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Hitzewellen und warme Winter, Fluten und Dürren, Starkregen und Stürme – die Klimakrise hat klare Auswirkungen auf die Umwelt und damit auf uns Menschen. Dieses Phänomen betrifft uns jedoch auch gesundheitlich: Eine wissenschaftliche Analyse der Krankheitsdaten von zehn Millionen Versicherten der BKK-Nordwest zwischen 2010 und 2019, die am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und dem Helmholtz-Zentrum Hereon/GERICS durchgeführt wurde, beweist einen signifikanten Anstieg klimasensibler Erkrankungen. Diese BKK-Studie ist insofern einzigartig, da sie einen sehr großen Teil der deutschen Bevölkerung erfasst und einen wichtigen Schritt zum Verständnis der Klimaauswirkungen darstellt.
Fest steht: Die Zahl klimasensibler Erkrankungen steigen drastisch an, teilweise um bis zu 50 Prozent. Insbesondere für die jüngeren und älteren Generationen stellen diese Erkrankungen ein gesundheitliches Risiko dar.
Erkrankungen steigen drastisch an
In der Studie wurden Krankheiten untersucht, die einen klaren Bezug zu klimatischen Veränderungen haben, z.B. akute Krankheiten wie Hitzekollaps, Hitzeerschöpfung, Dehydierung oder Hitzschlag, aber auch mittelbare Erkrankungen wie Heuschnupfen und das dadurch bedingte Pollenasthma oder die sogenannte Lymen-Borreliose, die durch die Ausbreitung von Zecken übertragen wird. Im Zeitraum von 2010 bis 2019 wurde ein teilweise sehr deutlicher Anstieg der Zahl dieser Erkrankungen bei mehr als zehn Millionen BKK-Versicherten bundesweit verzeichnet.
Hitzschlag und Dehydrierung
Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern sowie Menschen über 75 Jahren enden Hitzewellen überdurchschnittlich häufig mit einer Krankenhaus-Einweisung. Von 100.000 Versicherten erlitten im Bundesschnitt zwischen April und September 2019 fast dreimal so viele hitzebedingte Erkrankungen wie 2011: insgesamt 120. Jeder Behandlungsfall wegen Dehydrierung oder Hitzschlag kostete die Kasse im Schnitt 6.512 Euro.
Ebenso nahmen die Klinikeinweisungen dehydrierter Menschen deutlich zu: In NRW waren es im Rekordsommer 2018 insgesamt 1.064 Einweisungen je 100.000 Versicherten. Matthias Augustin vom Institut für Versorgungsforschung (IVDP) am UKE deutet dies so: „Die Auswertung zeigt das Ausmaß und dass wir viel näher an den negativen Folgen der Klimakrise dran sind, als viele glauben.“
Heuschnupfen und Lymen-Borreliose
Auch beim Heuschnupfen steigen die Erkrankungszahlen drastisch an, denn durch die ungewöhnlich milden Winter verlängert sich die Pollen-Saison und damit die Dauer und die Schwere der Symptomverläufe. Gesundheitsökonom und Dermatologe Matthias Augustin vom Uniklinikum Hamburg Eppendorf weist außerdem auf die angestiegene Gefahr für Pollenallergiker hin, durch die wachsende Pollenmenge zusätzlich Asthma zu entwickeln.
Beim Heuschnupfen ist die Anzahl der Betroffenen aufgrund der wärmeren Temperaturen zwar „nur“ um 12 Prozent gestiegen, wird aber durch eine Co-Erkrankung multipliziert. Die Verbreitung der sogenannten Lymen-Borreliose – eine Erkrankung, die durch Bakterien im Speichel von Zecken übertragen wird – wird durch warme Winter erleichtert. Ihre Infizierten-Zahl stieg bundesweit um 36 Prozent an.
Hautkrebs ist die „neue Volkskrankheit“
Am deutlichsten ist der Anstieg der Erkrankungszahlen beim Hautkrebs: 78 Prozent mehr BKK-Versicherte als 2011 mussten ambulant eingewiesen werden. Klimaforscher Laurens Bouwer vom Helmholtz-Zentrum Hereon nennt als multiplizierende Faktoren zur Klimakrise Verhalten und Lebensweise, denn bei sommerlichen Temperaturen würde man z.B. weniger Kleidung tragen, was etwa Hautkrebs begünstige und Zeckenbisse erleichtere.
BKK-Daten zufolge stieg die Zahl der stationär und ambulant behandelten Hautkrebsfälle in den vergangenen zehn Jahren auf insgesamt 6.730 Patienten je 100.000 Versicherten an, weshalb der BKK Landesverband sogar schon von einer „neuen Volkskrankheit“ spricht. Diese Zahlen beziehen sich sowohl auf weißen wie auch schwarzen Hautkrebs.
Von der Klimakrise besonders betroffene Berufsgruppen
Die Studie untersuchte auch die Anzahl der Tage, an denen sich Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer berufsunfähig meldeten. Die Auswertung zeigt beinahe eine Verdreifachung der Krankheitstage in den vergangenen zehn Jahren mit extrem hohen Krankheitszahlen während der Rekordhitze im Sommer 2018. Naturgemäß sind manche Berufsgruppen besonders betroffen, wie etwa draußen Arbeitende (z.B. Gärtner, Spargelstecher etc.), stehend Tätige (z.B. Friseure, Verkaufskräfte etc.) und laufend Tätige (z.B. Postler, Krankenpflegekräfte etc.).
BKK-Nordwest-Vorstand Dirk Janssen rät daher dazu, dass man vor allem in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen – auch baulich – stärker auf diese klimatischen Veränderungen achtet. Klimaanlagen, verdunkelbare Fenster, eine der Südseite abgewandte Fenster- und Veranda-Ausrichtung, Windschneisen und Grünflächen können helfen, den gesundheitlichen Folgen der Klimakrise zu begegnen.
Klimakrise: Ernstes Fazit der BKK-Studie
BKK-Landesverbandschef Dirk Janssen zieht insgesamt ein eher entmutigendes Fazit aus der Studie: „Die schleichenden Auswirkungen des Anstiegs der Durchschnittstemperaturen blieben bisher oft außerhalb der Wahrnehmung. Die Studie zeigte, dass klimasensible Erkrankungen in den letzten zehn Jahren hier und jetzt in Deutschland teilweise drastisch angestiegen sind.“
Die Gesundheitsökonomie fordert daher mehr Prävention bei klimasensiblen Krankheiten und die Klimafolgen-Prävention müsse zum Überlebensprinzip werden. Dies kann jedoch nicht allein Aufgabe des Gesundheitswesens sein, denn ohne grundlegende Veränderungen in der Klimapolitik kann kein Gesundheitsprogramm wirken.