
Auch wenn die Anzahl der Ärzte in Deutschland seit Jahren wächst: Die Sorge um einen weiter steigenden Ärztemangel scheint begründet. Denn der Anstieg auf zuletzt 392.402 Ärzte im Jahr 2018 reicht nicht aus, um den steigenden Bedarf zu decken. Einer der Gründe dafür liegt nach Auffassung des Marburger Bundes darin, dass die Mediziner einen beträchtlichen Anteil ihrer Arbeitszeit in Bürokratie investieren müssen. Nicht nur in den Kliniken sorgt diese Entwicklung für Engpässe.
Mehr als 4 Stunden Verwaltungstätigkeit täglich
Insgesamt 6500 Mitglieder des Marburger Bundes wurden befragt – mit teils erschreckenden Ergebnissen: Mit 49 % gab knapp die Hälfte der Umfrageteilnehmer an, dass sie sich häufig überlastet fühlen würde. 74 % der Ärztinnen und Ärzte waren sogar der Meinung, dass die Arbeitszeiten ihrer Gesundheit Schaden zufügen würden.
Als besonders gravierend wurde auch die Tatsache empfunden, dass der Zeitaufwand für bürokratische Belange mittlerweile ein hohes Niveau erreicht hat. 60 % der im Krankenhaus tätigen Ärzte verbringen mindestens 3 Stunden am Tag mit der Verwaltung ihrer eigenen Arbeit, 35 % veranschlagen sogar 4 Stunden täglich für Verwaltungstätigkeiten. Zum Vergleich: 2013 wurde bereits dieselbe Umfrage vom Marburger Bund durchgeführt; hier waren nur 8 % der Klinikärzte der Meinung, 4 Stunden täglich in die Bürokratie zu investieren.
Vorsitzende des Marburger Bundes spricht von Skandal
Die Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Susanne Johna, hält es schlichtweg für einen Skandal, dass Dokumentation und Datenerfassung einen beträchtlichen Anteil der ärztlichen Arbeitskraft binden würden. Sie geht davon aus, dass sich die Patientenversorgung erheblich verbessern könnte, wenn nur die Hälfte der Verwaltungstätigkeit eingespart werden würde – und fordert entsprechend drastische Maßnahmen: eine “Generalinventur” zur Identifizierung von unnötigen Vorgaben sei Johna zufolge notwendig, damit diese sofort ersatzlos gestrichen werden könnten. Die Politik sei der Vorsitzenden zufolge verantwortlich dafür, dass die Krankenkassen gebremst werden. Dr. Johnas Auffassung nach seien sie die Hauptverursacher für die starke Regulierung.
Bürokratieabbau könnte deutliches Ärzteplus bringen
Doch in welchem Maße würde die Ärztekapazität steigen, wenn die Bürokratie halbiert werden könnte? Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) kennt die Antwort: Seiner Berechnung nach würde eine Halbierung der aktuell ca. 3 Stunden Verwaltungstätigkeit täglich dazu führen, dass Deutschland die Arbeitskraft von 3750 Ärzten in Vollzeit mehr zur Verfügung hätte.
Neben der Bürokratie gibt es noch andere künstliche Verknappung in der Arbeitskapazität, die Baum für vermeidbar hält: In einzelnen Leistungsbereichen gebe es immer mehr Personalvorgaben, zudem würde der telefonische Bereitschaftsdienst eingeschränkt werden. Durch die dadurch resultierende Ausweitung der Anwesenheiten kommen die Ärzte und Ärztinnen weiter in Bedrängnis. Auch Baum bennent einen klaren Verantwortlichen – den Gesetzgeber.