
Aktuell besteht deutschlandweit keine Pflicht zur Corona-Impfung. Die Impfzahlen stagnieren allerdings weltweit. Deshalb sieht sich manch ein Unternehmen in der Pflicht, ihren Teil zur Infektionseindämmung beizutragen und vor allem einer innerbetrieblichen Ausbreitung vorzubeugen, indem ausschließlich geimpfte Mitarbeiter beschäftigt werden. Auch in Arztpraxen ist dies ein Thema. Doch was sagt hier das Arbeitsrecht? Dürfen Ärztinnen und Ärzte die Covid-19-Impfung von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlangen, zur Bedingung für eine Beschäftigung machen oder sogar impfunwillige Angestellte kündigen? Experten geben die Antworten.
Corona-Impfung für Arztpraxen
Wie in jedem anderen Unternehmen, stellen ungeimpfte Mitarbeiter ein hohes Infektionsrisiko dar. Doch in Arztpraxen mit Patienten-Verkehr ist diese Gefahr von besonderem Umfang. Täglich treffen die Mitarbeiter auf erkrankte Menschen, unter denen sich auch immungeschwächte Personen befinden können. Ein direkter Kontakt mit eventuell infiziertem Personal, ist für eine Ansteckung nicht zwingend erforderlich. In den geschlossenen Räumen einer Arztpraxis ist die Chance einer Ansteckung durch Aerosole in der Luft in jedem Raum hoch, wo sich Infizierte zuvor aufhielten.
Kein Impfzwang für MFA
Während in den USA unzählige Unternehmen auf die Corona-Impfungen ihrer Mitarbeiter bestehen und in Frankreich bereits die Impfpflicht für medizinisches Personal gesetzlich verankert ist, hält man sich in Deutschland (noch) zurück. Zum Schutz des Praxisteams und der Patienten bleibt Ärzten und Ärztinnen ohne gesetzliche Regelungen zurzeit nur, die Mitarbeiter von der Wichtigkeit dieser Impfung zu überzeugen. Weil sich die meisten medizinischen Mitarbeiter ihrer Verantwortung bewusst sind, ist die Mehrheit geimpft. Diejenigen, die einer Corona-Impfung weiterhin negativ gegenüberstehen, können nicht dazu gezwungen werden. Allerdings sind Arbeitgeber befugt, im Interesse der Kollegen und Patienten zu handeln und für ungeimpfte Mitarbeiter Tätigkeitsbereiche einzuschränken.
Arbeitsrechtliche Grundlagen Corona-Impfung
Was das Arbeitsrecht zur Corona-Impfung für medizinisches Praxispersonal sagt:
Ärztliche Weisungsbefugnis
Das Arbeitsrecht erlaubt Ärztinnen und Ärzten, ungeimpften Mitarbeitern, von denen ein erhöhtes gesundheitliches Risiko ausgeht, in ihrem Tätigkeitsfeld und Patienten-Umgang einzuschränken. Das gilt insbesondere für den direkten Kontakt mit besonders gefährdeten Kollegen und Patienten. Das heißt: verweigert eine MFA die Impfung und sie ist beispielsweise für die Blutentnahmen zuständig, reicht der fehlende Impfschutz aus, um die Mitarbeiterin innerhalb der Praxis zu „versetzen“. Ist vielleicht eine schwangere Kollegin im Team, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen darf, können Arbeitgeber ungeimpfte Mitarbeiter Tätigkeiten zuteilen, die eine ausreichende Distanz zur besonders gefährdeten Mitarbeiterin gewährleistet.
Einschränkung von Tätigkeiten
Sollte medizinisches Praxispersonal aufgrund fehlenden Impfschutzes und folglich erhöhtem Infektionsrisiko verschiedene Tätigkeiten nicht mehr ausführen können/dürfen, führt dies häufig zu einer eingeschränkten Arbeitsleistung. Das Personal ist allerdings dazu verpflichtet und in der Regel vertraglich angehalten, während der vereinbarten Arbeitszeit volle Arbeitsleistung zu erbringen. Zu einem wesentlichen Problem kann dies werden, wenn es sich um eine Fachrichtung handelt, die hauptsächlich Risikopatienten behandelt, wie das beispielsweise in der Onkologie oder Pulmologie der Fall ist.
Kann ein(e) ungeimpfte(r) Mitarbeiter(in) nicht isoliert von Patienten der Tätigkeit nachgehen und/oder es gibt keinen passenden Arbeitsplatz, wird er/sie automatisch „arbeitsunfähig“. Das berechtigt Arbeitgeber zur entgeltlosen Freistellung. Unter Umständen kann dies auch eine Kündigung rechtfertigen, wie sie bereits durch verschiedene Arbeitsgerichte bezüglich Weigerung des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes bestätigt wurden.
Streitpunkt: körperliche Unversehrtheit
Eine Corona-Impfung greift in das Recht der körperlichen Unversehrtheit ein. Deshalb ist die Impfpflicht auch bei medizinischem Personal bisher nicht ausgesprochen. Aufgrund der „Begleitumstände“ insbesondere in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Arztpraxen führt dies zunehmend häufiger zu Rechtsstreitigkeiten. Eine eindeutige Rechtslage gibt es bisher nicht, sodass selbst Juristen keine verbindlichen Antworten auf Rechtsfragen diesbezüglich geben können. Derzeit liegt es im Ermessen der Gerichte, die nach Einzelfall entscheiden. Bis es eine einheitliche Regelung gibt, werden vermutlich noch Jahre vergehen.
Entgeltfortzahlung bei Covid-19-Erkrankung
Erkrankt ein Mitarbeiter ohne eigenes Verschulden, ist diesem für einen bestimmten Zeitraum Entgelt zu zahlen. Erkrankt ein ungeimpfter Mitarbeiter an Covid-19, könnte diesem ein „grober Verstoß“ und damit Selbstverschulden vorgeworfen werden. Rechtlich hat dies aber kaum Bestand, sodass Arbeitgeber und Krankenkassen Entgeltfortzahlungen und Krankengelder in der Regel zu leisten haben.
Auskunftspflicht
Bei der Statusabfrage einer Corona-Impfung verhält es sich theoretisch wie bei einer Schwangerschaft: es darf danach nicht gefragt beziehungsweise muss nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden. Allerdings verhält es sich bei vielen Praxen anders, wenn rechtliche Gründe ausschließlich geimpfte Mitarbeiter für bestimmte Tätigkeiten erfordern. In dem Fall hat medizinisches Personal wahrheitsgemäß Auskunft zu erteilen. Falsche oder verweigerte Angaben können laut Arbeitsrecht zur unbezahlten Freistellung oder Kündigung führen. Ob ein Auskunftsrecht besteht, hängt vom Einzelfall ab. Grundsätzlich sehen dies Juristen allerdings als erforderliche Präventivmaßnahmen zur Vermeidung von Infektionsübertragungen innerhalb einer jeden Arztpraxis.
Finanzieller Impf-Anreiz
Ärzte und Ärztinnen erlaubt das Arbeitsrecht, die Impfbereitschaft von Mitarbeitern durch finanzielle „Belohnungen“ zu fördern. Hierbei erhalten Mitarbeiter eine Art Bonus-Zahlung, wenn sie sich impfen lassen. Wichtig ist, dass die Höhe der Summe Mitarbeiter nicht massiv unter Druck setzt, sodass sie kaum ablehnen können. Eine Druckausübung ist in jedem Fall unzulässig. Zudem ist der finanzielle Anreiz aufgrund der Gleichberechtigung jedem ungeimpften Mitarbeiter anzubieten.
Corona-Impfung als Einstellungsvoraussetzung
Weil in der Regel erkrankte Patienten in einer Praxis zu erwarten sind, sind diese vielfach auch besonders gefährdet. Grundsätzlich erlaubt das Arbeitsrecht eine Covid-19-Impfung als Einstellungsvoraussetzung, wenn der Hauptteil der Patienten stark immungeschwächt ist, wie beispielsweise in einer Dialysepraxis. Aber auch beim Allgemeinmediziner ist ein ungeimpfter Mitarbeiter nicht zwingend zu tolerieren, weil auch hier der Schutz kranker Patienten in der Verantwortung der Ärztinnen und Ärzte liegt.