Als Arztzeit bezeichnet die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Zeit, die ...

Meist sind Ärztinnen und Ärzte überrascht, wenn jemand aus ihrem Team eine Eigenkündigung vornimmt. Für die Kolleginnen und Kollegen kommt es bis zur Einstellung einer Neuen zu Mehrarbeit und höherem Arbeitstempo. Die dadurch entstehende Mehrbelastung führt zu Stress und Gereiztheit. Weil sich qualifiziertes Personal nicht schnell rekrutieren lässt, kommt es darauf an, die bestehenden Arbeitsverhältnisse zu halten und Fluktuation zu vermeiden.
Fluktuation: Viele Faktoren können zu einer Kündigung führen
Nicht immer geht es um das Gehalt, wenn die MFA kündigt. Wichtig ist, dass alle Faktoren, die man mit dem Begriff „Arbeitszufriedenheit“ bezeichnet, weitgehend stimmen: Erreichbarkeit der Praxis, Stimmung im Team, modern ausgestattete Praxis, Flexibilität der Arbeitszeiten, Entgegenkommen bei persönlichen Wünschen. Erstklassiges Praxisklima und ein eingespieltes Team können Gehaltswünsche teilweise kompensieren. Was nützt der MFA das bessere Gehalt in einer anderen Praxis, wenn dort häufig Überstunden geleistet werden müssen, das Praxisklima nicht gut ist oder die technische Ausstattung nicht auf dem allerneuesten Stand?
Von der ersten Überlegung bis zur Kündigung ist es ein langer Weg, wer genau hinsieht, erkennt, dass die Mitarbeiterin nicht mehr zufrieden ist. Kritische Äußerungen der MFA zum Arbeitsablauf können schon ein erstes „Warnzeichen“ sein und sollten nicht überhört werden. Unzufriedenheit wirkt gruppendynamisch und strahlt auf das gesamte Team aus. Ist die Kündigung ausgesprochen, gibt es meist kein Weg mehr zurück, die MFA hat schon woanders unterschrieben.
Bei Eigenkündigung einer Mitarbeiterin betreibt die Praxis Selbstreflexion: Was ist die Ursache der Kündigung? Was kann man präventiv tun? Andererseits lässt man sich durch Forderungen nicht erpressen. Jemanden mit „Gewalt und Überredung“ festhalten, funktioniert nur kurzfristig. Die Ärztin bzw. der Arzt sollte sich nicht „verbiegen“, um eine Mitarbeiterin zu halten. Räumt man ihr Sonderrechte ein, damit sie bleibt, spricht sich das herum und die Kolleginnen sind über die Bevorzugung frustriert.
Mobbing nicht unterschätzen
Mobbing ist zwar selten ein aktuelles Thema, in einer größeren Gemeinschaftspraxis kommt es vor, dass eine ungeliebte Kollegin gemobbt wird und daher kündigt. Schon alltägliche Vorgänge sind Kennzeichen des Mobbings: ignorieren, Vorenthalten wichtiger Informationen, Intrigen, Beseitigung wichtiger Unterlagen des Opfers. Besonders eine neue Kollegin im Praxisteam ist gefährdet, wenn sie sich nicht gleich eingliedern kann.
Mobbingopfer befinden sich immer in der Verteidigungsposition, ihre Gedanken kreisen um die Frage: Wie kann ich mich rechtfertigen? Man spricht vom „sozialen Herzinfarkt“. Der Ärztin oder dem Arzt fällt es auf, wenn sich jemand ständig verteidigen und rechtfertigen muss. Wenn das Opfer von sich aus kündigt, haben die Kolleginnen ihr Ziel erreicht und die Praxis hat eine gute Mitarbeiterin verloren.
Hohe Fluktuation: Typische Kündigungsgründe
Typische Kündigungsgründe der MFA sind zum Beispiel:
- Arbeitszeiten und Überstunden
- Schlechtes Praxisklima
- Mangelnde Entwicklungschancen
- Ungerechte Aufgabenverteilung
- Geringe Bindung an das Team
- Unzufriedenheit mit dem Gehalt
- Führungsstil
- Veraltete Technik in der Praxis
Permanenter Stress in der Praxis reduziert die Arbeitsfreude. Dann wird auf die Pause verzichtet, oder sie wird verkürzt. Muss die MFA noch zwischen Behandlungen Belege für die Buchführung zusammenstellen oder sich dringend um Nachbestellungen kümmern, ist sie überlastet und dadurch demotiviert.
Personal ist genauso wichtig wie Patientenschaft
Bekannt ist, dass Praxisführung auch bei einem geringen Personalstand sehr wichtig ist. Mitarbeiter sind immer so gut wie sie geführt werden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen neu eingestellte Mitarbeiterinnen und Praktikantinnen, für die eine Integration in den Praxisbetrieb nicht so leicht ist. Patienten werden wie Könige behandelt, genießen oberste Priorität. Die Einstellung „Meine Mitarbeiterinnen sind mir genauso wichtig wie meine Patienten“ muss für das Personal erkennbar sein.
Wie die Praxis geführt wird | Meinung der MFA dazu |
1. Entscheidungen werden im Team besprochen und alle sind beteiligt. | „Mitsprache führt bei mir zur Bindung an die Praxis.“ |
2. Persönliche Wünsche werden möglichst berücksichtigt. | „Erhöht meine Zufriedenheit, verhindert Wechselbereitschaft.“ |
3. Wertschätzung der Mitarbeiterin ist für jede erkennbar. | „Macht mich stolz, gibt mir Sicherheit und motiviert mich.“ |
4. Gleichbehandlung aller, keine Bevorzugung einzelner. | „Da fühle ich mich gerecht behandelt.“ |
5. Keine Überforderung durch häufige Überstunden. | „Das bedeutet für mich weniger Stress und keine permanente Überforderung.“ |
6. Zufriedenes Personal ist genauso wichtig wie zufriedene Patienten. | „Wertschätzung meiner Person ist für mich sehr wichtig, steht an erster Stelle.“ |
Anreize, um die Fluktuation zu verringern
Unter dem Begriff „Retention“ (to retain: festhalten, bewahren) werden Bindungsfaktoren verstanden, mit denen das Unternehmen Arztpraxis die Fluktuation der Mitarbeiterinnen verringert und zum Verbleib motiviert. Werden die Bindungsfaktoren verstärkt, sinken die Kündigungsgründe im gleichen Umfang. Die Fähigkeit gutes Personal auch emotional zu binden, reduziert Fluktuation.
Hierzu bieten sich zahlreiche Möglichkeiten an, vom gemeinsamen Besuch eines Open-Air-Konzerts bis zum Grillfest im Sommer, der Weihnachtsfeier oder die Gratulation zum Geburtstag. Die Arztpraxis wird zur Familie, die Ärztin/der Arzt zum Coach. Besonders motivierend sind Lob und Anerkennung die zu den klassischen Bindungsfaktoren gehören. Praxen haben die Situation erkannt und binden ihr Team durch intensive Beziehungspflege. Ein ausgeprägtes „Wir“-Gefühl reduziert Kündigungen. Starke Bindung an den Arbeitsplatz wirkt gruppendynamisch und strahlt auf das gesamte Team aus.
Bei neuen Mitarbeiterinnen ist die Fluktuation in oder gleich nach der Probezeit unverhältnismäßig hoch. Liegt es daran, dass im Einstellungsgespräch zu viel versprochen wird? Oder daran, dass die Bewerberin zu hohe Erwartungen hat? Sorgfältiges „Onboarding“ vermeidet schnelles „Offboarding“.
Employer Branding
So wie ein Medikament zur Marke wird, kann auch die Arztpraxis mit ihrem Image zur Marke werden. Der Ruf als beliebter Arbeitgeber entscheidet auch über die Wahl der Ausbildungsbewerbungen. Die Arbeitgebermarke (Employer Branding) entscheidet darüber, in welcher Praxis sich jemand um einen Ausbildungsplatz bewirbt. Die „Arbeitgebermarke“ sorgt für eine nachhaltige und kostenlose Mundwerbung. Image ist kein Zufallsprodukt, es entsteht durch aktive Bemühungen. Imageträger der Praxis sind nicht nur zufriedene und begeisterte Patienten, auch die Zufriedenheit im Team prägt das Erscheinungsbild.
Ein positives Erscheinungsbild hat immer eine nachhaltige Wirkung auf die Öffentlichkeit. Eine gute Reputation hilft auch bei der Gewinnung von neuen Patienten und festigt vorhandene Beziehungen.
Die Verabschiedung
Hat jemand gekündigt, ist das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet. Arbeitgeber empfinden die Kündigung manchmal als persönliche Kränkung und verhalten sich bis zum letzten Arbeitstag frostig zur Betreffenden. Bei der Verabschiedung sollte man sich die Hand reichen, um sich mit gutem Gefühl zu trennen. Eine gute Trennung hat intern wie extern einen positiven Effekt auf den Kreis der Kolleginnen und verhindert die Gefahr, dass die ausscheidende Mitarbeiterin negativ über die Praxis spricht. Nach der Eigenkündigung muss bewusst darauf geachtet werden, dass das Selbstwertgefühl der Mitarbeiterin bis zum letzten Arbeitstag erhalten bleibt. Sonst fragen sich die Kolleginnen, ob ihnen das auch passieren kann, wenn sie sich für eine Kündigung entscheiden würden.