Aufgrund der erheblichen Personalnot in den Krankenhäusern werden junge Mediziner mit immer mehr Überstunden belastet. Das lässt kaum Zeit und Energie für die so wichtige Weiterbildung. Maßnahmen für die Personalentwicklung werden zudem nachlässig organisiert und müssen oft energisch eingefordert werden. Kein Wunder also, dass sich immer mehr Assistenzärzte eine Perspektive in der ambulanten Versorgung vorstellen können. Dabei steht die Niederlassung in einer Gemeinschaftspraxis für viele an erster Stelle. Geschätzt wird hier die bessere Zusammenarbeit bei hoher Selbstbestimmung.
Ökonomische Druck schadet Personal und Patienten
Die aktuelle Umfrage des Hartmannbunds unter knapp 1.500 Assistenzärzten zeigt, dass Überstunden auf Dauer die Gesundheit des medizinischen Personals gefährdet. Am meisten leiden aber die Patienten. Denn für sie bleibt kaum Zeit. Fehlbehandlungen durch überforderte Assistenzärzte sind demnach vorprogrammiert.
Die Antworten der 1.437 Befragten zeigen das erschreckende Ausmaß der Mehrarbeit. Über ein Drittel gibt an, wöchentlich mehr als 7 Überstunden zu leisten. Das verstößt eindeutig gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes. Viel zu oft wird dabei offenbar die Aufzeichnung der Arbeitszeiten nicht korrekt durchgeführt. Ein Nachweis wird somit erschwert. Kaum zu glauben, dass einige Befragte sogar angeben: “an unserer Klinik gibt es keine Mehrarbeit!” Dazu kommt, dass es sich bei den Überstunden häufig um Bereitschaftsdienste handelt, die weit über die erlaubten 50 Prozent hinausgehen. Viel zu häufig werden die Assistenzärzte im Dienst mit einer ganzen Station allein gelassen. In unbekannten Situationen sind sie dann auf sich allein gestellt.
Kollegialität ist gefordert
Um Kollegen als auch die Patienten nicht im Stich lassen zu wollen, sind fast drei Viertel der Assistenten einmal oder mehrmals krank zur Arbeit gegangen. Dr. Wenke Wichmann, Mitglied des Leitungsgremiums des Ausschusses Assistenzärzte nennt dieses Verhalten Selbstausbeutung. die letztlich nur der wirtschaftlichen Orientierung der Kliniken nütze. Das machten die jungen Mediziner viel zu häufig mit, um ihre Karriere nicht zu gefährden. Schließlich seien sie von der Gunst der Chefärzte und Oberärzte abhängig, die unter dem gleichen ökonomischen Druck stehen.
Weiterbildung wird vernachlässigt
Der gleiche ökonomische Druck erschwert auch die vorgesehene Weiterbildung. Aber nicht nur die entstehenden Kosten, sondern auch die dadurch bedingte zeitweise Abwesenheit verhindern Weiterbildungsmaßnahmen. Dass so auf Dauer die Qualität der medizinischen Versorgung erheblich beeinträchtigt wird, sollte jedem klar sein. Die Maßnahmen werden vielmehr dem Zufall überlassen. Strukturierte und aufeinander aufbauende Weiterbildung finden leider viel zu selten statt. Hinzu kommt, dass geplante hausinterne Fortbildungsmaßnahmen mühsam erstritten werden müssen. Dr. Wichmann sieht einen Lichtblick im Angebot von strukturierten Bildungsplänen durch Kliniken. Denn aufgrund des hart umkämpften Bewerbermarktes müssen sie in Zukunft besondere Angebote schaffen, die für junge Mediziner attraktiv sind. Und dazu gehören insbesondere Weiterbildungsprogramme. Doch eine flächendeckende Verbesserung sei dadurch immer noch nicht gegeben.
Niederlassung gibt Perspektive
Bedingt durch die angespannte Situation in den Krankenhäusern sehen immer mehr Assistenten ihre Berufsperspektive als niedergelassene Ärzte. Drei Viertel der Befragten können sich eine langfristige Arbeit in der ambulanten Versorgung gut vorstellen. Eine Zukunft als Partner in einer Gemeinschaftspraxis oder angestellter Arzt ist für viele Befragte eine Option. Das wird von den Assistenzärzten differenziert begründet. Vielen ist die überschaubare und planbare Arbeitszeitgestaltung am wichtigsten. Gerade dann, wenn mit den Anforderungen eine junge Familie koordiniert werden muss. Doch auch die Arbeit in überschaubareren Einheiten wird positiv gesehen. Nicht zuletzt ist das Feedback der Kollegen wichtig. Eine gemeinsame Problemlösung sowie die effizientere Verwaltungsarbeit werden als weitere Gründe angegeben. Und vielen jungen Ärzten liegt es erfreulicherweise besonders am Herzen, sich die erforderliche Zeit für die Patienten nehmen zu können.
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