
Wie besetzt man vakante Ärzte-Stellen optimal? Das ist eine Frage, die jede Klinik umtreibt. Warum Krankenhäuser jetzt die Digitalisierung des Bewerbungsprozesses angehen sollten, verrät Dr. Lars Holldorf, Experte für Personal-Strategie im Krankenhaus und Auslandsrekrutierung, im Interview mit praktischArzt.
Herr Dr. Holldorf, was sind für Sie aktuell die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Rekrutierungsprozess?

Dr. Lars Holldorf (Foto: privat)
Für die Krankenhäuser geht es vor allem um Reichweite in der für sie relevanten Zielgruppe.
Aus Bewerbersicht ist besonders der Komfort wichtig – also, wie einfach es ist, eine Bewerbung einzureichen und wie transparent sich der ganze Bewerbungsprozess gestaltet. Aus meiner Sicht unterschätzen viele Krankenhäuser, wie wichtig Schnelligkeit heutzutage ist. Die Bewerber haben eine Erwartungshaltung an den Bewerbungsprozess, der sich aus den privaten Erfahrungen mit dem E-Commerce speist. Wer sich als Arbeitgeber heute 2 bis 3 Tage Zeit für eine Antwort lässt, der ist häufig schon zu spät dran.
Außerdem halte ich einen durchdachten und gut strukturierten Onboarding-Prozess für wichtig. Und das geht selbstverständlich nur mit entsprechend vorangetriebener Digitalisierung.
Wie weit ist die Digitalisierung im Recruiting in deutschen Krankenhäusern denn bereits fortgeschritten?
Diesbezüglich habe ich eine Art Zweiteilung festgestellt. Auf der einen Seite gibt es die großen Krankenhaus-Ketten. Die sind auf dem Stand der Zeit und arbeiten mit moderner Technik.
Auf der anderen Seite findet sich die Mehrheit der übrigen Krankenhäuser. Die befinden sich häufig noch auf einem technischen Stand, der dem aktuell möglichen um etwa zehn Jahre hinterherhinkt. Das klingt hart, ist aber leider häufig die Realität!
Viele Krankenhäuser stehen in punkto Digitalisierung noch am Anfang. Das liegt oftmals daran, dass sich die jeweiligen Geschäftsleitungen dieses Erfolgsfaktors noch gar nicht ausreichend bewusst sind. Im Vergleich mit anderen Branchen läuft in deutschen Krankenhäusern noch sehr viel analog.
Das kann man aber auch positiv sehen, denn die Krankenhäuser, die sich jetzt daran machen, ihre Rekrutierungsprozesse zu digitalisieren, erarbeiten sich dadurch einen möglicherweise entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber ihrer Konkurrenz.
Warum sollten Krankenhäuser, Ihrer Meinung nach, gerade jetzt den Rekrutierungsprozess digitalisieren?
Der Wettbewerb im Gesundheitswesen wird härter. Kleinere Krankenhäuser können sich nicht erlauben, den Abstand zu den großen Ketten noch größer werden zu lassen. Darüber hinaus lassen sich die aktuellen Anforderungen des Bewerbermarktes nicht mehr nur mit E-Mail und Excel verarbeiten. Da braucht es komplexere Systeme.
Wie genau profitiert das Unternehmen davon?
Man spart sich wertvolle Arbeitszeit, da langwierige manuelle Arbeitsschritte wegfallen. Denn heutzutage können durch Bewerbermanagement-Software viele Abläufe, wie zum Beispiel das Antworten auf Bewerber-Mails, automatisiert werden. Die gesparte Arbeitszeit kann man dann für Recruiting-Intelligenz, strategisches Arbeiten oder das Arbeiten mit den Mitarbeitern aufbringen.
Viele Krankenhäuser veröffentlichen außerdem immer noch Stellenanzeigen im PDF-Format. Damit verzichten sie freiwillig auf Reichweite. Auch hier lohnt es sich, den Prozess sinnvoll zu digitalisieren.
Und zuletzt ist der Aufwand, der betrieben wird, um die Bewerber auf die unternehmenseigene Karriere-Website zu locken, vielerorts sehr groß. Eine moderne Software hilft dabei, dass diese Bewerber dann auch tatsächlich eine Bewerbung einreichen können.
Was sind Vorteile für Bewerber?
Kurz gesagt: Geschwindigkeit und Komfort. Die Bewerber erhalten beispielsweise eine automatische Eingangsbestätigung zur eingereichten Bewerbung und jederzeit eine schnelle Rückmeldung auf Fragen bezüglich des Stands der Bewerbung. Auch Termine für Interviews können digital abgesprochen oder über Kalender-Tools gebucht werden. Digitalisierung sollte den ganzen Bewerbungsprozess für die Kandidaten komfortabler und schneller machen. Und an die Bewerbungsphase kann sich direkt der Onboarding-Prozess anschließen, der den neuen Mitarbeitern dann einen strukturierten und entspannten Start in den neuen Job ermöglicht.
In welchen Bereichen sehen Sie zurzeit noch Hürden im Bewerbungsprozess, welche Unternehmen besser abbauen sollten?
Die Karriereseiten der Krankenhäuser sollten eigentlich das Portal für den Erstkontakt zwischen Bewerber und Arbeitgeber sein. Häufig erweisen sie sich aber noch als Hürden: sie sind nicht auffindbar, die Navigation innerhalb der Website ist unnötig kompliziert oder die Seite selbst ist nicht für Smartphones optimiert.
Am wichtigsten ist es, den ersten Kontakt für den Bewerber so einfach wie möglich zu gestalten. Damit meine ich: Verzichten Sie auf eine Registrierungspflicht auf Ihrem Karriereportal und minimieren Sie die Pflichtfelder, die ein Bewerber ausfüllen muss. Kommen Sie erstmal in den Austausch mit dem Bewerber, alles weitere kann dann im Nachgang erfolgen!
Sie betonen in Ihren Fachbeiträgen und Büchern immer wieder den Aspekt des Onboardings. Warum ist der aus Ihrer Sicht so wichtig?
Der ist deshalb so wichtig, weil man die Bewerber im Recruitingprozess, der ja bis zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrags geht, noch nicht völlig für das Unternehmen gewinnt. Das Onboarding stellt sicher, dass die Bewerber – wie Sprinter – über die Ziellinie kommen und sich dabei wohl fühlen.
Heutzutage sind qualifizierte Fachleute im Gesundheitswesen derart begehrt, dass man selbst nach Vertragsunterschrift Gefahr läuft, sie an einen Wettbewerber zu verlieren. Ein umfangreicher Onboardingprozess soll genau das verhindern, weil man dadurch die Mitarbeiter schon vor dem ersten richtigen Arbeitstag an sich bindet.
Idealerweise denkt man nicht geteilt in Recruiting und Onboarding, sondern verknüpft beides.
Wenn es um Digitalisierung des Rekrutierungsprozesses geht, kommt man an einer entsprechenden Software nicht vorbei. Worauf sollte man bei der Auswahl einer entsprechenden Software möglichst achten?
Das stimmt, ohne Software – oder besser: Bewerbermanagement-System – geht es nicht. Der Markt für diese Software ist aber mittlerweile fast unüberschaubar geworden. Das wird jetzt etwas technisch, aber vier Fragen sollte man, meiner Meinung nach, bei der Auswahl solcher Software berücksichtigen:
- Kann diese Software Prozesse mehrstufig automatisieren?
- Ist diese Software mit anderen Programmen über Schnittstellen kombinierbar?
- Kann ich als Anwender selbst gewisse Prozesse anpassen oder bin ich immer auf einen Support angewiesen?
- Lässt sich in dieser Software Onboarding abbilden?
Das ist aber alles auch ein Stück weit individuell. Daher sollte man sich im Vorfeld genau darüber im Klaren sein, welche Anforderungen das eigene Unternehmen an eine solche Software stellt. Das bespricht man am besten intern, mit einem Berater und der entsprechenden Softwareunternehmen.
Zur Person:
Dr. Lars Holldorf ist Experte für Personalstrategie und Stellenbesetzungen im Krankenhaus. Seit 2010 befasst er sich v.a. mit der Gewinnung ausländischer Ärzte und Pflegekräfte sowie der Optimierung von Rekrutierungsprozessen. Zudem betreibt er die Online-Akademie Klinik-Kenner.