„Man kann nicht nicht kommunizieren“, ist ein bekanntes Zitat des Psychotherapeuten ...

In Sachen Digitalisierung gilt Deutschland als Nachzügler – auch bei Digitalisierung im Gesundheitswesen. Die Corona-Pandemie hat zwar einen Digitalisierungsschub bewirkt, doch es bleibt viel zu tun. Das zeigt sich auch beim Thema „Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ (eAU). Sie sollte eigentlich zum 1. Juli 2022 das Papierformat ersetzen. Doch erneut musste der Termin verschoben werden. Erst Anfang 2023 wird das Verfahren wohl komplett stehen. Arztpraxen sollten dafür gerüstet sein.
Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – umgangssprachlich „Gelber Schein“ wegen des gelben Papierformulars – ist ein wichtiges arbeitsrechtliches Dokument. Es muss dem Arbeitsgeber spätestens am vierten Tag einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vorgelegt werden. Der Arbeitnehmer wird dadurch von seiner vertraglichen Arbeitspflicht frei und wichtige Leistungen wie das Krankengeld knüpfen an die Bescheinigung an.
Digitales Verfahren mit Hindernissen und (letzter) Terminverschiebung
Beim papiergestützten Verfahren war bis dato die/der Arbeitnehmer/in in der Mitteilungspflicht. Man musste seinen Arbeitgeber und seine Krankenkasse durch Zusendung der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit informieren. Bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird diese Aufgabe auf die/den ausstellenden Ärztin/Arzt verlagert. Diese/r informiert auf digitalem Weg unmittelbar die Krankenkasse und diese den Arbeitgeber. Die Arbeitnehmer selbst bleiben außen vor.
Die rechtliche Grundlage für das digitale Verfahren hat das Terminservice- und Versorgungsgesetz bereits 2019 geschaffen. Es sah zum 1. Januar 2021 die eAU-Einführung vor. Da die nötige technische Infrastruktur nicht rechtzeitig zur Verfügung stand, ließ sich dieser Termin jedoch nicht halten. Für die Datenübermittlung an die Krankenkassen wurde daraufhin der 1. Oktober 2021 als neuer Starttermin festgelegt, für die digitale Information des Arbeitgebers der 1. Juli 2022. Auch dieses Termingerüst erfuhr nochmals Änderungen.
Die e-Information der Krankenkassen ist seit 1. Januar 2022 Pflicht für alle Kassen-Vertragsärzte/-ärztinnen mit entsprechenden technischen Voraussetzungen. Der Start der digitalen Arbeitgeber-Information wurde wegen technischer Probleme erneut verschoben – diesmal auf den 1. Januar 2023. In einer Pilotphase können die Arbeitgeber das neue Verfahren schon testen. Nichtsdestotrotz müssen die Ärztinnen und Ärzte Patienten bis Anfang 2023 die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weiterhin in Papierform und in doppelter Ausfertigung – eine für den Arbeitgeber, eine für die eigenen Unterlagen – zur Verfügung stellen. Arbeitnehmer sind entsprechend weiterhin in der Vorlagepflicht beim Arbeitgeber.
Trotz der eigentlich seit Jahresbeginn verpflichtenden durchgängigen e-Information der Krankenkassen sind die technischen Voraussetzungen für eine Übermittlung längst noch nicht in allen Arztpraxen gegeben. In solchen Fällen kommt bis zur Schaffung der Voraussetzungen ein Ersatzverfahren zur Anwendung. Patienten erhalten dann nicht zwei, sondern drei Ausfertigungen auf Papier – nämlich eine zusätzliche für die Krankenkasse. Der erkrankte Arbeitnehmer muss für die Weiterleitung des Zusatzexemplars selbst Sorge tragen. Die Ausdrucke werden im Praxisverwaltungssystem auf Basis von Stylesheets erzeugt und von der Ärztin bzw. vom Arzt unterschrieben.
Digitale Signatur statt handschriftlicher Unterschrift
Digitale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen benötigen eine elektronische Unterschrift – die sogenannte digitale Signatur. Die elektronische Unterschrift muss rechtssicher sein – das heißt: sicher vor Fälschung und Manipulation. Das Instrument dafür ist die Qualifizierte Elektronische Signatur (QES) – ein besonderes Zertifikat nach EU-Vorgaben, das die handschriftliche Unterschrift im Rechtsverkehr ersetzt. Es gibt für ärztlichen Einsatz zwei Verfahren, die eine einfache und effiziente Nutzung der QES ermöglichen:
- die Komfortsignatur: hier können über den elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) und die PIN-Eingabe bis zu 250 Signaturen für einen bestimmten Zeitraum freigegeben werden. Für die Signatur reicht dann eine einfache Bestätigung. Das Kontingent kann für Signierung von eAUs nach und nach „abgearbeitet“ und anschließend erneuert werden.
- die Stapelsignatur: mit der Stapelsignatur können mehrere Dokumente gleichzeitig elektronisch unterschrieben werden. Alle eAUs eines Tages lassen sich zum Beispiel sammeln und dann in einem einzigen Vorgang unterschreiben.
eAU: Was für die Umstellung nötig ist
Folgende technischen Voraussetzungen werden für die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung benötigt:
- Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) – die Datenautobahn des Gesundheitswesens;
- e-Health-Konnektor: ein leistungsstarker sicherer Router, der die Verbindung zur TI herstellt. Für die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die Komfortsignatur sind entsprechende Updates notwendig;
- eHBA: der elektronische Heilberufsausweis ist Voraussetzung für die Autorisierung beim Zugang zu zahlreichen digitalen Gesundheitsanwendungen, auch für die digitale Signatur;
- PVS-Update: das Praxisverwaltungssystem muss eAU-fähig sein. Dafür sind ggf. Updates erforderlich;
- KIM-Dienst: ein Dienst für sicheren medizinischen Datenversand ist für die Datenübermittlung zwingend.
Diese und weitere Hinweise zur Umstellung auf die Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bietet die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Für Ärztinnen und Ärzte gilt: wer die technischen Voraussetzungen noch nicht erfüllt, sollte die nötigen Umstellungen jetzt dringend angehen.
Übrigens: das Verfahren der Elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung betrifft nur Arbeitnehmer, die Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse sind. Bei privatversicherten Arbeitnehmern bleibt es bis auf weiteres bei der bisherigen Verfahrensweise. Jährlich werden in Deutschland etwa 77 Mio. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt. Bei einem Verhältnis von beitragspflichtigen GKV-Versicherten zu Privatversicherten von ungefähr 6,5 : 1 dürften rund zehn Mio. Bescheinigungen auf Arbeitnehmer und Beamte in der PKV entfallen.