
Über viele Jahre kam die Digitalisierung im Gesundheitswesen im Schneckentempo voran. Vorhaben wie die elektronische Gesundheitskarte oder die elektronische Patientenakte blieben im Sumpf gegensätzlicher Interessen, unterschiedlicher Systeme und komplexer zu lösender Aufgaben stecken. Dann kam Corona und verlieh der Digitalisierung einen ungeahnten Schub.
Einer der Bereiche, in denen man sich schon vor Corona intensiver mit Digitalisierung befasst hat, ist die Dermatologie. In der Medizin der Hauterkrankungen bietet die neue Technik vor allem – aber nicht nur – im Zusammenhang mit Diagnostik und Therapien interessante Anwendungsmöglichkeiten. Grund genug für die einschlägigen dermatologischen Verbände und Organisationen, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen.
Dermatologen-Verbände wollen Digitalisierung vorantreiben
In der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) – der wissenschaftlichen Fachgesellschaft für Dermatologie in Deutschland – befasst sich seit vergangenem Jahr ein eigener Arbeitskreis „Digitale Dermatologie“ mit den vielen Facetten der Digitalisierung in diesem Fachbereich. Er will Interessierte an neuen Technologien in der Dermatologie systematisch vernetzen und das Thema möglichst von allen Seiten beleuchten.
Auch der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) ist nicht untätig geblieben. Für den Verband ist die Dermatologie mit ihrer stark visuellen Ausrichtung, dem hohen Anteil an chronischen Krankheiten und den typischen langen Wartezeiten in Arztpraxen besonders für digital ermöglichte Verbesserungen prädestiniert – zum Vorteil der Patienten und zur Entlastung der Ärzte. Digitale Anwendungen können noch treffsichere Diagnosen ermöglichen, Behandlungen unterstützen und Behandlungsprozesse schlanker und effizienter machen.
Handlungsempfehlung vom Hautarzt via Internet
Schon 2018 hat der BVDD zusammen mit der DDG und dem „Competenzzentrum Versorgungsforschung in der Dermatologie“ (CVderm) eine Leitlinie „Praxis der Teledermatologie“ vorgelegt. 2019 startete der Verband die eigene Plattform onlinedoctor.de und ist damit Vorreiter im medizinischen Bereich überhaupt gewesen. Über diese Plattform können sich Patienten mit einem Hautproblem oder einer Auffälligkeit eine erste Einschätzung von einem anerkannten Hautarzt und eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen abholen. Im vergangenen Jahr wurde überdies eine eigene Online-Seminarreihe für Dermatologen zwecks telemedizinischer Angebote eingerichtet. Damit sollte auch ein Anreiz gegeben werden, sich der Telemedizin zu nähern.
Pandemie-Erfahrung bewirkt Umdenken zugunsten der Digitalisierung
Die Telemedizin – die Behandlung von Patienten mit eingebauten Videosprechstunden im Behandlungsprozess – ist ein Feld mit Zukunft. Bei vielen Dermatologen bestehen allerdings nach wie vor Vorbehalte gegenüber telemedizinischen Angeboten. Den Patienten „live“ vor sich zu sehen, wird vielfach immer noch als das zielführendere Verfahren angesehen. Nur ein geringerer Prozentsatz der Hautärzte besteht aus „Digital Natives“. Aber die Einstellung beginnt sich zu ändern, die Skepsis weicht. Nicht zuletzt hat die Pandemie-Erfahrung hier zu einem Umdenken geführt.
In einer kürzlich durchgeführten BVDD-Umfrage unter 3.500 Verbandsmitgliedern zeigten sich 38,8 Prozent der Teilnehmer aufgeschlossen gegenüber telemedizinischen Angeboten – viermal so viel wie vor dem Corona-Ausbruch, allerdings vorerst weiterhin eine Minderheit. Möglichkeiten gibt es mittlerweile genug. Es gibt bereits verschiedene Lösungen am Markt – mit partiell etwas anderen Konzepten. Allen ist gemeinsam, dass zumindest Teile des Arzt-Patienten-Kontaktes digital stattfinden. Es geht dabei nicht darum, die persönliche Inaugenscheinnahme und Behandlung von Patienten zu ersetzen, sondern sinnvoll zu ergänzen.
Viele Optimierungspotentiale im laufenden Praxisbetrieb
Aber auch im normalen Praxisbetrieb werden viele Digitalisierungsmöglichkeiten noch nicht genutzt. Der Computer ist zwar Standard, aber noch immer erfolgt die Kommunikation häufig papiergestützt oder per Fax. Das gilt auch für Rezepterstellung, immerhin kommt zur Jahresmitte das e-Rezept. Es liegt oft nicht an fehlenden digitalen Angeboten, sondern wohl eher an mangelnder Zeit und auch an fehlender Übersicht, sich zielführend mit der konsequenten Digitalisierung der Betriebsabläufe zu befassen. Ein Problem, dass nicht nur Dermatologen haben. Dabei bietet gerade die Digitalisierung vielfältige Möglichkeiten zur Prozessoptimierung. Die Vorteile liegen auf der Hand: mehr Transparenz, schnellere Bearbeitung, geringere Kosten und effizientere Organisation.
Erst am Anfang der Entwicklung
Digitalisierung ist in der Dermatologie vielfach noch Zukunftsmusik, häufig aber auch schon Wirklichkeit. Bereits heute finden im Praxisalltag vielfach digitale Lösungen Einsatz. So übernehmen zunehmend Smartphones die Bilddokumentation anstelle von Digitalkameras – schlicht, weil sie einfacher und schneller zu handhaben sind. Auswertungen von Bildbefunden finden schon jetzt mit Hilfe von KI-Systemen statt, die große Datensätze intelligent analysieren und bewerten können. Big Data-Anwendungen, Augmented Reality (AR) – erweiterte Realität mit digitalen Zusatzinfos zu realen Bildern – und künstliche Intelligenz werden noch viele weitere Möglichkeiten eröffnen. Die Digitalisierung in der Dermatologie ist nicht zu Ende, sie hat gerade begonnen.