Cannabis wurde hierzulande für medizinische Zwecke lange nicht anerkannt. 2009 durfte es in Ausnahmefällen aus dem Nachbarland, den Niederlanden, bezogen werden. Seit 2017 ist auch in Deutschland keine Ausnahmegenehmigung mehr erforderlich. Das Bundessozialgericht hat die Voraussetzungen, dass Medizincannabis auf Kassenrezept vertragsärztlich verordnet werden darf, präzisiert. Doch bei welchen Erkrankungen ist eine Verschreibung möglich? Was gibt es sonst noch zu beachten? Der folgende Ratgeber beantwortet diese Fragen umfassend und erläutert alles Wissenswerte.
Cannabis – die Krankenkassen entscheiden
Die Verordnung von Cannabis unterliegt gemäß Sozialgesetzbuch V einer Genehmigung durch die Krankenkassen. Sie dürfen, wenn schwere Krankheiten vorliegen, die Verordnung nur dann genehmigen, wenn Haus- oder Facharzt/-ärztin eine sehr sorgfältige Einschätzung geliefert hat. Der Senat des Bundessozialgerichts hat vier Urteile herausgebracht und darin genau festgehalten, in welchem Fall eine schwere Erkrankung anzunehmen ist und was weitere Voraussetzungen sind. Beim Erfüllen überprüft die Krankenkasse, ob der Antrag plausibel ist. Sie kann, um die Entscheidung zu erleichtern, den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) einschalten, doch das ist nicht vorgeschrieben. Er bewertet den medizinischen Sachverhalt und gibt anhand dessen eine Empfehlung ab. Die letztendliche Entscheidung trifft die Krankenkasse. Wurde der Antrag bewilligt, kann der Arzt/die Ärztin das Arzneimittel auf Kassenrezept verordnen. Eine Ablehnung der Leistung ist lediglich in begründeten Ausnahmefällen möglich und die Genehmigung im Vorfeld zu erteilen.
Genaue Voraussetzungen
Die Anforderungen sind hoch. Dass der/die Mediziner/in die Cannabistherapie für sinnvoll hält, genügt nicht für eine Genehmigung. Die Voraussetzungen sind, dass der Arzt/die Ärztin den Antrag ausführlich begründen wird und zur Verfügung stehende Standardbehandlungen keine ausreichende Wirksamkeit erzielt haben. Vielleicht kann man sie auch nicht anwenden oder der/die Patient/in verträgt sie nicht. Die zu erwartenden Nebenwirkungen muss man ebenso berücksichtigen wie die Aussicht auf eine positive Einwirkung in Bezug auf den Krankheitsverlauf oder schwere Symptome besteht. Der Arzt/die Ärztin muss den Krankheitszustand und -verlauf genau dokumentieren, Behandlungsalternativen erörtern sowie die Erfolgsraten und Risiken abwägen.
Cannabis – bei welchen Erkrankungen dürfen Ärzte/-innen es verschreiben?
Im Jahr 2017 hat der Gesetzgeber entschieden, dass die Wirkung für verschiedene Patienten/-innen mit bestimmten Krankheiten gesundheitliche Vorteile haben könnte. Im Zuge dessen wurde Medizinalcannabis im Rahmen medizinischer Notwendigkeit leichter verfügbar gemacht. Dies gilt für:
- Getrocknete Cannabisblüten und -extrakte
- Medikamente mit den beiden Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon (Cannabinoide)
- Hanfextrakte, wie CBD-Öl
Zugleich umfasste die Regelung nicht nur die Möglichkeit einer Einlösung per Rezept in begründeten Fällen, sondern auch, bei den Krankenkassen einen Antrag auf Kostenübernahme zu stellen. Doch nur schwerkranke Patienten/-innen dürfen sich Cannabisprodukte auf Rezept verschreiben lassen. Eine Erkrankung wird als schwerwiegend beschrieben, wenn sie lebensbedrohlich ist und/oder die Lebensqualität nachhaltig negativ beeinflusst. Welche genau in dem Bereich fallen, kann nicht so einfach pauschalisiert werden. Die in verschiedenen Listen genannt werden, dienen lediglich der Orientierung. Es gibt keinen Ausschlusskatalog.
Infrage kommen zum Beispiel:
- Chronische Schmerzen
- Tumore
- Spastik
- Magersucht
- Multiple Sklerose
- Tourette-Syndrom
- ADHS
- Arthrose
- HIV-Infektion
- Asthma
- Cluster-Kopfschmerzen
- Migräne
- Chronisches Wirbelsäulensyndrom
- Morbus Crohn
- Colitis ulcerosa
- Epilepsie
- Depressive Störungen
- Neurodermitis
- Erbrechen und Übelkeit bei einer Chemotherapie aufgrund einer Krebsbehandlung
Da viele Krankheiten in unterschiedlichen Stadien verlaufen und verschieden stark ausgeprägt sind, muss die Entscheidung, ob sie schwerwiegend sind, immer anhand der individuellen Situation beantwortet werden.
Breites therapeutisches Spektrum
Die Cannabistherapie kommt für viele noch nicht infrage. Wie dies zukünftig aussehen wird, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich hat Medizinalcannabis ein breites therapeutisches Spektrum.
Der Antrag auf Kostenübernahme umfasst:
- Schriftlicher formloser Antrag, den Patienten/-innen stellen
- Arztfragebogen, den die behandelnde Ärzte/-innen ausfüllen
Der/die Patient/in beantragt hierfür vor dem Beginn der Verordnung unter Zuhilfenahme der Stellungnahme des/-r Arztes/Ärztin in der Form eines Fragebogens bei der Krankenkasse die Genehmigung einer Kostenübernahme. Die Einschätzung muss man begründen und auf folgendes eingehen:
- Krankheitszustand mit vorhandenen Funktions- und Fähigkeitseinschränkungen entsprechend der Untersuchung(en) der Patienten/-innen
- Möglich sind Befunde anderer Ärzte/-innen zur Bekräftigung
- Darstellung der Erkrankung, Symptome und des angestrebten Therapieziels
- Angewandte Standardbehandlungen
- Behandlungsoptionen wurden ausgeschöpft
- Aussicht auf spürbare positive Einwirkung auf Krankheitsverlauf oder schwerwiegende Symptome
Frist der Krankenkassen für eine Zusage oder Ablehnung der Cannabis-Verordnung
Wird Medizinalcannabis im Rahmen einer spezialisierten ambulanten Palliativversorgung verordnet, sind die Krankenkassen dazu verpflichtet, über den gestellten Antrag innerhalb von maximal drei Tagen zu entscheiden, während die Frist in anderen Fällen drei Wochen beträgt. Ist eine gutachterliche Stellungnahme nötig, verlängert sie sich auf fünf Wochen. Die Genehmigung muss nur vor der erstmaligen Verordnung eingeholt werden. Erneut ist dies lediglich notwendig, wenn die Mediziner/innen die Dosierung des genehmigten Arzneimittels anpassen oder zu einem anderen wechseln möchte.
Fazit
Seit dem Jahr 2017 haben Patienten/-innen mit einer schwerwiegenden Erkrankung unter bestimmten Voraussetzungen zu medizinischen Zwecken und der Erwartung einer positiven Prognose darauf Anspruch, von ihrem/-r Arzt/Ärztin Cannabis verordnet zu bekommen. Das Sozialgesetzbuch regelt dies. Sind die Voraussetzungen erfüllt, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Cannabistherapie. Vor Behandlungsbeginn stellt man einen Antrag auf Genehmigung. Eine Ablehnung darf lediglich in begründeten Ausnahmefällen erfolgen. Das Gesetz benennt diese nicht konkret, sodass die Formulierung viel Spielraum bei der Auslegung lässt und individuell entschieden wird. Die Genehmigung oder Ablehnung liegt daher zu weiten Teilen im aussagekräftigen Antrag und dem Ermessen der Krankenkasse.