Viele Krankenhäuser, Pflegeheime und andere Einrichtungen haben Employer Branding und Mitarbeiterbindung in der Vergangenheit vernachlässigt. Arbeitgebermarke oder Unternehmenskultur? Nebensache! Die Corona-Krise hat diese Defizite vor allem am Anfang schmerzlich bewusst gemacht, weil geschulte Pflegekräfte und medizinisches Personal fehlten. Jetzt ergibt sich die Möglichkeit, das Versäumte nachzuholen. Fristverlängerung für die Hausaufgaben, sozusagen.
Krise als Chance für Recruiting und Employer Branding sehen
Das kam unerwartet: Mit Beginn der Corona-Pandemie haben sich ehemalige Ärzte, Schwestern und Pflegerinnen und Pfleger bei Krankenhäusern oder Pflege-Einrichtungen zurückgemeldet. Viele Medien aber auch die Betreiber berichteten darüber, dass Arbeitskräfte die vorher – nicht selten desillusioniert aufgrund der Arbeitsbedingungen – in die Selbstständigkeit oder in andere Berufe gewechselt waren, sich wieder zurückgemeldet haben, um zur Bewältigung der Krise beizutragen. Manche Ärztekammern oder Arbeitskammern, wie zum Beispiel im Saarland, richteten sogar Telefon-Hotlines oder E-Mail-Adressen ein, um solchen Freiwilligen den Kontakt zu erleichtern. Auch Studierende sollten mobilisiert werden.
Für die Einrichtungen im Gesundheitsbereich ist das eine echte Chance – in doppelter Hinsicht. Erstens können sie Menschen zurückgewinnen, die sie eigentlich aufgrund ihrer Arbeitsbedingungen verloren hatten. Und zweitens ist jetzt der Moment, aktiv wichtige Themen wie die Unternehmenskultur und das Employer Branding anzugehen.
Mit gutem Onboarding überzeugen
„Wenn sich jetzt zum Beispiel Pflegekräfte aus der Elternzeit zurückmelden, bei denen das vorher nicht klar war, ist das eine Chance“, sagt zum Beispiel Martin Camphausen, Leiter Marketing und Employer Branding beim Klinikverbund Südwest. Ein gutes Onboarding, ein neuer Teamspirit und spürbar andere Arbeitsbedingungen könnten diese vielleicht überzeugen, wieder ganz an ihren früheren Arbeitsplatz zurückzukehren und nicht nach der Pandemie gleich wieder zu kündigen. Marc Raschke, Leiter der Unternehmenskommunikation beim Klinikum Dortmund, sieht hier vor allem drei Maßnahmen:
1. Den Wissensbedarf der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedienen, zum Beispiel durch eigene Kommunikations-Maßnahmen, wie einem Podcast mit einem Virologen im Intranet des Hauses.
2. Das benötigte Schutzmaterial besorgen und erkennbar alles Mögliche für die Sicherheit der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bewegung setzen. Wenn Angestellte in Kliniken sich auf eigene Kosten Masken oder Sicherheitskleidung bestellen müssten, zeige das, dass einiges schiefgehe, so Raschke.
3. Alle möglichen Maßnahmen ergreifen, die Pflegekräften und Ärzten bei der Ausübung des Berufs zugutekämen.
Teamgeist fördern und beleben
Ein weiteres Momentum: in einer Krise wie der Corona-Pandemie ist der Teamgeist gefordert. Menschen halten zusammen, um die Krise besser zu bewältigen. Nicht zuletzt dieser Teamgeist dürfte manche Ehemalige dazu bewegen, sich jetzt wieder bei ihrem früheren Arbeitgeber zu melden. Diesen Teamgeist gilt es – da sind sich die Experten einig – zu bestärken und mit konkreten Maßnahmen zu fördern. Dabei spielt auch das Employer Branding eine wichtige Rolle, das haben 2017 die Rotkreuzkliniken in Frankfurt am Main mit ihrer Kampagne „Teamgeist erleben“ gezeigt. Und hier haben einige Institutionen im Gesundheitsbereich Nachholbedarf.
In der Vergangenheit sei oft Geld für einzelne Maßnahmen ausgegeben worden, ohne vorher ein schlüssiges Gesamtkonzept aufzustellen, sagt Employer-Branding-Experte Camphausen vom Klinikverbund Südwest. Er hält das für wenig zielführend. Vielmehr seien Krankenhäuser, Pflegeinrichtungen und viele weitere Anbieter im Gesundheitsbereich gefordert, gezielt eine Arbeitgebermarke aufzubauen. Die Arbeitgebermarke oder Employer Brand liefert letztlich das entscheidende Argument, warum eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer sich für einen Arbeitgeber interessieren soll. Daraus leiten sich zum Beispiel Einarbeitungs-Konzepte ab oder das Storytelling, mit dem potenzielle Kandidaten überzeugt werden sollen.
Authentisches Employer Branding, um Mitarbeiter zu halten
„Gerade jetzt ist eine authentische Arbeitgebermarke besonders wichtig. Dabei spielt vor allem die Bindung der vorhandenen Mitarbeiter eine übergeordnete Rolle“, sagt ein Experte eine Personalmarketing-Agentur. Und Klinikum-Dortmund-Sprecher Raschke bestätigt: Jetzt in der Krise sei vor allem Employer Branding mit Blick auf die bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig. Im Idealfall wurde also bereits eine authentische Arbeitgebermarke entwickelt und etabliert, die nun ein Identifikationspotenzial bietet und so die Loyalität und Motivation sichert.
Im Idealfall. Bei vielen Einrichtungen war das bisher Nebensache, wie die Experten bestätigten. Da bleibt in der Krise vor allem eine Maßnahme: Offen, ehrlich und authentisch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommunizieren. Schwachstellen und Engpässe klar benennen, ihnen für Kreativität und Initiative danken und diese Dankbarkeit auch zeigen. Zum Beispiel indem angesichts geschlossener Kantinen ein Catering auf Kosten des Krankenhauses organisiert wird. „Ein Krankenhaus ist zu 50 Prozent Psychologie“, sagt Raschke. Wer technokratisch kommuniziert und handelt, hat schon verloren. Auch die Arbeitskräfte, die sich angesichts der Krise solidarisch zeigen.
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