
Jahr um Jahr verbringen immer mehr Menschen längere Zeit vor einem Bildschirm. War bis vor einigen Jahren die Bildschirmzeit vor allem auf die Arbeitszeit beschränkt hat der Siegeszug des Smartphones die mobile Unterhaltung per Bildschirm in alle Lebensbereiche gebracht. Nicht nur Erwachsene sondern auch Kinder nutzen in immer höherem Maße Angebote auf dem Bildschirm. Dass sich dadurch nicht nur Nachteile für die Entwicklung, sondern auch für Autismus-Symptome bei den Kleinsten ergeben, zeigt eine neue Studie im Detail.
Was ist Autismus?
Erst seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts ist der Autismus als Störungsbild im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen. Tatsächlich beschrieben ist diese Erkrankung allerdings schon seit dem Jahr 1911. Wo früher von einem einzelnen Erkrankungsbild die Rede war, wird heute von einer Spektrum-Störung gesprochen, da die einzelnen Ausprägungen von Betroffenem zu Betroffenem sehr unterschiedlich hinsichtlich ihres Schweregrads ausfallen können.
Kennzeichnend für die Autismus-Spektrum-Störung ist ein Symptombeginn vor dem dritten Lebensjahr. Für eine gesicherte Diagnose müssen in einem der folgenden drei Bereiche Probleme auftreten: Zum einen werden Probleme im sozialen Umgang sichtbar. Dabei steht vor allem der wechselseitige Austausch mit Bezugspersonen, aber auch das Verständnis sowie der Aufbau von Beziehungen im Fokus. Zum anderen ergeben sich Auffälligkeiten in der Kommunikation. Nonverbale Signale, wie beispielsweise die Körpersprache oder der Blickkontakt, aber auch die sprachliche Kommunikation zeigt Auffälligkeiten. Als drittes Merkmal gilt das eingeschränkte Interesse des Betroffenen, das in manchen Fällen durch sich wiederholende Verhaltensweisen ergänzt.
Wo früher noch von verschiedenen Diagnosekriterien für unterschiedliche Subtypen die Rede war, wird in aktuellen Diagnosestellungen oftmals nicht mehr zwischen verschiedenen Formen des Autismus unterschieden, da es sich um eine Spektrum-Störung handelt.
Autismus bei Kleinkindern
Weil das Entwicklungstempo bei Kleinkindern sehr unterschiedlich sein kann, ist es nicht immer einfach, eine Autismus-Spektrum-Störung schnell und sicher zu diagnostizieren. Viele Eltern stellen fest, dass ihr Kleinkind sich anders verhält als Gleichaltrige. Als typisch für Kleinkinder, die von Autismus betroffen sind, gelten Schwierigkeiten im Bereich der sozialen Interaktion, aber auch Kommunikationsprobleme. Nicht wenige Eltern eines Kleinkinds erhalten zunächst die Diagnose einer Entwicklungsverzögerung oder Sprachverzögerung. In der Regel dauert es einige Jahre, bis die korrekte Diagnose gestellt wird und das Kind gezielte Behandlung erhält. Zu den weiteren Aspekten, die Eltern für auffällig halten, sind die bereits bei Kleinkindern ausgeprägten intensiven Spezialinteressen. Nicht wenige autistische Kleinkinder leiden auch unter Schlafstörungen. Aber auch eine abweichende Wahrnehmungsverarbeitung kann problematisch werden, etwa dann, wenn bereits der Alltag zu Überreizungen der Wahrnehmung beim Kleinkind führt.
Multifaktorielle Ursachen für Autismus-Spektrum-Störung
Eine Störung, die so umfassend das Leben beeinflusst, wie dies bei Autismus der Fall ist, lässt sich nur schwer auf eine oder wenige Ursachen zurückführen. Obwohl seit mehr als 100 Jahren nach den Entstehungsfaktoren geforscht wird, entziehen sich diese in ihrem ganzen Umfang der Wissenschaft.
Zahlreiche Theorien, wie beispielweise eine Funktionsuntüchtigkeit der Spiegelneuronen, gelten mittlerweile als widerlegt. Hochmoderne Genuntersuchungen konnten eine extrem hohe Komplexität beim Entstehungsgeschehen des Autismus-Spektrums feststellen. Eine genetische Komponente gilt heute als gesicherter Baustein für die Entstehung von Autismus-Spektrum-Störungen. Aber auch die Psychoanalyse versucht, die Ursachen der Autismus-Spektrum-Störung zu finden. Hier steht eine projektive Identifikation im Vordergrund, in deren Folge der Autismus als Abwehrmechanismus gesehen wird.
Entwicklung fördern ohne Bildschirmzeit
Nicht nur günstige genetische Faktoren auf ausgedehnte Bildschirmzeit kann dies offenbar die Entstehung von Autismus bei Kindern begünstigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Universität Philadelphia. Hier wurde der Konsum von sozialen und digitalen Medien bei Babys untersucht. Im Fokus stand die Zeitmenge, welche die Babys bis zum Alter von zwölf Monaten vor einem Bildschirm verbrachten. Dabei wurde nicht zwischen Fernseher, Tablet oder Smartphone unterschieden. Bei Untersuchung der mittlerweile zweijährigen Kinder zeigte sich, dass diese vier Prozent häufiger Symptome einer Autismus-Spektrum-Störung zeigten, als die gleichaltrige Kontrollgruppe, die wenig bis keine Zeit vor dem Bildschirm verbrachte. Kinder, deren Eltern höheren Wert auf gemeinsames Spielen legten, zeigten zu neu Prozent seltener Anzeichen einer Autismus-Spektrum-Störung.
Bildschirmzeit für die Kleinsten klar begrenzen
Bereits frühere Studien konnten belegen, dass eine direkte Interaktion zwischen Eltern und Kindern eine förderliche Wirkung auf die Entwicklung der Kleinsten besitzt. Auch, wenn diese aktuelle Studie lediglich auf die Begünstigung von Autismus-Symptomen hinweist, jedoch nicht auf die Ursache der Autismus-Spektrum-Störung, sollte das Ergebnis dennoch Anlass sein, den Konsum von Bildschirmmedien zu überdenken und ihn für Kinder unter dem Alter von 18 Monaten ganz zu unterlassen.