Für viele Patientinnen und Patienten ist der Gang in die Arztpraxis mit Anspannung und Nervosität verbunden. Das Wartezimmer bietet der Patientenschaft die Gelegenheit, um zu entschleunigen. Wenn das gelingt, entfalten sich positive Effekte auf das Patientengespräch und potenziell auch auf den Genesungsprozess. Auf welche Weise Ärztinnen und Ärzte den Wohlfühlfaktor bei der Wartezimmergestaltung in der eigenen Praxis steigern können, gibt es hier zum Nachlesen.
Patientenorientiertes Wartezimmer gestalten lohnt sich doppelt
Die Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus dem Jahr 2020 zeigt, welches Gewicht dem Wartebereich zukommt: 88 Prozent aller Praxisbesucher müssen vor der Behandlung mindestens 15 Minuten warten. 54 Prozent warten sogar 30 Minuten oder länger. Die Wartezeit entspricht also einem Vielfachen dessen, wie lange der eigentliche Arztkontakt dauert.
Diese Wartezeit lässt sich nutzen, wenn das Wartezimmer als mehr als nur ein Ort zum Überbrücken der Zeit gestaltet wird. Fühlen Praxisbesucher sich wohl und können während der Wartezeit etwas entspannen, sind sie im anschließenden Patientengespräch zugänglicher. Das kann sich wiederum positiv auf die Compliance und die Genesung auswirken.
Ein zweiter Aspekt bezieht sich auf die Wahrnehmung der Qualität der Praxis. Ein gepflegter, patientenorientiert gestalteter und mit wertigem Mobiliar ausgestatteter Warteraum signalisiert, dass in dieser Praxis qualitativ hochwertige Arbeit geleistet wird. Das ist vorteilhaft, wenn es um das Akquirieren und Halten von Patienten und Patientinnen allgemein und um ein gehobeneres Patientenklientel im Speziellen geht.
Wichtige Aspekte bei der Wartezimmergestaltung
Wer eine neue Praxis einrichtet oder die bestehenden Praxisräumlichkeiten renoviert, sollte sich am Motto „Stress vermeiden“ orientieren, rät Prof. Rudolf Schricker. Schricker lehrt als studierter Innenarchitekt an der Hochschule Coburg und beschäftigt sich unter anderem mit gesunder Atmosphäre in medizinisch genutzten Räumlichkeiten.
Der wichtigste Faktor sei, dass die Menschen Verhaltensfreiheit im Warteraum haben. Erreichen lässt sich das durch unterschiedliche Zonen. Patientinnen und Patienten könnten dann selbst wählen, ob sie in Ruhe oder in Gesellschaft warten wollen. Außerdem fühlen sich die Menschen weniger von den Mitwartenden beobachtet, wenn es optisch abgetrennte und entsprechend durchdacht positionierte Sitzgelegenheiten gibt.
Lichtverhältnisse, Luftqualität und Farbgestaltung sind ebenfalls wichtige Faktoren, die das Wohlbefinden beeinflussen. Ideal ist es, wenn das Lichtkonzept viel Helligkeit nur dort vorsieht, wo sie tatsächlich gebraucht wird. Bereiche mit gedimmtem Licht fühlen sich hingegen sicherer und gemütlicher an. Eine gute Raumakustik unterstützt eine entspannte Raumatmosphäre. Hohe Luftqualität ist nicht nur dem Wohlbefinden zuträglich, sondern auch ein wichtiger Hygieneaspekt.
Bei der Farbgestaltung ist es sinnvoll, nicht zu viel Weiß zu verwenden. Die Farbe wird von der Patientenschaft als steril und kühl wahrgenommen. Farben wie Hellgrau und Beige wirken wärmer und sind dezent und neutral. Auch die Farben Grün, Blau, Orange und Violett sind positiv konnotiert. Als Farbakzente können auch die Praxisfarben (Logo/Corporate Identity) aufgegriffen werden.
Durch einen Naturbezug lässt sich aus dem Wartezimmer eine Wohlfühloase schaffen. Immergrüne Pflanzen, natürliche Materialien wie Holz und Kork, Naturdüfte, Gemälde und Naturfotografien und sogar Naturgeräusche anstelle von beruhigender Musik sind mögliche Gestaltungselemente dafür.
Ziel bei der Gestaltung des Wartebereichs ist, Ablenkung zu schaffen und die Entspannung zu fördern. Dazu gehören auch Informations- und Lesestoff. Das muss nicht immer der “Lesezirkel” sein. Die Auswahl an Zeitungen und Zeitschriften sollte zur Klientel passen. Wichtig ist jedoch, dass das Lesematerial ordentlich, sauber und relativ aktuell ist.
Service auf hohem Niveau
Um die eigene Praxis abzuheben, kann es lohnend sein, mehr Servicedenken zu demonstrieren. Getränke wie Kaffee, diverse Teesorten und kleine Wasserflaschen können die Wartezeit in der Praxis angenehmer machen. Digitalen Mehrwert erhalten Patientinnen und Patienten mit einem freien WLAN-Zugang, der inzwischen an vielen öffentlichen Orten Usus ist. Dafür sollte unbedingt ein separater Gastzugang geschaffen werden. Damit das Praxispersonal nicht fortwährend nach dem Passwort gefragt wird, ist es hilfreich, dieses gut sichtbar im Wartebereich anzubringen. Eine weitere Möglichkeit ist ein Fernsehgerät. Hier besteht allerdings die Herausforderung darin, ein informatives Programm zusammenzustellen, das sich als Schleife abspielen lässt.
Fazit: Wirkung des Wartezimmers nicht unterschätzen
Bei der Gestaltung des Wartezimmers gilt es eine Atmosphäre zu schaffen, die es ängstlichen, angespannten und angeschlagenen Patientinnen und Patienten erlaubt zu entspannen. Die positive psychologische Wirkung aus dem Wartezimmer überträgt sich auf das Patientengespräch, kann der Genesung beitragen und der Praxisinhaberin oder dem Praxisinhaber bei der Patientenakquise via „Mundpropaganda“ und Bewertungsportale im Internet helfen.