Emotionen spielen im Recruiting eine immer größere Rolle. Der Fachkräftemangel auf dem medizinischen Arbeitsmarkt hat dafür gesorgt, dass Pflegekräfte, Ärzte/-innen und Therapeuten/-innen sich ihre Arbeitgeber/innen aussuchen können. Und zu der Entscheidungsfindung, wo man am liebsten arbeiten möchte, zählen nicht mehr nur harte Fakten wie Gehalt, Benefits und Leitbild.
Immer mehr treten auch Emotionen in den Vordergrund bei der Arbeitsplatzwahl: Was wünsche ich mir von meiner neuen Stelle? Welchen emotionalen Mehrwert soll mein/e Arbeitgeber/in mir bieten? Wo fühle ich mich in meinem beruflichen Umfeld trotz Sonderschichten, Wochenendarbeit und Überlastung des Gesundheitssystems wohl? Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen sollten daher ihre herkömmlichen Recruiting-Strategien überdenken und neue Wege gehen, um von Anfang an ein gutes Gefühl bei Bewerbern/-innen zu erzeugen.
Hier gibt es alles zu den neusten Trends beim emotionalen Recruiting.
Emotionales Recruiting
Emotionales Recruiting bezieht sich auf eine personalisierte Rekrutierungsstrategie, bei der Arbeitgeber/innen und Recruiter/innen im Gesundheitswesen versuchen, Bewerber/innen durch gezielte emotionale Ansprache anzusprechen. Dabei geht es darum, eine starke Verbindung zwischen Bewerber und Klinik, Krankenhaus oder Pflegedienst aufzubauen und Emotionen wie Begeisterung, Leidenschaft und Engagement zu wecken.
Emotionales Recruiting kann auf verschiedene Arten umgesetzt werden, beispielsweise durch die Gestaltung ansprechender Stellenanzeigen, den Einsatz von Storytelling-Techniken in der Kommunikation mit Bewerbern/-innen, die Einbindung von Mitarbeitern/-innen in den Bewerbungsprozess oder die Schaffung einer authentischen Arbeitgebermarke.
Das Ziel des emotionalen Recruiting ist es, Bewerber/innen nicht nur aufgrund ihrer Fähigkeiten und Qualifikationen auszuwählen, sondern auch aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihres Potenzials, langfristig erfolgreich und engagiert im Krankenhaus, der Klinik oder im Pflegedienst tätig zu sein.
Persönliche Stellenanzeigen
Die Stellenanzeige ist der erste Kontakt zum/-r Bewerber/in und sollte daher einen möglichst guten Eindruck machen. Um diesen ersten Eindruck emotionaler zu gestalten, gibt es verschiedene Ansätze, die Arbeitgeber/innen und Recruiter/innen im Gesundheitswesen anwenden können. Dies sind einige Möglichkeiten:
- Direkte Ansprache: Wer in seiner Stellenanzeige eine direkte Ansprache nutzt und seine potenziellen Bewerber/innen direkt anspricht, schafft gleich eine erste Verbindung. Je nach Arbeitgeber/in, Stelle und Team kann man z.B. auch das legere „du“ statt dem formalen „Sie“ benutzen, um eine persönlichere Atmosphäre zu schaffen.
- Betonung der Kultur des Krankenhauses: Man sollte bereits in der Stellenanzeige die Werte und die Kultur des Krankenhauses betonen, um den Bewerbern/-innen einen Eindruck davon zu vermitteln, wer man als Arbeitgeber/in sind. Hierin sollte man erklären, was das Krankenhaus einzigartig macht und was die Vision und Mission sind.
- Emotionales Storytelling: Um Bewerber/innen emotional anzusprechen, sollte man Beispiele und Erfahrungen von Mitarbeitern/-innen in die Stellenanzeigen einbetten. Diese vermitteln besonders effektiv einen Eindruck davon, wie es ist, für das Krankenhaus zu arbeiten.
- Integration von Bildern: Bilder machen Stellenanzeige visuell ansprechender, und Bilder von Mitarbeitern/-innen stellen besonders schnell und effektiv eine emotionale Verbindung zwischen dem/-r potenziellen Bewerber/in und dem Krankenhaus her.
- Nutzung von Social Media: Junge Pflegekräfte, Ärzte/-innen und Therapeuten/-innen gewinnt man am besten über die sozialen Medien. Dort sollte man also auch seine Stellenanzeige verbreiten und Bewerbern/-innen einen zeitgemäßen Einblick in das Krankenhaus geben. Bilder oder Videos von der Arbeit oder von Mitarbeitern/-innen wecken schneller das Interesse der Bewerber/innen als reine Faktenlisten.
Emotionaler Dialog
Der emotionale Dialog im Bewerbungsverfahren zielt auf einen Austausch zwischen Bewerbern/-innen und dem/-r Recruiter/in. So soll eine persönliche Verbindung hergestellt und positive Emotionen geweckt werden. Ein solcher Dialog kann dazu beitragen, die Motivation und das Engagement der Bewerber/innen zu steigern und ihnen das Gefühl zu geben, dass das Krankenhaus sie als individuelle Person wertschätzt und versteht und nicht nur z.B. als Arzt/Ärztin wahrnimmt.
Ein emotionaler Dialog kann auf verschiedene Weise im Bewerbungsverfahren stattfinden. Zum Beispiel können Krankenhäuser oder Pflegedienste in der Kommunikation mit ihren Bewerbern/-innen eine freundliche und zugängliche Sprache verwenden, die auf deren Bedürfnisse und Wünsche eingeht. Außerdem können sie ihre eigenen Mitarbeiter/innen in den Bewerbungsprozess einbinden, um eine authentische und vertrauensvolle Beziehung zwischen Bewerber/in und Pflegedienst zu fördern. Ein weiterer Aspekt des emotionalen Dialogs kann darin bestehen, Bewerbern/-innen die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Erfahrungen, Stärken und Ziele zu teilen und sich so auf einer persönlichen Ebene mit dem Krankenhaus zu verbinden.
Ein emotionaler Dialog im Bewerbungsverfahren trägt außerdem dazu bei, dass sich Bewerber/innen nach ihrem Einstieg stärker mit dem Unternehmen identifizieren und als Teil der Krankenhausgemeinschaft fühlen. Dies kann bewirken, dass sie sich langfristig stärker mit ihrem Job und dem Krankenhaus identifizieren und sich leichter in ihr neues Stationsteam integrieren.
Authentisches Social Media
Um Social Media können Arbeitgeber/innen und Recruiter/innen im Gesundheitswesen heute eigentlich keinen Bogen mehr schlagen. Wie man diese gekonnt einsetzt, will allerdings geplant sein. Wichtig sind eine emotionale Sprache und authentische Kommunikation und das Veröffentlichen von Informationen, die echten Mehrwert bieten und emotional ansprechen.
Wer z.B. auf der eigenen Homepage seine Pflegekräfte echt und unverfälscht so zeigt, wie sie sind und arbeiten, hat schon mal die erste persönliche Basis geschaffen. Sämtliche Recruiting-Strategien sollten geprägt sein von Gesichtern, Erlebnissen, Eindrücken und Namen der Mitarbeiter/innen sowie von authentischen Beispielen, Interviews und Geschichten. Glaubwürdige und interessante Einblicke in den Arbeitsalltag auf Station, im Pflegeheim oder in der Verwaltung ermöglichen eine Identifizierbarkeit mit der Unternehmenskultur und den Arbeitgeberstärken.
Die folgenden Tipps sind nur einige Ideen, wie Arbeitgeber/innen und Recruiter/innen im Gesundheitswesen ihre Social-Media-Auftritte emotionaler und authentischer gestalten können:
- auf Karriere-Websites Chat-Tool für Dialoge anbieten
- auf einem eigenen Klinik-Blog Postings für Mitarbeiter/innen anregen und Kommentarfunktion anwenden
- Azubi-Gruppen ins Leben rufen, die ihre ersten Erfahrungen und Erlebnisse im Krankenhausalltag und in der schulischen Ausbildung authentisch schildern
- Videoeinblendungen in Social Media-Plattformen wie YouTube, Instagram, TikTok etc.
- authentische Kurzporträts oder Erlebnisberichte direkt aus dem Krankenhaus in die eigene Homepage einbetten, z.B. Blicke hinter die Kulissen
- aktuelle und interessante Projekte veröffentlichen
Strategisches Neuro-Recruiting
Neuro-Recruiting spielt eine immer größere Rolle auf dem hart umkämpften medizinischen Arbeitsmarkt. Gerade Pflegekräften, Ärzten/-innen und Therapeuten/-innen wird nachgesagt, sie seien rein faktenorientiert, rational und sachlich. Aber auch sie sind emotionale Menschen und suchen – vielleicht auch unterbewusst – bei ihrem/-r Arbeitgeber/in im Gesundheitswesen nach wenig rationalen Dingen.
Viele Bewerber/innen spüren während des Recruiting-Prozesses instinktiv: „Dieses Krankenhaus ist genau richtig für mich.“ oder auch „In diesen Pflegedienst passe ich einfach nicht.“ Man kann es „Bauchgefühl“ nennen; und genau das sollten sich Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen zu Nutze machen, wenn es um die Jagd nach Bewerbern/-innen geht. Neuro-Recruiting kann diese unbewusste Handlungsentscheidung im menschlichen Gehirn positiv unterstützen.
5 Schritte im Neuro-Recruiting
Neuro-Recruiting erfolgt in einem 5-Schritte-Prozess, den Arbeitgeber/innen und Recruiter/innen im Gesundheitswesen kennen sollten. Für ein besonders effektives emotionales Recruiting sollte man alle diese Schritte anwenden, aber auch nur einige dieser Schritte können bereits dazu beitragen, die Entscheidungsfreudigkeit der Bewerber/innen für das eigene Krankenhaus zu erhöhen.
Diese fünf Schritte im emotionalen Neuro-Recruiting werden hier nachfolgend dargestellt.
Emotionalisieren
Um bereits im Ausschreibungsprozess emotional gut rüberzukommen, sollten Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen ihre Materialien der Employer-Branding-Außenwirkung auf folgende emotionale Elemente prüfen:
- Unternehmensbeschreibung: Wirkt die Klinik wie ein guter Arbeitsplatz mit einem aufgeschlossenen Team, hilfreichen Kollegen/-innen und einer guten Arbeitsatmosphäre?
- Bildwelten: Werden Fotos und Videos eingesetzt, die nicht nur mit moderner Technologie und schicker Einrichtung werben, sondern auch mit Teamwork und Kollegialität?
- Wording innerhalb aller Texte: Lesen sich die Texte wie eine Waschmaschinen-Anleitung oder als hätte eine AI sie geschrieben? Kommen positiv besetzte Begriffe wie Teamwork, Work-Life-Balance, Werte, Leitbild etc. darin vor?
- Benefits: Wird entsprechend herausgehoben, dass man Benefits anbietet, die Wertschätzung zeigen? Dies sind z.B. Zuschüsse zum Monatsticket, Homeoffice, kostenloses Mittagessen, Nutzung der einrichtungseigenen Fitnessgeräte nach Dienstende, Betriebskindergarten etc.
- Slogans: Sind sie neutral oder emotional? Spiegeln sie die Arbeitsrealität wider? Wirken sie auf den ersten Blick einladend?
Vereinfachen
Der Bewerbungsprozess an sich sollte für die Bewerber/innen so angenehm und einfach wie möglich sein. Daher sollten Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen Hürden und Aufwände im Bewerbungsprozess abschaffen. Wer z.B. einen ellenlangen Fragebogen auf einer externen Homepage ausfüllen und alle pdf-Anlagen einzeln sortiert hochladen muss, verliert meist schon im Prozess die Lust. Ein solches Vorgehen wirkt außerdem lieblos, unpersönlich und automatisiert. Kein guter erster Eindruck bei der Gewinnung von neuen Pflegekräften, Ärzten/-innen und Therapeuten/-innen.
Besser sind eigene Bewerbungsseiten, die von der eigenen IT auf der eigenen Homepage entwickelt werden und so barrierefrei wie möglich zu bedienen sind. Mit ein paar Klicks sollte man binnen etwa fünf Minuten fertig sein, und nicht einen Nachmittag fürs Ausfüllen und Hochladen benötigen. Anhänge sollten daher im Gesamtpaket hochladbar sein, und nicht sortiert nach Anschreiben, letztes Arbeitszeugnis, Qualifikationsnachweise, sonstige Nachweise. Das sind vier Klicks statt einem, plus der Zeit, die man zuhause damit verbringt, das Gesamt-pdf, das viele bereits fertig auf dem heimischen PC gespeichert haben, auseinander zu dröseln.
Analysieren
Zunächst sollten sich Arbeitgeber/innen und Recruiter/innen im Gesundheitswesen fragen, wo sie selbst im Recruiting-Prozess bereits auf Emotionen setzen und wo allein auf Ratio. Manche Recruiter/innen oder Personaler/innen stellen z.B. automatisch im Vorstellungsgespräch ähnliche Fragen wie diese:
- Warum haben Sie sich damals für den Medizinbereich entschieden?
- Haben Sie sich bei Ihrem vorherigen Arbeitgeber wohlgefühlt? Wenn ja/nein, warum (nicht)?
- Wie würden Sie sich selbst beschreiben? Was sind ihre Stärken?
- Sind Sie eher teamorientiert oder arbeiten Sie lieber allein?
- Mögen Sie eher starke und bestimmend auftretende Stationsleitungen oder lieber kompromissbereite?
- In welchem Pflegeteam würden Sie sich wohler fühlen: In einem Team, das rein professionell miteinander interagiert, oder in einem Team, das auch auf persönlicher Ebene miteinander umgeht?
Diese und ähnliche Fragen sollten – sofern sie nicht bereits intuitiv Bestandteil des Bewerbungsprozesses sind – mit in den Recruiting-Prozess integriert werden. Sie zeigen dem/-r Bewerber/in, dass man sich als Arbeitgeber/in nicht nur für ihre Qualifikationen interessiert, sondern auch für sie als Mensch.
Persönlich werden
Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen sollten im Bewerbungsprozess eruieren, was sich ihre Bewerber/innen tatsächlich wünschen. Ein sympathisches Stations-Team? Eine einfühlsame und kompromissbereite Stationsleitung? Eine Teamkultur im Krankenhaus? Zu verstehen, was die Bewerber/innen antreibt, was ihnen wichtig ist und wie sie ticken, ist essenziell.
Daher sollte, wo möglich, eine persönliche Ebene im Bewerbungsprozess angestrebt werden. Dies erreicht man mit folgenden Vorgehensweisen:
- Immer derselbe/dieselbe Recruiter/in nimmt mit dem/-r Bewerber/in Kontakt auf
- Persönliche Ansprache mit Namen in sämtlicher geschriebener Korrespondenz
- Wo möglich telefonischer Kontakt
- Einen Termin zum Vorstellungsgespräch vereinbaren, statt einfach einen anzusetzen
Persönlich bleiben
Um zu erkennen, was den/die Bewerber/in antreibt und was er/sie sich von seinem/ihrem potenziellen Arbeitgeber/in im Gesundheitswesen wünscht, sollten Recruiter/innen aufmerksam und aktiv zuhören. Die Antworten der Bewerber/innen nur abzunicken und nicht mehr darauf einzugehen, wirkt so, als würde man eine höfliche Floskel abhaken.
Erhält man also eine Antwort wie z.B.: „Ich bin eher ein Teamplayer als Solist, deshalb habe ich auch vor, meinen Arbeitsplatz zu wechseln. In meiner bisherigen Stelle arbeitet jeder nur so vor sich hin.“ sollte man darauf z.B. erwidern: „Das höre ich sehr gerne, denn da sind Sie bei uns genau richtig. Das Team, in dem Sie eventuell arbeiten werden, sofern Sie sich für uns entscheiden, ist sehr engagiert, aufgeschlossen und hilfsbereit.“ Man sollte also ermitteln, was der emotionale Mehrwert ist, den man als Arbeitgeber/in bieten kann, und diesen auch hervorheben.