
Die Erschöpfung unter den Beschäftigten im Gesundheitswesen nimmt zu. Die Corona-Pandemie hat das Stresslevel vieler Ärzte/-innen erheblich erhöht. Darauf weisen mehrere Umfragen hin. Die jährlich durchgeführte Erhebung des Marburger Bundes, der MB-Monitor 2022, zeigt die dramatischen Folgen auf: Ein Viertel der angestellten Ärzte/-innen zieht einen Berufswechsel in Erwägung. Unter den jüngeren Mediziner/innen denkt gar ein Drittel ans Aufgeben. Wie lässt es sich mit dem Stress besser umgehen? Der folgende Artikel gibt Tipps.
Mediziner/innen fühlen sich besonders stark gestresst
Eine Studie der „Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege“ zeigt, dass bereits im Jahr 2019 rund 70 Prozent der jungen Krankenhausärzte/-innen Anzeichen für einen Burn-out aufgewiesen haben. Während der Corona-Pandemie haben das Stresslevel und die Erschöpfungszustände bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen weiter zugenommen. Zu diesem Ergebnis kommt unter anderem eine 2021 durchgeführte Analyse im Auftrag eines IT-Konzerns. Die Studie untersuchte die Auswirkungen der Pandemie auf das Gesundheitswesen in zehn Ländern. 48 Prozent der Teilnehmer/innen gaben an, dass sich ihre Überlastungssymptome im Zeitraum der Pandemie verschlimmert haben.
Eine auf Deutschland bezogene Untersuchung der Universität Bonn, ebenfalls aus dem Jahr 2021, zeigt ein ähnliches Bild. Die Forscher/innen werteten 4.300 Fragebögen von Beschäftigten im Gesundheitswesen aus. Gut 80 Prozent der Befragten arbeiteten zum Zeitpunkt der Erhebung in Krankenhäusern. Jeweils mehr als 20 Prozent der Teilnehmer/innen erklärten, unter Depressions- oder Angstsymptomen in behandlungsbedürftigem Ausmaß zu leiden. Genaue Vergleichsdaten aus dem Zeitraum vor der Pandemie gibt es zwar nicht, den Autoren/-innen zufolge waren die gefundenen Werte jedoch höher als in früheren Untersuchungen unter Ärzten/-innen und Pflegekräften. Die Angstwerte während der Pandemie lagen allerdings unter dem Level der restlichen Bevölkerung.
Stressfaktoren für Ärzte/-innen
Für angestellte Ärzte/-innen lassen sich für die Pandemie-Zeit insbesondere drei Stressfaktoren identifizieren:
- Infrastruktur und Führung: Das Wissen im medizinischen Bereich sowie im Managementbereich nimmt zu und muss in den Berufsalltag integriert werden. Führungsaufgaben werden komplexer und umfassen auch viele administrative Aufgaben, etwa im Zusammenhang mit der Digitalisierung, die zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen.
- Höhere Frequenz an Patientenkontakten: Durch die Pandemie hat sich die Anzahl der zu behandelnden Patienten/-innen erhöht. Viele Mediziner/innen mussten sich zudem mit neuen Formen der Kommunikation auseinandersetzen, zum Beispiel mit Behandlungsgesprächen am Telefon oder per Videokonsultation. Das auch in der Bevölkerung steigende Stresslevel sowie Angst und Unsicherheit bei den Patienten/-innen hat die Gespräche häufig emotional aufgeladen.
- Persönliche Situation: Ärzte/-innen sind nicht nur beruflich, sondern auch als Privatpersonen von der Corona-Pandemie betroffen. Erkrankte Angehörige, das Home-Schooling der Kinder, Homeoffice der Partner/innen sowie die damit in Verbindung stehenden Sorgen und Ängste erhöhen das Stresslevel zusätzlich.
Wege aus der Erschöpfung
Wie können Ärzte/-innen nun gegen ihre Erschöpfung vorgehen und einem möglichen Burn-out vorbeugen? Die folgenden Tipps können helfen:
Situation annehmen
Der erste Schritt besteht darin, die eigene Belastung anzuerkennen und zuzugeben, dass man sich erschöpft und ausgebrannt fühlt, ohne sich für diese Gefühle zu verurteilen.
Eigene Ideale und Ziele reflektieren
Im zweiten Schritt sollten Betroffene ihre Ideale und Ziele reflektieren. Wer Erschöpfungssymptome feststellt, sollte innehalten und sich fragen, was ihn eigentlich genau antreibt. Welche Ziele verfolgt man beruflich und privat, wo liegen die eigenen Prioritäten? Stimmen die tatsächlichen Tätigkeiten noch mit diesen Prioritäten überein? Womit beschäftigt man sich vorrangig und welche dieser Aufgaben raubt besonders viel Energie?
Möglichkeiten zur Entspannung finden
Hat man die größten Energieräuber identifiziert, geht es an die Frage, wie man den Stress im Alltag reduzieren kann. Welche Veränderungen lassen sich im Arbeits- und Privatleben konkret umsetzen? Dazu gehört auch die Überlegung, wie man eigentlich am besten entspannt und den eigenen Akku wieder auflädt. Während sich einige Menschen am besten mit einem guten Buch auf der Couch erholen, schöpfen andere beim Sport oder beim Zusammensein mit der Familie und Freunden neue Energie.
Professionelles Coaching
Vielfach wissen Ärzte/-innen zwar, was sich beruflich ändern müsste, damit sie sich weniger belastet fühlen – die nötigen Änderungen lassen sich aber nicht ohne Weiteres umsetzen. Wer trotzdem Veränderungen anstoßen möchte, muss bei sich selbst ansetzen. Dabei kann ein professionelles Coaching unterstützen. Erfahrene Coaches helfen dabei, eingetretene Pfade zu erkennen und aus kraftraubenden Verhaltensmustern auszubrechen. Dabei drehen sie häufig die Sichtweise um und lenken sie weg von den belastenden Problemen, hin zu den eigenen Stärken. Das Coaching kann Mediziner/innen auch wieder erfahren lassen, wofür sie sich in ihrem Beruf einsetzen, sodass sie wieder mehr Sinn in ihrer Tätigkeit sehen.