Die Fachkräfteengpässe auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland nehmen zu. Insbesondere im Gesundheitswesen können zukünftig Millionen Stellen nicht nachbesetzt werden. Eine mögliche Strategie, die Fachkräftelücke zu schließen soll die gezielte Zuwanderung aus dem Ausland sein. Mehr zu dem Thema im folgenden Beitrag.
Fachkräftemangel in Deutschland: Eine größere Herausforderung als die Corona-Krise
Die zu erwartenden Belastungen für das Gesundheitswesen durch den Mangel an Fachkräften in der Pflegebranche seien größer als durch die Corona-Pandemie, so die Einschätzung von Christian Karagiannidis. Er ist Präsident der deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (Arbeitsgruppe für Gesellschaft für Intensivmedizin Divi) und sagt: „Die Pandemie war nicht schön, aber im Vergleich zu dem, was die nächsten zehn Jahre auf uns zukommt, war das das deutlich kleinere Problem. Wir werden in allen Berufsgruppen pro Jahr rund 500.000 Arbeitnehmer/innen verlieren, die in Rente gehen. Diese Arbeitskräfte fehlen als Pflegekräfte, sie fehlen als Beitragszahler – das wird noch völlig unterschätzt“. Wenn sich nicht zeitnah etwas ändere und unternommen werde, „crasht das Gesundheitssystem“.
Gezielte Zuwanderung gegen Fachkräftemangel
Karagiannidis hatte bereits auf eine gezielte Nachwuchswerbung im Ausland gedrängt, um die personellen Lücken schließen zu können: „Das Einzige, was die Zahl der Arbeitskräfte erhöhen würde, wäre strukturierte Migration im großen Stil.“
Aus Ländern, die eine hohe Geburtenrate und hohe Jugendarbeitslosigkeit aufweisen, könnten junge Menschen direkt nach der Schule nach Deutschland kommen und eine dreijährige Ausbildung absolvieren mit der Option, selbst entscheiden zu können, ob sie in Deutschland bleiben oder in ihr Heimatland zurückkehren. Die gezielte Werbung aus dem Ausland könnte Abhilfe schaffen. Mit Blick auf die Umsetzung kommen bei Karagiannidis dennoch Zweifel auf: „Das sehe ich leider überhaupt nicht im aktuellen politischen Klima.“
Neues Gesetz mit Punktesystem: Hürden für Zuwanderung sollen sinken
Das Bundeskabinett hat sich nun darauf geeinigt, die Hürden für die Einwanderung nach Deutschland zu senken. Ziel ist, den Zuzug für qualifizierte Arbeitskräfte zu erleichtern und dadurch die Fachkräftelücke auf dem Arbeitsmarkt zu schließen. Es sollen auch verstärkt Nicht-EU-Bürger/innen nach Deutschland kommen dürfen. Die Umsetzung soll unter Beachtung eines Punktesystems, ähnlich wie es in Kanada existiert, erfolgen.
In dem Eckpunktepapier für das neue Fachkräftezuwanderungsgesetz geht folgendes hervor: Wer bereits der deutschen Sprache mächtig ist oder in sogenannten Mangelberufen, wie beispielsweise der Pflegebranche, arbeitet, soll zukünftig auch einreisen dürfen, ohne Jobnachweise wie Arbeitsvertrag oder Ausbildungszeugnis vorlegen zu müssen. „Ich bin mir sicher, dass dieses moderne Fachkräftesetz einen wirklichen Beitrag zur Wohlstandssicherung in Deutschland leisten wird“, urteilt Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD).
Weiter heißt es im Eckpapier: „Wir werden auf Grundlage eines transparenten, unbürokratischen Punktesystems eine Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche einführen.“ Auswahlkriterien innerhalb des Punktesystems sind unter anderem Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter. Man ist bestrebt, Deutschland attraktiver für ausländische Fachkräfte zu machen.
Darüber hinaus soll auch die Möglichkeit gegeben werden, den Berufsabschluss – sofern man sich noch in einer Ausbildung befindet – auch künftig in Deutschland machen zu können und die Jobsuche zu vereinfachen. „Dass wir ein demografisches Problem bekommen werden, wissen wir seit Jahren, aber es wurde nicht genug unternommen“, teilte Robert Habeck (Grüne) mit.
Die Pläne für eine neue Fachkräfteeinwanderung und ein neues Gesetz sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und seien längst „überfällig“ gewesen, sagt Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP).
Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2020 bislang wirkungslos
Das bereits im März 2020 in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz sei bisher nicht überall erfolgsversprechend gewesen. Durch die Zuwanderung von insgesamt 1,9 Millionen Arbeitskräften im Jahr 2021 (Quelle: Statistik des Statistischen Bundesamtes, Ausländerregister) wird zwar ein großer Teil des Mangels aufgefangen, aber nicht in allen Branchen ist der Mangel an Fachkräften zu decken.
Vor allem das Gesundheitswesen beschäftigt bereits tausende Migranten/-innen. Trotz allem bedarf es einer besseren Anwerbung, um auch auf lange Sicht einen Fachkräftemangel in dieser Branche beseitigen zu können.
Als Hürden der arbeitsmarktorientierten Zuwanderung sind lange Wartezeiten auf eine Arbeitserlaubnis oder ein Visum oder aufwändige Anerkennungsverfahren des Bundes, die erst nach bis zu acht Jahren die Erlaubnis für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland erteilen, zu nennen. Hierdurch hemmt man viele qualifizierte Fachkräfte, nach Deutschland einzuwandern. Die Dringlichkeit einer besseren Einwanderungspolitik wurde bereits betont – das neue Gesetz mit Punktesystem kann sich womöglich als wirkungsvoller erweisen und den Fachkräftemangel besiegen.