Bei medizinischen Notfällen gibt es unabhängig vom jeweiligen Anlass einen gemeinsamen kritischen Faktor: Zeit! Für Behandlungen und medizinische Versorgung ist Schnelligkeit unerlässlich. Die Erreichbarkeit von Kliniken mit entsprechender Ausstattung ist dabei ein wichtiger Punkt. Hier gibt es erhebliche regionale Unterschiede. Das belegt eine Untersuchung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).
Krankenhaus ist nicht gleich Krankenhaus. Nicht jede Klinik verfügt über die für bestimmte Notfälle erforderliche Spezialausstattung. So hat längst nicht jedes Krankenhaus eine sogenannte Stroke Unit für Schlaganfall-Patienten. Es kommt im Ernstfall also nicht nur darauf an, dass überhaupt ein Krankenhaus in der Nähe ist, sondern auch das richtige. Hier gibt es – wenig überraschend – ein deutliches Stadt-Land-Gefälle.
Maximal 30 Minuten Fahrzeit für ausreichende Erreichbarkeit
30 Minuten Fahrzeit bilden in der Studie einen kritischen Schwellenwert, um die Erreichbarkeit zu beurteilen. Nur wenn ein geeignetes Krankenhaus in diesem Zeitraum angefahren werden kann, lässt sich von Erreichbarkeit “im grünen Bereich” sprechen. Der Schwellenwert ist aus den Leitlinien für medizinische Notfallversorgung abgeleitet. Danach sollten zwischen Eingang eines Notrufs in der Leitstelle und Übergabe des Patienten an eine geeignete Klinik nicht mehr als 60 Minuten vergehen. Die Fahrzeit bildet nur einen Teil der benötigten Zeit. Für Untersuchung, Erstversorgung, Ein- und Ausladen des Patienten braucht es ebenfalls wertvolle Minuten – Vorgänge, die sich kaum verkürzen lassen.
Wie es mit der Erreichbarkeit aussieht, hängt auch von der Art des Notfalls ab. Es macht einen Unterschied, ob ein Schlaganfall, ein Herzinfarkt oder ein Unfall-Trauma vorliegt. Die medizinische Infrastruktur für diese drei Notfälle weist jeweils andere Verteilungen auf. Das macht die BBRS-Studie auch deutlich. Es kann daher durchaus sein, dass ein Patient mit einem Schlaganfall schnell in ein geeigneten Krankenhaus eingeliefert werden könnte, während die Klinik-Erreichbarkeit im Falles eines Herzinfarktes suboptimal wäre, auch wenn der Patient sich jeweils am gleichen Standort befunden hätte. Im einzelnen zeigt die Studie für die drei Beispiel-Notfälle Schlaganfall, Herzinfarkt und Unfall-Trauma folgendes Bild:
Notfall Schlaganfall – 9 Mio. Menschen bräuchten länger als 30 Minuten
Deutschland verfügt über 335 Standorte mit Stroke Units für Schlaganfall-Patienten. Regionale Schwerpunkte sind naturgemäß die großen Metropolen, die Rhein-Ruhr-Region und das Rhein-Main-Gebiet. Aber auch in der Fläche besteht eine Vielzahl an entsprechend spezialisierten Krankenhäusern. Dennoch gibt es gerade dort Lücken. In großen Teilen Sachsen-Anhalts, in Teilen Brandenburgs, im Sauerland und in einigen Bereichen des Bayerischen Waldes würde es sogar länger als 60 Minuten Fahrzeit bis zur nächsten Stroke Unit brauchen. In diesen Gebieten leben rund 400.000 Menschen. Bei 9 Mio. Bundesbürgern würde die Fahrzeit länger als 30 Minuten dauern.
Notfall Herzinfarkt – längere Fahrzeiten vor allem in den neuen Bundesländern
Noch schlechter als beim Schlaganfall sieht es bei Herzinfarkten aus. Das mag auch an der insgesamt etwas geringeren Dichte von Spezialeinheiten liegen. Deutschlandweit gibt es 290 Chest Pain Units. Hier müssten 14,5 Mio. Bundesbürger Fahrzeiten von über 30 Minuten in Kauf nehmen, fast eine Mio. Menschen sogar mehr als eine Stunde. “Problemgebiete” sind wiederum große Teile von Sachsen-Anhalt, das nördliche und südliche Brandenburg sowie die Altmark, der Südosten von Mecklenburg-Vorpommern, Ostsachsen, kleine Teile des Bayerischen Waldes, des südlichen Schwarzwaldes, der Eifel, des Emslandes und im nordwestlichen Schleswig-Holstein.
Notfall Unfall-Trauma – für 97,5 Prozent weniger als 30 Minuten Fahrzeit
Mit 668 Traumazentren ist Deutschland fast flächendeckend gut versorgt. Es überrascht daher nicht, dass es bei der Untersuchung viel Grün und nur wenige rote Flecken gab. Bis auf wenige Ausnahmen – Standort niedersächsische Elbtalaue, östliches Mecklenburg-Vorpommern – wäre jeder Betroffene in weniger als 60 Minuten Fahrzeit in einem Traumazentrum. Immerhin gibt es auch hier zwei Mio. Bundesbürger, bei denen der Transport länger als 30 Minuten dauern würde. Das ist vor allem in den nordöstlichen Regionen Deutschlands der Fall.
Auf dem Land dauert es generell länger
Abstrahiert man von den speziellen Notfällen und schaut generell auf die Krankenhaus-Erreichbarkeit, ist ein deutliches Stadt-Land-Gefälle sichtbar. Danach erreichen rund 90 Prozent der Bewohner städtischer Gebiete ein Krankenhaus innerhalb von 15 Minuten Fahrzeit, in ländlichen Regionen sind es dagegen nur 64 Prozent. Das zeigt der Krankenhaus-Atlas der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Der Standort kann im Falle des Falles für schnelle medizinische Versorgung entscheidend sein.