
Wer im Krankenhaus die Chefarztbehandlung wählt, muss tiefer in die Tasche greifen. Denn für die Behandlung bei einem erfahrenen Chefarzt fallen grundsätzlich höhere Kosten an. Ein Chefarzt hat meist eine lange Karriere hinter sich und ist in der Regel ein erfahrener, älterer Arzt. Deutet dies darauf hin, dass ältere Ärzte besser behandeln Nachwuchsmediziner? Behandeln ältere Mediziner wirklich besser als junge Ärzte? Eine aktuelle Beobachtungsstudie aus den USA kommt zu einem verblüffenden Ergebnis.
Wer hilft besser, alte oder junge Ärzte?
Forscher von der US-amerikanischen Harvard T.H. Chan School of Public Health haben eine interessante Beobachtung gemacht, wenn es um das Alter von Klinikärzten geht. Die Wissenschaftler analysierten Krankenhausaufenthalte von 730.000 Patienten im Seniorenalter, die von insgesamt 18.850 Ärzten behandelt wurden. War der behandelnde Mediziner über 60 Jahre alt, stieg das Sterberisiko für die Patienten. Junge Ärzte hatten im Vergleich größeren Behandlungserfolg, bei ihnen verstarben weniger Kranke.
Verglichen wurde ein Zeitraum von 30 Tagen ab Beginn des Krankenhausaufendhalts. Behandelte ein Jungmediziner unter 40 Jahren, starben im untersuchten Zeitraum nur 10,8 Prozent seiner Patienten. Bei Ärzten zwischen 40 und 49 Jahren waren es 11,1 Prozent, bei 50 bis 59-jährigen Medizinern 11,3 Prozent und bei über 60-jährigen Ärzten stieg die Zahl auf 12,1 Prozent.
Ältere Ärzte legen mehr Wert auf Gründlichkeit
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass gerade die älteren Ärzte bei Diagnose und Behandlung mehr Wert auf Gründlichkeit zu legen scheinen. Denn die Beobachtungsstudie belegt, dass ältere Mediziner mehr Geld für Tests und Therapiemethoden ausgaben als jüngere Ärzte (1.071 US-Dollar gegen 1.008 US-Dollar pro Patient). Die Ursache dafür, dass die jüngeren Ärzte die besseren Behandler waren, sei auf den technischen Fortschritt zurückzuführen, so die Studie. Während die jungen Ärzte moderne Technologien einsetzen, seien hier die älteren Ärzte eher zurückhaltend und setzen auf klassische Methoden.
Mehrere Studien zu diesem Thema
Das Thema Alter im Arztberuf steht nicht zum ersten Mal im Fokus der Wissenschaft. Eine ältere Studie von der Florida State University in Tallahassee untermauert das Ergebnis der aktuellen Beobachtungsstudie. Damals mussten Assistenzärzte und Altmediziner ihr Geschick und Fachwissen an einem Operationsroboter beweisen. Zwar brauchten junge Ärzte im Rahmen der Studie länger, bis sie eine Entscheidung trafen, lagen damit aber häufiger richtig. Altmediziner handelten schneller, trafen ab nicht immer die korrekte Wahl und waren seltener bereit ihre Diagnose zu revidieren. Im Ergebnis war der Heilungserfolg bei älteren Ärzten schlechter, befand die Studie.
Alt gegen Jung: Vor- und Nachteile
Wie in anderen Jobs auch, bietet jedes Alter im Arztberuf Vor- und Nachteile. Junge Ärzte kommen gerade erst von der Uni, bei ihnen ist das Wissen noch frisch. Sowohl neue wissenschaftliche Erkenntnisse als auch technische Möglichkeiten sind ihnen aus der Ausbildung vertraut. Zudem ist die geistige Leistungsfähigkeit bei jüngeren Menschen größer. Folglich können sich junge Doktoren innovative Behandlungsmethoden noch deutlich schneller aneignen als ältere Ärzte.
Gegen junge Ärzte spricht jedoch, dass sie nicht selten mit Unsicherheit und Angst an die Behandlung herangehen und zögerlichere Entscheidungen treffen. Auch sind sie noch nicht die Experten in Ihrem Spezialgebiet, schließlich befinden sich Assistenzärzte erst mal in Ihre Facharztausbildung. Hier wird zuerst das ganze Expertenwissen erlernt und auch danach ist noch nicht die volle Leistungsfähigkeit erreicht. Nach der Zehn-Jahres-Regel der Forscher Herbert Simon und William Chase (The Neuroscience of Expertise), dauert es ganze zehn Jahre bis ein Mensch einen Expertenstatus in seinem Spezialgebiet und seinen Leistungen in diesem erhalten kann. Dabei kommt es laut der Studie mehr auf Selbstdisziplin, Ausdauer, Konzentration, Ehrgeiz und Übung an als auf Erbgut und Intelligenz, um ein Experte in einem Spezialgebiet zu werden.
Was hingegen wieder für die jungen Ärzte spricht, ist dass sie eher Fehler eingestehen können wenn sie etwas nicht richtig erkannt oder behandelt haben. Ältere Ärzte sind hingegen bei Fehldiagnosen seltener bereit den Fehler einzugestehen und Fehler zu revidieren.
Und wer nimmt sich mehr Zeit für die Patienten? Die alten oder die jungen Ärzte? Weder noch, denn hier zeigt sich ein geschlechtsspezifischer Unterschied. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Ärztinnen etwa 20 Prozent mehr Gesprächszeit pro Patient nehmen als die männlichen Kollegen.
Fazit: Wer behandelt besser?
Ältere Ärzte besitzen mehr Erfahrung und sind Experten auf ihrem Gebiet, junge Ärzte sind innovativer und setzen auch neue Behandlungsmethoden ein. Wer behandelt also besser? Eine pauschale Antwort ist sicher nicht möglich, denn es liegt an jedem einzelnen Arzt selbst, wie viel Mühe er sich gibt, jeden Patienten bestmöglich zu behandeln.
Dabei spielen nicht nur Fachwissen und Medikamente sind ein wichtiger Faktor bei der Genesung, sondern auch die Arzt-Patienten-Beziehung spielt eine zentrale Rolle. Wer sich von seinem Arzt verstanden fühlt, wird oft schneller wieder gesund. Dietrich Grönemeyer, Medizinprofessor und Autor, beschreibt es so: “Menschliche Zuwendung ist ein Zaubermittel, das aus einem chemischen Nichts einen biologischen Vorgang macht.”