Außertariflich bezahlt zu werden, kann für Oberärzte viele Vorteile mit sich bringen. Neben einem höheren Gehalt lassen sich in einem außertariflichen Vertrag (AT-Vertrag) auch mehr Urlaubstage oder ein höheres Fortbildungsbudget vereinbaren. Vorzüge bieten AT-Verträge auch für die Kliniken: Für eine höhere Bezahlung können sie mehr Leistung einfordern und die Vergütung variabler zu gestalten, eröffnet Möglichkeiten zur Refinanzierung.
Inhaltsverzeichnis
Was bei außertariflichen Verträgen zu beachten ist und welches Gehalt Oberärzte erwarten können, erklärt der folgende Artikel.
Außertariflich oder nach Tarif? So gestalten sich die Verdienstmöglichkeiten
Mit dem Aufstieg zum Oberarzt übernimmt man mehr Verantwortung und mehr Managementaufgaben. Damit geht auch eine höhere Entlohnung einher. An einer Uniklinik werden Oberärzte nach dem Tarifvertrag für Ärzte der Tarifgemeinschaft der Länder (TV-Ärzte TdL) bezahlt. Das Gehalt beträgt zwischen 8.164 und 9.331 Euro brutto im Monat. Das entspricht einem Jahresgehalt von bis zu 111.972 Euro, ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld. An kommunalen Krankenhäusern greift der Tarifvertrag für Ärzte der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte VKA), in dem pro Monat zwischen 8.021 und 9.167 Euro Bruttogehalt vorgesehen sind, also bis zu rund 110.000 Euro im Jahr. Der genaue Verdienst richtet sich nach der Berufserfahrung. Wir haben alle Tarifverträge in dieser Übersicht zusammengefasst.
Das durchschnittliche Jahreseinkommen von Oberärzten in Deutschland liegt jedoch deutlich darüber. Laut Kienbaum-Vergütungsreport 2019 beträgt es 136.000 Euro, 30.000 Euro mehr als im Vorjahr. Die Verdienstmöglichkeiten für Oberärzte verbessern sich zwar etwas langsamer als in der gesamten Ärzteschaft, steigen jedoch stetig. Ein Grund dafür ist, dass mittlerweile zahlreiche Kliniken ihren Oberärzten die Möglichkeit bieten, sich außertariflich bezahlen zu lassen.
Der außertarifliche Arbeitsvertrag stellt heute keine Seltenheit mehr dar. Viele Krankenhäuser, über alle Träger hinweg, statten ihre Oberärzte vom ersten Tag an mit einem AT-Vertrag aus. Zu diesem Schluss kommt die Beratungsagentur Rochus Mummert Healthcare Consulting. Die Vergütung bewege sich damit zwischen 130.000 und 150.000 Euro im Jahr, leitende Oberärzte können sogar rund 170.000 Euro verdienen.
AT-Verträge: Höherer Lohn gegen mehr Leistung
Die Gehälter unterscheiden sich nicht nur nach Berufserfahrung, es gibt auch eine große Spanne zwischen den einzelnen Fachrichtungen. Der Kienbaum-Report beziffert die Durchschnittsgehälter für ausgewählte Fachbereiche wie folgt:
- Chirurgie: 148.000 Euro
- Innere Medizin: 142.000 Euro
- Gynäkologie: 135.000 Euro
- Orthopädie: 135.000 Euro
- Radiologie: 134.000 Euro
- Anästhesie/ Intensivmedizin: 133.000 Euro
- Urologie: 132.000 Euro
- Pädiatrie: 131.000 Euro
- Neurologie/ Psychiatrie: 127.000 Euro
- Geriatrie: 111.000 Euro
Laut Rochus Mummert Healthcare Consulting sind mit einem AT-Vertrag in bestimmten Fachbereichen sogar Gehaltsausreißer bis hin zu 200.000 Euro möglich. An der Spitze stehen dabei Spezialisierungen wie interventionelle Kardiologie, Neuroradiologie und Wirbelsäulenchirurgie. Rechnet man Boni, Einkünfte aus Zielvereinbarungen, Pooltätigkeiten und Nebeneinkünften zusammen, können bis zu 230.000 Euro im Jahr erzielt werden.
Für den höheren Lohn verlangen die Kliniken aber auch mehr Leistung. Mal fordern sie Spezialwissen und besondere medizinische Fertigkeiten, mal Führungsqualität und die Bereitschaft, Aufgaben wie die Projekt- oder Bereichsleitung zu übernehmen. Wer die Voraussetzungen erfüllt und dazu bereit ist, mehr zu leisten, kann sich mit einem AT-Vertrag neben einer höheren Vergütung noch weitere Benefits sichern. Dazu gehören zum Beispiel ein Plus an Urlaubstagen, ein höhere Fortbildungsbudget oder die Option, an einer festgelegten Anzahl Tage Trainingseinheiten an anderen Standorten zu absolvieren.
AT-Verträge: Verhandlungsgeschick ist gefragt
Möchte man möglichst viele Vorteile aus einem außertariflichen Vertrag herausholen, ist Verhandlungsgeschick gefragt. Während Gehalt und Benefits im Tarifvertrag eindeutig festgelegt sind, bietet sich bei der Gestaltung der außertariflichen Vereinbarungen wesentlich mehr Freiraum. Bevor man sich für einen AT-Vertrag entscheidet, sollte man zudem die Konsequenzen bedenken. Ein Tarifvertrag bringt nämlich auch Vorteile mit sich, zum Beispiel die automatische Gehaltssteigerung nach Berufserfahrung und den Erhalt einer einmal erreichten Eingruppierung. Schließt man einen AT-Vertrag ab, muss man dagegen meist jede Gehaltserhöhung separat verhandeln. Zudem kann die Eingruppierung in eine Gehaltsstufe befristet werden. So kann das Gehalt etwa sinken, wenn man nach einer festgelegten Zeit bestimmte Aufgabenbereiche wieder abgeben muss.
Rechtliche Fallstricke müssen Oberärzte dagegen nicht mehr befürchten. Werden im AT-Vertrag Pauschalierungen festgelegt, muss genau bestimmt werden, wofür diese gelten. Sieht der Vertrag beispielsweise pauschal 20.000 Euro im Jahr für Überstunden vor, müssen die Vertragspartner genau definieren, welche Anzahl Überstunden damit abgeglichen wird. Für jede weitere Überstunde steht den Oberärzten eine gesonderte Entlohnung zu. Wer dennoch befürchtet, übervorteilt zu werden, kann den AT-Vertrag arbeitsrechtlich prüfen lassen. Diese Möglichkeit bieten neben dem Marburger Bund auch die juristischen Abteilungen der Fachgesellschaften. Den Einrichtungen ist jedoch daran gelegen, ihre Zielvereinbarungen fair zu gestalten, um Unzufriedenheit zu vermeiden.
AT-Verträge: Vorteile auch für Kliniken
Oberärzte können sich durch einen AT-Vertrag ein höheres Gehalt und mehr Benefits sichern. Sie außertariflich zu vergüten, haben jedoch auch Vorteile für die Kliniken. Sie gewinnen ebenfalls mehr Spielraum bei der Vergütungsgestaltung und können dadurch talentierte Fachkräfte an sich binden.
Weiterhin bieten AT-Verträge den Kliniken die Chance, die steigenden Gehälter für Oberärzte und weiteres medizinisches Fachpersonal zu refinanzieren. Indem sie die Vergütungsbestandteile flexibler gestalten, können sie sicherstellen, mehr Geld zum Ausgleich der höheren Vergütung zur Verfügung zu haben.
Vom Tarifvertrag zum AT-Vertrag wechseln
Welche Chance auf eine außertarifliche Bezahlung besteht nun für Oberärzte, die bereits länger nach Tarifmodell arbeiten? Das hängt vom jeweiligen Arbeitgeber ab. Manche Häuser sehen einen Tarifvertrag mit mehreren Stufen vor. Ab einer bestimmten Stufe erhält man automatisch eine außertarifliche Regelung. Andere ermöglichen keinen Wechsel zwischen den Modellen oder nur in Ausnahmefällen. Wer lange beim selben Träger verweilt und im selben Haus Karriere macht, hat es oft tatsächlich schwerer, eine Vergütung über dem marktüblichen Gehalt zu vereinbaren. Für Oberärzte kann es sich daher lohnen, einen Arbeitgeberwechsel in Erwägung zu ziehen.