Für Arztpraxen stellt die Suche nach qualifiziertem nicht-ärztlichem Personal eine zunehmende Herausforderung dar. Eine Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung hat die Gründe und Folgen des Fachkräftemangels genauer untersucht. Demnach sind die Bindung von Auszubildenden sowie finanzielle Differenzen zwischen Praxen und Krankenhäusern die größten Probleme.
ZI-Studie zum Fachkräftemangel in Vertragspraxen
Im Rahmen einer Sonderbefragung hat das Zi-Praxis-Panel (ZiPP) die „Personalsituation in Praxen der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung“ untersucht. Die Studie wurde 2020 per Online-Fragebogen durchgeführt und zeigt deutliche Engpässe auf dem Arbeitsmarkt. Die Suche nach kompetentem nicht-ärztlichem Personal wird für niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten immer schwieriger.
Ohne geeignetes Personal leidet die vertragsärztliche Versorgung von Patienten. Bereits 15 Prozent der befragten Praxen haben angegeben, dass sie ihr Leistungsangebot aufgrund des Fachkräftemangels teilweise einschränken mussten. Mehr als zwei Drittel der Vertragspraxen erwarten grundlegende Probleme für die kommenden Jahre, wenn kein geeignetes Personal auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.
Abwanderung Auszubildender ist ein großes Problem
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, bilden mehr als die Hälfte der befragten vertragsärztlichen Praxen selbst aus. Ein Viertel dieser Praxen haben jedoch mit Abwanderung ihrer Auszubildenden zu kämpfen, selbst wenn sie diesen ein Übernahmeangebot machen. Städtische Praxen sind davon deutliche stärker betroffen als solche auf dem Land.
Mit 37,3 Prozent wechselten mehr als ein Drittel der Auszubildenden trotz Übernahmeangebot in eine andere Praxis. 19,6 Prozent wählten eine berufliche Umorientierung, fast genauso viele wechselten in ein Krankenhaus.
Die Abwanderung ist jedoch nicht nur bei den Auszubildenden, sondern auch beim restlichen nicht-ärztlichen Personal ein Problem. So verließen 39,9 Prozent des Personals aus eigenem Wunsch die Praxis.
Krankenhäuser haben bessere finanzielle Anreize
Besonders die Krankenhäuser spielen eine immer größere Rolle beim beruflichen Wechsel der Fachkräfte. „Immer häufiger machen Krankenhäuser das Rennen um die gut ausgebildeten nicht medizinischen Fachkräfte“, erklärt Zi-Vorstandsvorsitzender Dominik von Stillfried die Umfrageergebnisse. „Das wundert nicht, denn seit Jahren steigt der Orientierungswert und damit der Preis pro Leistung für Krankenhäuser stärker als der für Vertragsarztpraxen.“
Denn die Krankenhäuser haben es leichter, höhere Tarifgelder zu zahlen. Zwischen 2016 und 2020 sei dieser für Krankenhäuser um 15,02 Prozent gestiegen, für die Vertragspraxen jedoch nur um 6,96 Prozent. Seit 2016 sind die Preise für stationäre Leistungen demnach um 18,6 Prozent gestiegen, die vertragsärztlichen Leistungen im Gegensatz aber nur um 8,3 Prozent.
Wird diese Schere in der Vergütung zwischen Klinik und Praxen nicht bald geschlossen, könnten schon bald Engpässe für die Patientinnen und Patienten spürbar sein. Bereits jetzt kam es immer wieder zu Einschränkungen im Leistungsangebot aufgrund von Personalmangel.
Sonderzahlungen sollen Fachkräfte halten
Ein Anreiz, um die Fachkräfte zu binden, bestand laut der Studie aus Sonderzahlungen und Zuschlägen. Rund ein Viertel der vertragsärztlichen Praxen haben demnach durchschnittlich fast 4.400 Euro dafür aufgewendet. Dadurch versuchen sie, der Abwanderung des angestellten Personals entgegenzuwirken.
Zusätzlich wurden während der SARS-CoV-2-Pandemie steuerfreie „Corona-Sonderzahlungen“ gewährt. Diese seien aufgrund des zusätzlichen organisatorischen wie auch finanziellen Aufwands sowie der zum Teil in Kurzarbeit befindlichen Mitarbeiter ausgezahlt worden. Durchschnittlich beliefen sich diese Kosten auf 856 Euro pro nicht-ärztlichem Mitarbeitenden.
Fachkräftemangel: Folgen und Ausblick für die Branche
Die Arztpraxen reagierten auf den Fachkräftemangel zum Teil mit einer Reduktion des Leistungsumfangs und berichteten über eine eingeschränkte Delegationsfähigkeit an nicht-ärztliches Personal. Mit den Studienergebnissen macht das ZI auf die hohe Bedeutung qualifizierten Personals in den Praxen aufmerksam. Besonders deutlich wird auch die starke Konkurrenz mit dem Krankenhausbereich. Mehr als zwei Drittel der Arztpraxen erwarten für 2022 weitere Probleme bei der Suche nach geeignetem Personal. Die Mehrheit rechnet außerdem mit einer stärkeren finanziellen Belastung aufgrund der steigenden Lohnkosten.
Das Engagement der vertragsärztlichen Praxen in der Ausbildung und bei Sonderzahlungen zeigt, dass hier bereits viel getan wird, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Eine Steigerung der Attraktivität der Berufe muss durch höhere Löhne gefestigt werden, um auch die Abwanderungstendenzen zu minimieren. Dabei sind die Praxen auf finanzielle wie auch nicht-monetäre Unterstützung angewiesen. Vor allem die bestehenden Wettbewerbsnachteile in der Refinanzierung der Personalausgaben in der vertragsärztlichen Versorgung müssen dafür dringend überarbeitet werden. Dazu zählt beispielsweise die erschwerte Entlohnung gemäß dem jüngst erhöhten Tarifgehalt. Die Praxen benötigen mehr finanziellen Gestaltungsspielraum, um ihre Personalkosten besser anpassen zu können.
Titelbild: envato elements