
Trotz 12 Semester Studium, unzähligen Stunden des Lernens für das Examen, vielleicht noch einer abgeschlossenen Doktorarbeit (TIPP am Rande: unbedingt vor dem Arbeitsbeginn fertig schreiben!!), gibt es die eine große Unbekannte, die BLACKBOX,: den ersten Arbeitstag als Assistenzarzt.
Bestenfalls habt ihr ein paar Tage vorher nochmal mit eurem zukünftigen Chef – eher seiner Sekretärin – telefoniert oder eine Mail der Personalabteilung erhalten und wisst wo und wann ihr euch melden müsst. Die Formalien sind also geklärt.
Aber fangen wir mit dem Tag davor an. Hoffentlich geht es euch wie mir und ihr habt ein paar Wochen Urlaub und eine gute Zeit hinter euch, aber egal wie lange ihr euch am Tag davor keine Gedanken macht, irgendwann kommt es über euch: Wie wird das morgen alles werden? Sind die Kollegen nett? Was weiß ich eigentlich noch aus dem Studium? Was mache ich, wenn dem Patienten dieses und jenes fehlt?
Was dann kommt, kann man sich denken: die StEx-Notizen werden rausgeholt und nochmal durchgeblättert. Der Herold und die Checkliste bzw. der Klinikleitfaden eingepackt und dann vorm Bettgehen noch ein Glas Wein getrunken – darauf oder gerade deswegen, weil am nächsten Tag die Studentenzeit vorbei ist.
6 Uhr morgens, Wecker 2 von 3 hat geklingelt und voller Motivation geht es nach einem Frühstück der Champions los. Kaum in der Klinik stellt sich die erste Frage: wo bekomme ich Klamotten her? Kurz ein paar vorbeilaufende Studenten angesprochen und hinterher Klamotten aus dem Studentenpool genommen und los gehts zur Station. Die erste Begrüßung erfolgt durch den PJler, der mich in meinen Studentenkasak sieht und ein fröhliches „Hallo, bist du der neue Blockpraktikant? Du bist viel zu früh dran.“ über den Gang ruft.
Als ich mich dann vorstelle und erkläre, dass ich der neue Arzt bin, wird aus dem „DU“ ein „SIE“ und der PJler auf einmal sehr ernst. Ein komisches Gefühl!
Aber weiter zu den neuen Kollegen, es ist 7:30 Uhr und die Visite soll beginnen. Vorher werde ich noch einer Hälfte der Station zugeteilt und meiner neuen Kollegin vorgestellt. Sie ist schon seit ca. einem Jahr in der Klinik und soll mich in den nächsten 1,5 Monaten einarbeiten. Auf der Visite lerne ich die derzeit 15 Patienten meiner Hälfte der Station kennen. Danach stellen sich die ersten Probleme technischer Art. Unzählige Formulare müssen ausgefüllt werden, um Zugänge und Passwörter für die einzelnen Systeme zu bekommen. Die freundlichen Schätzungen meiner Kollegen variieren zwischen 3 Tagen und 3 Wochen, die vergehen werden, bis ich alle Zugangsberechtigungen habe. (Um das Rätsel zu lösen: es ging schnell und ich hatte nach drei Tagen die notwendigen Zugänge…. okay, manche speziellen Sachen haben wirklich 4 Wochen gedauert, aber das führt hier zu weit).
Ansonsten läuft alles wie man es aus dem PJ schon kennt. Patienten anamnestizieren, untersuchen, Probleme feststellen und einen Therapieplan entwickeln. Der Unterschied: jetzt ist man für die verordneten Medikamente und den Patienten verantwortlich. Kein Verstecken hinter dem PJ-Status mehr.
Selbst wenn man das Problem des Patienten kennt, weiß man doch nicht immer, welche Menge y von einem Medikament x man geben muss. Im Studium wurde einem das nicht beigebracht, euch vielleicht?! Als weitere Hürde stellt sich dann immer der Frage, von welchem Hersteller bezieht unsere Klinik den Wirkstoff A und wie hat dieser das Präparat genannt?
Aber dafür kann man immer die Kollegen oder den Oberarzt fragen. Positiver formuliert: das Lernen hört nicht auf.
Okay, zugegeben, den großen Schweißausbruch gabs am ersten Tag dann doch noch:
Der Chef-PJler (letzte Woche letztes Tertial) kam ins Arzt-Zimmer und meinte: „Bei Herrn X kann ich keinen Zugang legen, da muss ein Arzt ran.“ Und ja genau, das war mein Stichwort. Nach über einem halben Jahr nach dem Staatsexamen und fast einem Jahr ohne Patientenkontakt, soll ich nun etwas schaffen, bei dem der sprichwörtliche Experte gescheitert ist. 😉
Das Fazit am Ende des ersten Arbeitstages?
Alles halb so schlimm! Das wilde Querlesen durch die alten StEx-Notizen am Abend vorher wäre nicht nötig gewesen. Die Kollegen sind alle unglaublich freundlich und einen besseren Start in den neuen Lebensabschnitt als Arzt hätte ich mir nicht vorstellen können.
Auch wenn die Nadel bei Herrn X nicht geklappt hat 😉 aber man kann ja nicht alles haben.
Fragen oder Kommentare? Dann rein damit in die Kommentarfunktion, ich versuche die Sachen innerhalb von 2-3 Tagen zu beantworten.