Jährlich werden in deutschen Krankenhäusern mehr als 19 Millionen Patienten behandelt. Wer ein Krankenhaus aufsuchen muss, wird im Regelfall nach überschaubarer Zeit wieder entlassen. Ein professionelles Entlassungsmanagement soll – soweit nötig – auch nach dem Aufenthalt eine adäquate Versorgung und einen nahtlosen Übergang in ambulante Behandlung sicherstellen. Die Realität sieht leider oft anders aus. Darauf weist der BARMER-Arzneimittelreport 2020 hin. Der Titel deutet es bereits an: für die Bewertung von Entlassungsmanagement stand bei der Untersuchung vor allem die Medikation im Mittelpunkt. Nicht nur hier zeigt die Studie erhebliche Defizite. Dabei gibt es für das Entlassmanagement – so der amtliche Begriff – eigentlich klare Vorgaben und Richtlinien.
Seit 2017 verbindlicher Rahmenvertrag für das Entlassmanagement
Mit dem sogenannten GKV-Versorgungsstärkungsgesetz reformierte man 2015 das Entlassmanagement umfassend. Zum einen erweiterte man die Möglichkeiten der Krankenhäuser, Behandlungen nach der Entlassung anzustoßen und Leistungen zu verordnen. Zum anderen hatten die zuständigen Spitzenverbände des Gesundheitswesens den Auftrag, einen Rahmenvertrag mit verbindlichen und konkreten Vorgaben zum Entlassungsmanagement zu vereinbaren. Diesen Rahmenvertrag gibt es seit dem 1. Oktober 2017. Die Krankenhäuser müssen laut Vertrag möglichst frühzeitig den nahtlosen Übergang in die nachfolgende Versorgung sicherstellen. Dazu gehört die Erfassung des patientenindividuellen Bedarfs und die Aufstellung eines Entlassplans. Dabei hat auch eine Prüfung der eventuell notwendigen Anschlussmedikation, möglicher fortdauernder Arbeitsunfähigkeit und anderer Leistungen zu erfolgen, für die Verordnungs- und Veranlassungsbedarf besteht.
Die Probleme fangen oft schon bei der Aufnahme an
Die Probleme bei der Medikation beginnen laut BARMER-Arzneimittelreport 2020 bereits bei der Aufnahme ins Krankenhaus. In der Studie wurde bei 2.900 Patienten über 65 Jahren mit einer Vielzahl an Medikamenten-Verordnungen (Polypharmazie-Patienten) der Informations-Status zur Medikation bei Beginn des Krankenhausaufenthalts erhoben. Nur 29 Prozent der Patienten – weniger als ein Drittel – konnten bei der Aufnahme einen Medikationsplan nach bundeseinheitlichem Standard vorlegen. Jeder sechste Polypharmazie-Patient hatte gar keine aktuelle Medikamenten-Aufstellung dabei. Auch bei der Erst-Anamnese im Krankenhaus gibt es Defizite. So fragte man jeden zehnten Patienten nicht nach Vorerkrankungen, bei jedem zwanzigsten fehlte die Erhebung bestehender Arzneimitteltherapien oder von Allergien. Wo bereits bei der Aufnahme ein unvollständiger Informationsstand herrscht, steigt die Wahrscheinlichkeit von Fehlern bei der Medikamentenverordnung im Krankenhaus und von Defiziten im Entlassungsmanagement.
Mängel stellt die Studie auch im Zusammenhang mit Medikationsänderungen im Krankenhaus fest. Zwei Drittel der Befragten gaben an, nicht oder nicht ausreichend über Nebenwirkungen von neu verordneten Medikamenten informiert worden zu sein. Fast jeder Dritte sagte, die neuen Arzneimittel seien nicht erklärt worden. Fatal, denn die Medikation wird meist automatisch fortgeführt. Die große Mehrzahl der befragten Patienten – 82 Prozent – stellte sich binnen einer Woche nach Entlassung beim behandelnden Arzt vor. Rund zwei Drittel davon erklärten, ihr Arzt habe die im Krankenhaus vorgenommene veränderte Medikation übernommen. Fast jeder Vierte sagte, die Änderung sei vom Arzt nicht weiter besprochen worden.
Hausärzte fühlen sich vom Krankenhaus nicht gut informiert
Aber auch die Ärzte fühlen sich von den Krankenhäusern nicht gut informiert. Dazu befragte die Studie 150 Hausärzte. Nur etwa jeder fünfte Hausarzt ist laut Untersuchung mit den Informationen zur Arzneimitteltherapie seitens der Kliniken „voll“ oder „eher zufrieden“. Gut vierzig Prozent sagen „teils, teils“, fast genauso groß ist der Anteil derjenigen, die „eher“ oder „sehr unzufrieden“ sind. Fast alle Ärzte – 94 Prozent – gaben an, keine Hinweise auf Nebenwirkungen der im Krankenhaus neu verordneten Medikamente erhalten zu haben. Nur eine verschwindende Minderheit von 1,5 Prozent war der Ansicht, dass die Krankenhäuser ihren Informationspflichten gegenüber den Patienten stets gerecht würden.
Aber nicht nur bezüglich der Information herrscht Unzufriedenheit bei den Hausärzten, sondern auch bezüglich der Maßnahmen selbst. So wurde angegeben, dass im Krankenhaus bei gut jedem fünften Patienten eine vorher bestehende und als notwendig erachtete Arzneimitteltherapie unbeabsichtigt unterbrochen wurde. Nur bei jedem dritten Patienten begründete man eine veränderte Arzneimittelverordnung. Auch bei der Indikationsprüfung im Krankenhaus konstatierte man Mängel. So sagten drei Viertel der Hausärzte, dass im Krankenhaus nur selten Medikamente mit der Begründung abgesetzt würden, sie seien nicht mehr indiziert.
Entlassmanagement: Anspruch und Wirklichkeit
Fazit: Mit dem im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz neu eingeführten § 39 Abs. 1a SGB V verankerte man einen gesetzlichen Patientenanspruch auf ein adäquates Entlassmanagement. Der BARMER-Arzneimittelreport zeigt noch manche Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Es besteht Verbesserungsbedarf.