Da uns jeder neue Tag neue Patienten beschert, ist Frau Sandmann mit unserem Pappenheimer-Latein noch lange nicht am Ende. Es folgt also der Komödie zweiter Teil, diesmal mit freundlicher Unterstützung von unserer Leserin Tessie, die den Input zum ersten Patienten geliefert hat.
Metabolizer-Michael
Dieser Herr gehört entweder zu den drahtig-muskulösen Marathonläufern oder zu den fleißigen Freizeit-Konsumenten legaler und illegaler Substanzen. Zur Einleitung braucht er gut und gerne 500 mg Propofol und verstoffwechselt Opiat wie ein Weltmeister, sodass einem die Anästhesiepflege bei der dritten Nachbestellung binnen einer Stunde entnervt entweder die doppelt aufgezogene Perfusorspritze oder das Ultiva-Fässchen vor den Latz knallt.
Ab MAC 0,5 fängt Metabolizer-Michael das Husten und Pressen an, bis er sich zu anständigen Atemzügen überreden lässt, dauert es aber eeeewig.
Patient-by-Proxy
Diese anstrengende Person ist nicht der Patient selbst, sondern ein nahe stehendes Familienmitglied, oft Ehegattin oder (seltener) Ehegatte. Stoisch und konsequent beantwortet der Patient-by-Proxy während der Prämedikationsvisite anstelle des tatsächlichen Patienten alle ärztlichen Fragen, und lässt sich auch nicht davon beirren, dass man ihm weder Wort, Blick noch Aufmerksamkeit erteilt hat. Rechtfertigung für diese vollkommene Bevormundung zieht der Patient-by-Proxy aus dem Suffix „Nicht wahr, Schatz?“, den er an jeden seiner Sätze anhängt. Am liebsten würde der Proxy zur Auskultation auch sein eigenes Herz zur Verfügung stellen (nicht wahr, Schatz?), kann sich dann aber doch noch darauf beschränkten, dem tatsächlichen Patienten das Hemd vom Leib zu zerren. Dieser wiederum ist häufig derartig resigniert und gefügig, dass er sich das widerspruchslos gefallen lässt.
Exzitations-Erik
Dieser junge Mann liegt auch nach Narkose-Ende und Verband still und stoisch auf dem Operationstisch, toleriert abartig niedrige Atemfrequenzen, aber hat keine Lust, auch nur einen kleinen Finger zu rühren, geschweige denn sein Zwerchfell zu einem selbstständigen Atemmanöver zu bewegen. Stupst oder spricht man ihn jedoch vorsichtig an, springt er auf wie der Kistenteufel, presst wie ein Wilder und möchte sich gern selbst extubieren und sich gleichzeitig alle Zugänge entfernen. Methode der Wahl: Gurte strammziehen und einen kräftigen Anästhesie-Pfleger daneben stellen!
Ohne-Hals-Otto
Dieser Herr fortgeschrittenen Alters ist eine gefürchtete Blickdiagnose in der Einleitung. An seinen massigen Körper schließt sich nämlich unter völliger Aussparung des Halses ein kräftiges Kinn an. Bei der Maskenbeatmung darf man häufig erleben, dass dieser Nicht-Hals auch noch aus Granit zu bestehen scheint, und die meterlange Distanz von Kieferwinkel zur Beatmungsmaske ist ein klarer Fall für eine oberärztliche Riesenpranke. Wer in Ohne-Hals-Otto einen Tubus versenken will, braucht Oberarme wie Arnold Schwarzenegger, einen langen Spatel, mindestens einen Führungsstab und eine gehörige Portion Zivilcourage.
Laberflash-Lisa
Diese junge Dame zeigt ein ausgeprägtes Ansprechen auf die Prämedikation, und kommt nicht nur leicht entspannt sondern breit wie eine Natter bei uns an. Freundlich, gut gelaunt und überaus kommunikativ lässt sie jeden in Hörweite an den beispiellosen und völlig unwillkürlichen Quantensprüngen ihres benebelten Gehirns teilhaben. Da man sie in ihrem Redefluss kaum unterbrechen kann, hilft nur die konsequente Einleitung der Narkose, bis der Monolog – gleich einer alten Schallplatte – schließlich in Tonlage und Artikulation vollends abschmiert und wieder friedliche Stille herrscht.