigen für am besten geeignet?
Ganz einfach: Die Kanäle, über die man seine Zielgruppe bestmöglich erreicht. Welche das sind, lässt sich jedoch nicht pauschal sagen und ist immer davon abhängig, welche Position man in welcher Region besetzen möchte. Der Einfluss von Printmedien ist deutlich zurückgegangen – vor allem in den Großstädten und Ballungszentren.
Grundsätzlich empfehle ich unseren meisten Kunden, ihre Stellenanzeige breiter zu streuen. Sich auf eine einzelne Stellenbörse zu beschränken, macht nur Sinn, wenn es sich dabei um ein fachspezifisches Portal – sprich: eine Spezialisten-Jobbörse, beispielsweise rein für Arzt-Jobs – handelt.
Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, passive Kandidaten anzusprechen. Das kann mittels Direktansprache in den Sozialen Medien oder Business-Netzwerken, mit programmatischer Banner-Werbung oder dem Engagieren eines Headhunters gelingen.
Wie wird sich der Markt für Recruiter, Deiner Meinung nach, in den nächsten Jahren verändern? Welche Trends kommen da auf uns zu?
Ich denke, die Komplexität wird weiter zunehmen, ebenso wie die Zahl der neuen, vor allem digitalen Möglichkeiten. Wir können heute schon Kennzahlen in allen Phasen des Recruitings erfassen und das werden wir in Zukunft noch effizienter einsetzen können.
Außerdem werden die passiven Kandidaten immer mehr zur wichtigsten Zielgruppe werden. Es wird also über neue Wege nachgedacht werden müssen, wie man die ansprechen und für das eigene Krankenhaus begeistern kann.
Zur Person:
Stefan Ertel ist seit 3 Jahren Vertriebsleiter der Personalmarketing-Agentur Kunze + Stamm. Insgesamt ist er seit 20 Jahren als Berater im Recruiting tätig.