
Laut zweier Studien, die Ende letzten bzw. vorletzten Jahres erschienen, könnte eine Antikörper-Therapie vielen HIV-Infizierten die antiretrovirale Therapie (ART) ersparen.
Der Kampf gegen das HI-Virus ist aus mehreren Gründen schwierig:
- bei jedem HIV-Infizierten kommen verschiedene HIV-Subtypen – oder -Stämme – vor
- Viren mutieren unglaublich schnell und bilden so Resistenzen. Das Immunsystem befindet sich also im ständigen Kampf gegen eine scheinbar unüberwindliche Anzahl von HIV-Stämmen und Varianten.
Bei einigen wenigen Patienten kann es allerdings nach Jahren der Infektion vorkommen, dass sie leistungsstarke Waffen gegen das Virus entwickeln, die man breitneutralisierende Antikörper (bnAbs) nennt. Diese bnAbs greifen das HI-Virus fundamental an und können so viele unterschiedliche HIV-Varianten neutralisieren.
Drei Antikörper zu Super-Antikörpern kombiniert
In der ersten Arbeit haben Wissenschaftler des US National Institutes of Health (NIH) in Zusammenarbeit mit dem Pharmaunternehmen Sanofi einen speziellen Antikörper entwickelt, der 99% der HIV-Stämme angreift und bereits Infektionen bei Primaten verhindern kann.
Die Wissenschaftler haben nun versucht, mit Hilfe solcher bnAbs ein neues Mittel gegen die HIV-Infektion zu entwickeln. Sie kombinierten drei solcher Antikörper zu einem noch leistungsfähigeren “trispezifischen Antikörper”. Dieser „Super-Antikörper“ ist so aufgebaut, dass er drei kritische Schwachpunkte des HI-Virus gleichzeitig angreift, wodurch es für das Virus fast unmöglich wird, dem Angriff des Immunsystems zu widerstehen.
Dreifacher Angriff auf HIV
Das trispezifische Antikörpermolekül bindet an zwei konservierten Bereichen der Virusoberfläche, die für die Infektion wichtig sind: Die V1V2-Glykan-Stelle und die membran-proximale externe Region (MPER). Zusätzlich aktiviert der Antikörper eine dritte Stelle, den CD4-Rezeptor auf T-Lymphozyten, die daraufhin das Virus eliminieren können. Bei einem Test gegen mehr als 200 verschiedene HIV-Stämme waren trispezifische Antikörper hochpotent und neutralisierten 99% der HIV-Viren.
Gary Nabel, leitender Wissenschaftler bei Sanofi und einer der Autoren der Arbeit, sagte der BBC News-Website: “Unser Antikörper ist potenter und hat eine größere therapeutische Breite als jeder einzelne natürlich vorkommende Antikörper, der bisher entdeckt wurde.” Die besten natürlich vorkommenden Antikörper wirken maximal gegen 90% der HIV-Stämme. Mit den neuentwickelten hochpotenten Antikörpern erreicht man jedoch bis zu 99% der Viren-Stämme, wobei nur sehr geringe Konzentrationen des Antikörpers notwendig sind.
Experimente an 24 Affen zeigten, dass keines der Tiere, die mit dem trispezifischen Antikörper behandelt waren, eine SHIV-Infektion entwickelte, wenn ihnen danach das Virus injiziert wurde. “Ein ziemlich beeindruckender Schutz”, so Nabel.
Die Experimente
Bei den Versuchen erhielten drei Gruppen von jeweils acht Makaken Infusionen mit entweder einem von zwei herkömmlichen Antikörpern oder dem trispezifischen Antikörper. Fünf Tage später wurden die Affen mit dem für Primaten typischen SHIV (simian-humaner Immunschwäche-Virus) infiziert. Keines der Tiere, die mit dem neuen trispezifischen Antikörper geimpft waren, infizierte sich mit dem Erreger, aber fünf bzw. sechs der acht Affen, die einen der herkömmlichen Antikörper erhalten hatten, wurden SHIV-positiv.
Dieser Ansatz könnte möglicherweise die HIV-Behandlung vereinfachen und die Therapiechancen deutlich verbessern. Ähnliche trispezifische Antikörper, die mehrere Ziele gleichzeitig angreifen, könnten auch zur Behandlung verschiedener anderer Krankheiten, wie Infektionen, Krebs und Autoimmunerkrankungen nützlich sein.
Virussuppression durch Kombination zweier bnABs
In der zweiten Studie, einer klinischen Phase-1b-Studie, die letztes Jahr in Nature erschien, wurde eine Kombination von zwei monoklonalen Anti-HIV-1-Antikörpern (3BNC117 und 10-1074) genutzt, die auf unterschiedliche Teile des HIV-1-Hüllproteins abzielen und beides sind bnABs. Die 15 Studienteilnehmer erhielten Infusionen jedes Antikörpers (30 mg/kg) und 2 Tage später wurde die ART abgesetzt. Nach 3 und 6 Wochen folgten weitere Antikörper-Infusionen. Bei 9 von 11 Teilnehmer, die bis zum Ende der Studie durchhielten, blieb die Virus-Suppression zwischen 15 und mehr als 30 Wochen bestehen (Median 21 Wochen). Nur 2 Teilnehmer entwickelten Resistenzen und es kam zum Rückfall innerhalb von 12 Wochen nach Absetzen der ART. Die Autoren schließen daraus, dass mit einer Kombination von breit neutralisierenden monoklonalen Anti-HIV-1-Antikörper eine dauerhafte Suppression auch ohne ART gelingen kann.
Beides sind sehr vielversprechende Ergebnisse, HIV-Experten raten allerdings noch zu Zurückhaltung, denn es sei noch nicht klar, was letztendlich in der klinischen Anwendung aus den Erkenntnissen werde.