
Die meisten Assistenzärzte/-innen werden nach Tarifvertrag bezahlt. Je nach Art des Arbeitgebers kommt der Vertrag für kirchliche Träger, für kommunale Häuser oder auch Unikliniken in Frage. Wer jedoch in privaten Praxen, Versorgungszentren oder ähnlichen Einrichtungen arbeitet, hat mehr Verhandlungsspielraum beim Thema Gehalt. Wir geben zehn Tipps und Dinge, die zu beachten sind, um möglichst erfolgreich aus dem Verhandlungsgespräch zu gehen:
Inhaltsverzeichnis
- Wann lohnt sich eine Gehaltsverhandlung?
- Der richtige Moment
- Gute Vorbereitung ist alles
- Über Wert verkaufen – aber Geld ist nicht alles
- Die eigenen Stärken und Qualifikationen gezielt einsetzen
- Selbstbewusstes Auftreten
- Krumme Summen und die richtige Wortwahl
- Kann auch im Tarifvertrag verhandelt werden?
- Schriftliche Vereinbarungen
- Alternative Angebote
- Fazit
1. Wann lohnt sich eine Gehaltsverhandlung?
Während des Medizinstudiums werden Themen wie Gehalt und Vertragsverhandlungen kaum thematisiert. Für viele können festgelegte Tarifverträge daher eine Erleichterung sein. Falls man sich jedoch für einer Karriere jenseits der großen Kliniken interessiert oder ins Ausland geht, wo das Gehalt selbst verhandelt werden muss, kommt man um diese Themen nicht umher. Wichtig ist, nicht gleich das erste Angebot anzunehmen. Arbeitgeber rechnen damit, dass man verhandelt, und setzen die erste Zahl oft deutlich niedriger an als sie zu zahlen bereit sind.
2. Der richtige Moment
Der richtige Moment, um über das Gehalt zu sprechen ist meist am Ende des Bewerbungsgesprächs, wenn der Arbeitgeber nicht schon im Anschreiben um eine Gehaltsvorstellung gebeten hat. Wer bereits angestellt ist und sich eine Gehaltserhöhung wünscht, sollte den Zeitpunkt geschickt wählen. Ein unangekündigtes Gespräch kurz vor Feierabend hat eher schlechte Erfolgsaussichten. Fest terminierte Feedback-Gespräche bieten sich hier besonders an, wer jedoch nicht so lange warten möchte kann das Gespräch selbst initiieren. Die Erfolgschancen sind besonders hoch, wenn die Praxis in einer guten finanziellen Lage ist.
3. Gute Vorbereitung ist alles
Vor Beginn des Gesprächs sollte man sich unbedingt ausreichend informieren. Die Tarifverträge geben eine gute Verhandlungsgrundlage, sodass sich das zukünftige Gehalt in etwa in dieser Größenordnung bewegen sollte. Wer an Wochenenden oder nachts arbeitet sollte sich unbedingt zu gängigen Regelungen informieren, wie diese normalerweise abgegolten werden. Eine optimale Ausgangslage stellt das Wissen dar, wie viel Kollegen/-innen in der gleichen Position erhalten.
Je nach Bundesland erhalten Praxen Zuschüsse des Landes in Höhe von bis zu über 5.000 Euro, um angehende Fach- und Allgemeinärzte/-innen auszubilden. Das Wissen über den genauen Förderbeitrag kann während der Gehaltsverhandlung angebracht werden.
Gender & Migration Pay Gap
Dem Gesetz nach ist die Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Herkunft verboten. Nichtsdestotrotz betrug der bereinigte „Gender Pay Gap“ im Jahr 2020 6 Prozent und der bereinigte weibliche „Migration Pay Gap“, also der Gehaltsunterschied zwischen deutschen und ausländischen Frauen, im Jahr 2008 17,6 Prozent. Bei den Männern fiel dieser etwas geringer aus. Um diese Lücke zu schließen sind Offenheit über Gehälter genauso wichtig wie das aktive Einfordern einer gerechten Vergütung.
4. Über Wert verkaufen – aber Geld ist nicht alles
Die Gehaltsverhandlung kann man sich ein wenig wie Feilschen vorstellen. Dabei beginnt man – in einem angemessenen Rahmen – mit einem Preis bzw. einem Gehalt, das über dem Zielwert liegt. Die Vorstellungen von einem angemessenen Wert reichen von fünf bis 20 Prozent über dem Ziel. In einer deutlich besseren Ausgangssituation ist man daher, wenn man den Arbeitgeber nach einer Gehaltsspanne fragt, die er für diese Stelle für angemessen hält. So kann man seine eigenen Vorstellungen in Relation setzen und argumentiert auf einer fundierteren Grundlage.
Gerade in kleineren Praxen ist das Budget nicht so groß wie bei größeren Versorgungszentren. Wenn die Stelle einem jedoch gefällt und auch das Team passt, kann man hier jedoch gut über andere Dinge als Geld verhandeln: wie sieht die Arbeitszeitregelung aus, kann man sich diese in gewissem Maße selbst einteilen und gibt es Teilzeitmodelle? Auch wenn Homeoffice in der Medizin schwierig ist: vielleicht hat sich die Telemedizin in der Praxis schon durchgesetzt und man kann eventuell einen Nachmittag von zu Hause Patiententelefonate annehmen? Eine Nachfrage lohnt sich und kann ein geringeres Gehalt eventuell ausgleichen.
5. Die eigenen Stärken und Qualifikationen gezielt einsetzen
Um nach der Verhandlung das gewünschte Gehalt zu erhalten, sollte eine höher angesetzte Forderung unbedingt mit guten Argumenten unterlegt werden. Wer besondere Erfahrungen in einem für den Arbeitsplatz wichtigen Bereich hat, eine Krankenpflegeausbildung oder sogar eine Sonderfortbildung kann diese Punkte als Gründe für ein höheres Gehalt nennen. Das gleiche gilt für die Gehaltserhöhung in einem Betrieb, in dem man schon angestellt ist: wer zusätzliche Aufgaben wie die Anleitung von neu beginnenden Kollegen oder die Organisation von einzelnen Bereichen übernommen hat oder an Fortbildungen teilgenommen hat, die der Praxis einen großen Mehrwert bieten, sollte dies nutzen, um sich bestmöglich zu positionieren.
6. Selbstbewusstes Auftreten
Bei der Forderung nach seinem Gehalt sollte man selbstbewusst auftreten. Durch die gute Vorbereitung kennt man schließlich seinen Wert und kann die Forderungen daher mit Argumenten untermauern. Wichtig ist jedoch, nicht zu arrogant zu wirken. Wenn der/die Vorgesetzte das Gefühl hat, man würde sich für etwas Besseres halten, senkt das die Chancen auf ein höheres Gehalt. Wichtig ist, ruhig zu argumentieren und sich professionell zu präsentieren. Gepflegte, der Situation angemessene Kleidung helfen dabei.
7. Krumme Summen und die richtige Wortwahl
Auch wenn man natürlich versucht, mit der eigenen Qualifikation und Leistung zu überzeugen, können kleine Kniffe beim Verhandeln helfen. Einerseits gehört dazu die richtige Wortwahl. Wer um eine Gehaltsanpassung statt um eine Gehaltserhöhung bittet, wirkt weniger fordernd. Wichtig ist, dennoch klarzumachen, dass man nicht nur eine Anpassung an die bestehende Inflation wünscht, sondern die Anpassung an die eigene Leistung und Entwicklung im Sinn hat.
Ein weiterer verbreiteter Ratschlag ist, in den Gehaltsvorstellungen eine „krumme“ Zahl anzugeben: wer von einem Jahresgehalt von 66.500 Euro spricht, wirkt einerseits informierter und so, als ob die Forderung genauer auf die jeweilige Situation angepasst ist. Außerdem bringt sie möglicherweise Vorgesetzte, die eher in 5.000-Euro-Schritten gedacht haben dazu, in kleineren Schritten zu verhandeln und einem so mehr entgegenzukommen.
Ein weiterer wichtiger Tipp ist, im Gespräch einen professionellen Ton zu wahren. Der direkte Vergleich mit einzelnen Kollegen/-innen kommt meist schlecht an. Besser ist es, sich etwas allgemeiner zu vergleichen und beispielsweise anzuführen, dass man im Vergleich zum Ausbildungsstand im dritten Assistenzarztjahr schon deutlich mehr Erfahrung und Fortbildungen im Spezialbereich der Praxis hat und somit auch mehr Verantwortung trage.
Gehaltsvorstellungen richtig angeben
In Gehaltsverhandlungen ist es üblich, die Gehaltsvorstellung als Bruttojahresgehalt ohne Boni oder Weihnachtszahlungen anzugeben. Diese können dann optimalerweise als Extrapunkt besprochen werden.
8. Kann auch im Tarifvertrag verhandelt werden?
Der Tarifvertrag für den jeweiligen Träger regelt fast alles, von Gehalt über Urlaubstage zu Überstundenabgleich. Es lohnt sich dennoch zumindest nachzufragen, was im jeweiligen Haus außerhalb dessen geboten wird. Die Förderung bestimmter Fortbildungen, ein Willkommensbonus, Hilfe beim Umzug oder Angebote der Kinderbetreuung sind oft möglich, werden jedoch nicht selbst vom Arbeitgeber präsentiert. Das ist meist keine böse Absicht, sondern der Tatsache geschuldet, dass Chefärzte/-innen keine Personaler sind und Bewerbungsgespräche daher etwas anders angehen. Gerade die Frage nach der Förderung von Fortbildungen kann jedoch Interesse zeigen und schadet daher nicht.
9. Schriftliche Vereinbarungen
Teilweise werden bei Arbeitsbeginn keine großen Zugeständnisse gemacht, sondern eine Evaluation nach sechs Monaten mit einer entsprechenden Anpassung an die bisherige Leistung angeboten. Falls man sich dazu bereit erklärt, sollte man wie bei allen Vereinbarungen auf eine schriftliche Fixierung bestehen. Ansonsten kann es zu unangenehmen Überraschungen kommen, wenn sich ein halbes Jahr später nur noch der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin daran erinnern kann. Je detaillierter der Arbeitsvertrag und die getroffenen Vereinbarungen dokumentiert werden, desto leichter hat man es später, die eigenen Rechte durchzusetzen.
10. Alternative Angebote
Wer sich auf mehrere Stellen bewirbt, hat den Vorteil einerseits Übung in Bewerbungs- und Verhandlungsgesprächen zu sammeln, andererseits seinen Marktwert besser beurteilen zu können. Dies kann bei Verhandlungen mit dem präferiertem bzw. aktuellem Arbeitgeber helfen und bietet einem Alternativen. Wer mit seiner aktuellen Anstellung bis auf das Gehalt zufrieden ist, kann alternative Angebote nutzen, um den Arbeitgeber dazu zu bewegen, das aktuelle Gehalt anzupassen. Wichtig ist hierbei jedoch etwas Fingerspitzengefühl und eine wertschätzende Art zu kommunizieren. Ein „hier würde ich viel mehr bekommen“ wird wenige dazu zu bewegen, mehr zu zahlen. Wer hingegen die eigene Wertschätzung für den aktuellen Arbeitsplatz hervorhebt, betont, dass er/sie sehr gerne dort weiterarbeiten und sich weiterentwickeln würde, jedoch ein Angebot erhalten hat, das finanziell enorme Anreize darstellt, hat deutlich bessere Chancen. Für den Arbeitgeber lohnt es sich deutlich mehr, bisherige Mitarbeiter/innen bei sich zu behalten, als mit Personalausfall und neuer Einarbeitungsphase zurechtkommen zu müssen.
Fazit
Gehaltsverhandlungen sind vielen unangenehm und führen zu Unsicherheit. Viele wollen sich nicht über Wert verkaufen und haben Angst, so einen schlechten Eindruck zu hinterlassen. Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass Arbeitgeber versuchen, Personalkosten zu sparen und die ersten Angebote daher oft deutlich unter dem liegen, was sie zu zahlen bereit sind. Sie erwarten, dass man das Angebot weiter nach oben verhandelt. Nichts ist ärgerlicher, als wenn man im Nachhinein erfährt, dass weniger qualifizierte Kollegen/-innen durch bessere Verhandlungstaktiken ein höheres Gehalt erzielen.
Die wichtigste Voraussetzung für ein gutes Angebot ist, den eigenen Marktwert und die Stellensituation zu kennen. Wer sich im fünften Assistenzarztjahr in einer kleinen Landpraxis auf eine ausgeschriebene Stelle bewirbt, kann mit Sicherheit deutlich härter verhandeln als Berufsanfänger mit einer Initiativbewerbung in einem beliebten Versorgungszentrum in einer Großstadt. Und falls das Budget ein höheres Gehalt nicht hergeben sollte, können Benefits wie flexiblere Arbeitszeiten oder Urlaubstage verhandelt werden. Wer so gut vorbereitet in das Gehaltsgespräch geht, hat optimale Chancen.