Der Gang zum Arzt – sei es bei Beschwerden, Krankheitssymptomen oder zur Vorsorge – ist für uns selbstverständlich. Kaum jemand denkt daran, dass mit der Behandlung auch eine Rechtsbeziehung zustande kommt. Jede einvernehmliche ärztliche Tätigkeit am Patienten beruht auf einem Behandlungsvertrag. Mehr Infos zu dieser besonderen Vertragsbeziehung und den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten für die Beteiligten bietet dieser Beitrag.
Was ist ein Behandlungsvertrag?
Dass bei ärztlichen Behandlungen ein Behandlungsvertrag vereinbart wird, ist keineswegs neu. Das war schon immer so. Es handelt sich typischerweise um einen mündlich bzw. durch schlüssiges Verhalten – juristisch: konkludentes Handeln – abgeschlossenen Vertrag. Vom Rechtscharakter her ist der ärztliche Behandlungsvertrag ein Dienstvertrag. Manchmal können auch Regelungen zum Werkvertrag mit hineinspielen: bei herzustellenden Werken im Rahmen von Behandlungen (zum Beispiel: Zahnspangen, Implantaten usw.).
Lange bestand kein spezielles “Behandlungsvertragsrecht”. Es galten die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Dienstvertrag. Das hat sich mit dem 2013 in Kraft getretenen “Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten” (Patientenrechtegesetz) geändert. Durch das Patientenrechtegesetz wurden im BGB spezielle Vorschriften zum Behandlungsvertrag eingefügt (§§ 630a bis 630h BGB), die die Rechte und Pflichten der Beteiligten konkreter fassen als im allgemeinen Dienstvertragsrecht.
§ 630a BGB charakterisiert den Behandlungsvertrag durch Beschreibung der vertragstypischen Pflichten für beide Seiten. Dort heißt es:
“(1) Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist.
(2) Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.”
Wie schon gesagt, Schriftliches wird beim Behandlungsvertrag üblicherweise nicht vereinbart. Das ist aber für die Gültigkeit oder Verbindlichkeit ohne Bedeutung. Im deutschen Zivilrecht gelten auch mündlich oder konkludent vereinbarte Verträge, sofern nicht die Schriftform ausdrücklich vorgeschrieben ist.
Wer sind die Vertragspartner beim Behandlungsvertrag?
Zwischen wem kommt der Behandlungsvertrag zustande? Diese Frage stellt sich, wenn mehr als zwei Parteien am Behandlungsprozess beteiligt sind. Das ist wichtig für die Klärung, wen Rechte und Pflichten betreffen. Nachfolgend beantworten wir die Frage für einige typische Behandlungskonstellationen:
- Behandlung durch Arzt in Arztpraxis: sind sich Arzt und Patient über die Behandlung einig, kommt zwischen beiden der Behandlungsvertrag zustande. Das gilt nicht nur bei Privatpatienten, sondern nach allgemeiner Rechtsauffassung auch bei Kassenpatienten – mit der Besonderheit, dass die Vergütungspflicht hier die Krankenkasse betrifft. Zwischen Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und (Vertrags-)Ärzten bestehen parallel dazu spezielle vertragsrechtliche Beziehungen.
- Behandlung durch einen angestellten Arzt oder die Urlaubsvertretung: auch in diesen beiden Fällen wird der Behandlungsvertrag zwischen Praxisinhaber und dem Patienten vereinbart. Angestellte Ärzte oder Urlaubsvertretungen sind nur “Ausführungsorgane”.
- Überweisung zu einem anderen Arzt: wird der Patient zu einem anderen Arzt überwiesen, kommt mit diesem ein neuer Behandlungsvertrag zustande. Ein mit dem ersten Arzt abgeschlossener Vertrag bleibt für dessen Behandlungszuständigkeit bestehen.
- Behandlung im Krankenhaus: hier gibt es rechtliche Besonderheiten, weil im Krankenhaus nicht nur Behandlung, sondern auch Unterkunft und Verpflegung sowie Pflegeleistungen geboten werden. Krankenhausverträge werden üblicherweise schriftlich vereinbart. Typisch ist der sogenannte totale Krankenhausaufnahmevertrag, dessen Bestandteil auch ein Behandlungsvertrag mit dem Krankenhausträger ist. Beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag vereinbaren Privatpatienten darüber hinaus ärztliche Zusatzleistungen. Für diese gilt ein besonderes Behandlungsverhältnis. Beim gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag kommt der Behandlungsvertrag dagegen separat mit einem Belegarzt zustande. Das Krankenhaus leistet im Krankenhausaufnahmevertrag nur Unterkunft, Verpflegung und Pflege.
Behandlungsvertrag bei Minderjährigen
Bei Minderjährigen gelten vertragsrechtlich ebenfalls einige Besonderheiten, da diese nicht (voll) geschäfts- und rechtsfähig sind:
- bei Kindern unter 7 Jahren wird der Behandlungsvertrag zwischen dem Arzt und den Erziehungsberechtigten (meist Eltern) vereinbart;
- über 7 Jahren und unter 15 Jahren können Minderjährige eigenständig Behandlungsverträge abschließen, benötigen aber die Zustimmung der Erziehungsberechtigten;
- gesetzlich versicherte Jugendliche dürfen ab 15 auch ohne ausdrückliche Zustimmung der Eltern eigenständig Behandlungen vereinbaren. Bei Privatversicherten ist bis zur Volljährigkeit weiterhin die Eltern-Zustimmung erforderlich.
Rechte und Pflichten für beide Seiten
Die grundlegenden Pflichten von Arzt und Patient laut Behandlungsvertrag sind bereits in § 630a BGB definiert: Der Arzt schuldet dem Patienten eine adäquate Behandlung nach “State-of-the-Art”, der Patient die vereinbarte Vergütung. Die Pflichten der einen Seite sind dabei gleichzeitig die Rechte der anderen. Bei Privatpatienten richtet sich der Vergütungsanspruch tatsächlich direkt an den Patienten, der dann mit seiner Versicherung abrechnet. Bei Kassenpatienten besteht ein – öffentlich-rechtlicher – Vergütungsanspruch gegen die zuständige Kassenärztliche Vereinigung, die wiederum mit den Krankenkassen Gesamtvergütungen im Rahmen von Kollektivverträgen vereinbart.
Grundlegende Verpflichtungen, die den Arzt aus dem Behandlungsvertrag betreffen, sind:
- die medizinische Behandlungspflicht;
- die Dokumentationspflicht;
- die Informations- und Aufklärungspflicht;
- das Einwilligungsgebot;
- die ärztliche Schweigepflicht.
Der Arzt muss bei seiner Behandlung grundsätzlich eine Verbesserung des Gesundheitszustands seines Patienten anstreben, zumindest eine Linderung von Beschwerden. Dazu hat er sich der üblichen Verfahren für Diagnostik, Indikation und Therapie zu bedienen. Eine (vollständige) Heilungsgarantie kann ein Arzt je nach Lage der Umstände natürlich nicht geben. Für niedergelassene Kassenärzte besteht aufgrund der Zulassung eine Behandlungspflicht im Zusammenhang mit der vertragsärztlichen Versorgung. Nur unter besonderen Umständen darf eine Behandlung abgelehnt werden. Privatärzte sind diesbezüglich freier.
Die ärztlichen Informationspflichten am Beginn einer Behandlung sind in § 630c Abs. 2 BGB geregelt. Sie betreffen auch die Information über Kosten, die die Krankenversicherung/-kasse möglicherweise nicht übernimmt (§ 630c Abs. 3 BGB). Bei medizinischen Maßnahmen, insbesondere bei körperlichen und gesundheitlichen Eingriffen, muss die Einwilligung des Patienten eingeholt werden (§ 630d BGB). Eine vollständige, umfassende und fundierte Aufklärung ist dafür Voraussetzung (§ 630e BGB).
Auch Patienten werden aus dem Behandlungsvertrag über die Vergütung hinaus verpflichtet. “Behandelnder und Patient sollen zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken.” (§ 630c Abs. 1 BGB). Das bedeutet, dass Patienten den Arzt zunächst in geeigneter Weise über alle für die Behandlung bedeutsamen Umstände ins Bild setzen müssen. Ärztliche Anweisungen im Zuge der Behandlung sind zu befolgen. Auch eine aktive Mitwirkung an der Behandlung gehört – soweit erforderlich – zu den Patientenpflichten.
Wie sieht es mit der ärztlichen Haftung aus?
Die Haftpflicht des Arztes resultiert aus Pflichtversäumnissen und Fehlern auf Grundlage des Behandlungsvertrages, aber auch aus der allgemeinen Schadensersatzpflicht bei unerlaubten Handlungen (§ 823 BGB). Die Beweislast bei Behandlungsfehlern trifft allerdings auch nach dem Patientenrechtegesetz meist den Patienten, nur bei groben Behandlungsfehlern kann sich die Beweislast umkehren. Das erschwert in der Praxis den Nachweis eines ärztlichen Fehlers erheblich. Bei Einwilligungserfordernissen und Aufklärungspflichten ist der Arzt in der Beweispflicht. Dokumentationsfehler lassen sich anhand der vorhandenen Dokumentation relativ einfach nachweisen. Im Haftungsfall ist der Arzt zum Schadensersatz verpflichtet, ggf. auch zur Leistung eines Schmerzensgeldes.