
Heilpraktiker erleben trotz häufiger Kritik bezüglich fehlendem Nutzen, was vielfach nachgewiesen wurde, derzeit einen Boom. Es gibt allein in Deutschland mehr als 45.000 Heilpraktiker. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl mehr als verdoppelt. Viele Menschen vertrauen ihnen, obwohl sie die Kosten zum Großteil selbst bezahlen müssen. Doch nicht nur, dass die Behandlung oftmals keinen Erfolg bringen soll, sondern Alternativmedizin kann auch lebensgefährlich sein. Fachärzte fordern daher, dass der Heilpraktiker kein anerkannter Beruf sein sollte.
Ärzte und Heilpraktiker – ein gewaltiger Unterschied
Ein Facharzt hat ein 6-jähriges Medizinstudium absolviert, die ärztliche Approbation erhalten und anschließend eine mindestens 5 Jahre dauernde Facharztausbildung durchlaufen. Zum Abschluss der Facharztausbildung erfolgt die Facharztprüfung, welche den Facharzttitel verleiht. Ein Arzt wird also über ein Jahrzehnt ausgebildet und muss mehrere staatliche Prüfungen durchlaufen, ehe er sich als Facharzt betiteln und mit seinem Expertenwissen Menschen behandeln darf.
Der Beruf Heilpraktiker kann hingegen schon innerhalb von einem Jahr erlernt werden. Heilpraktiker ist eine geschützte Berufsbezeichnung für Menschen, die nach dem Heilpraktikergesetz die Heilkunde ausüben dürfen, ohne dass sie über eine ärztliche Approbation verfügen müssen. Hierbei handelt es sich um keinen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, d.h. die Inhalte der Ausbildung sind nicht vorgeschrieben, jedoch gibt es eine staatlich geregelte Prüfung. Voraussetzung für die Prüfung ist lediglich das Alter von 25 Jahren und ein Hauptschulabschluss. Wird diese erfolgreich absolviert, darf man sich als Heilpraktiker bezeichnen.
Heilpraktiker sind also bei weitem keine Ärzte. In der Ausbildung, die sowohl inhaltlich als auch von der Dauer her nicht staatlich geregelt ist, werden sie dennoch darauf geschult, körperliche und psychische Erkrankungen zu erkennen und zu behandeln. Heilpraktikern ist ebenso die Ausübung der Psychotherapie oder Physiotherapie ohne Einschränkung gestattet. Ihnen wird immer wieder vorgeworfen, dass sich einige gern einmal überschätzen oder schlimmstenfalls bedrohliche Situationen nicht erkennen. Sie haben in extremen Fällen schon Patienten mit Krebs nur mit naturheilkundlichen Mitteln behandelt, obwohl ein Arzt nötig gewesen wäre.
Ärzte und Heilpraktiker sind nicht vergleichbar
Der Münchener Facharzt Harald Schneider hat in der Huffington Post ein Interview gegeben und fordert hier, dass es nicht mehr der Fall sein sollte, dass Heilpraktiker ein anerkannter Beruf ist. Er findet es absurd, dass Heilpraktiker berechtigt sind, komplexe Krankheiten wie Krebs zu behandeln. Warum er so empfindet, hat er auch begründet: Vor drei Monaten ist eine junge Mutter in seine Arztpraxis gekommen. Er untersuchte ihre Schilddrüse und stellte einen sieben Zentimeter großen kalten Knoten fest. Der Endokrinologe riet zu einer schnellstmöglichen Operation. Vor einigen Tagen kam sie erneut in seine Praxis. Der Knoten und inzwischen auch die Lymphknoten waren weitergewachsen. Sie ließ sich nicht operieren, da ein Heilpraktiker ihr gesagt hatte, dass die Ursache des Knotens allein in ihrer Einstellung liegen würde. Harald Schneider war sprachlos und wütend, aber natürlich auch besorgt.
Facharzt Harald Schneider hat große Bedenken
Schneider befürchtet, dass sich dieses Phänomen durch Heilpraktiker noch weiter ausbreiten wird, da sie einfach nicht so optimal ausgebildet sind wie Ärzte. Immer wieder suchen Patienten nach dem Besuch eines Heilpraktikers seine Praxis auf, wo sich ihm der medizinische Sinn nicht erschließt. Dafür haben Sie mehrere 100 Euro gezahlt, sagt er. Sie bekamen beispielsweise irgendwelche Therapien mit Tinkturen oder Wässerchen verschrieben, die teilweise sogar schaden können. Heilpraktiker benötigen für ihre Zulassung einen Hauptschulabschluss. Der Abschlusstest fragt minimales Basiswissen ab und kann zudem mehrmals wiederholt werden, kritisiert Schneider.
Faktenresistenz von Heilpraktikern
Ein Beispiel für die Faktenresistenz der Heilpraktiker ist die Irisdiagnostik: Heilpraktiker sind der Meinung, dass die Iris den ganzen Körper abbildet. Sie könnten mit der Irisdiagnose erkennen, welche Organe oder Körperteile für Krankheiten anfällig sind. Mit der Irisdiagnose soll es möglich sein, aus der Farbe, Dichtigkeit und den Zeichen der Regenbogenhaut sowohl den körperlichen als auch geistigen Zustand des Menschen zu ergründen. Doch sämtliche klinische Studien rund um die Irisdiagnostik konnten keine Eignung des Verfahrens nachweisen. Daher ist es aus wissenschaftlicher Sicht nicht möglich, Krankheiten damit zu erkennen. Es ist wissenschaftlich geprüft, dass die Irisdiagnostik medizinisch sinnlos ist. Doch dies wird von Heilpraktikern ignoriert.
Reform wird gefordert
Nach mehreren Todesfällen, zum Beispiel von Krebspatienten, die nach der Behandlung durch einen Heilpraktiker gestorben sind, plant die Politik nun, sich den Berufszweig Heilpraktiker vorzunehmen. Die Gesundheitsminister sämtlicher Bundesländer haben beschlossen, eine Reform des Heilpraktikerberufs anzugehen. Die Kritik wird immer lauter, dass das Heilpraktikergesetz dem heutigen Anspruch hinsichtlich des Gesundheitsschutzes nicht mehr gerecht werden kann.
Bei schwerwiegenden Erkrankungen sollte es darum gehen, dass die professionellste Behandlung erfolgt. Da sich die Heilpraktiker im Gesundheitssystem so etabliert haben, fällt es vielen Patienten schwierig, ihnen nicht zu vertrauen, dafür zeigt Facharzt Schneider Verständnis. Daher fordert er, dass Heilpraktiker nicht mehr als Leistungserbringer des Gesundheitssystems anerkannt werden sollten. Bleibt zu hoffen, dass eine Reform Veränderungen bringt.