
Niemand schreibt heute noch Briefe? Doch! In der Klinik gehört der Arztbrief immer noch zu den Routineaufgaben, vor allem für Assistenzärzte. Ungeliebt und zeitaufwändig, aber leider notwendig. Das ist dann wohl auch der Grund, warum es heute fast keine Rolle mehr im Klinikalltag spielt und es in Fort- und Weiterbildungen keinen Bestandteil darstellt.
Dabei wird oft vergessen wie wichtig ein Entlassungsbrief ist. So kritisieren Hausärzte mehr und mehr die Qualität der Arztbriefe. Denn viel zu oft sind die Arztbriefe kaum zu verstehen, unstrukturiert, fehlerhaft, vage oder missverständlich formuliert. Wenn dann noch doppeldeutige Abkürzungen hinzukommen, ist es fast unmöglich Klarheit über Diagnose und Therapie zu bekommen. Daher zeigen wir nachfolgend, wie ein Arztbrief sein sollte.
Funktion und Ziele des Arztbriefs
Am Ende jedes stationären Aufenthalts eines Patienten (oder nach der Untersuchung beim Facharzt) steht der Arztbrief an. Er soll den weiterbehandelnden Arzt über Anlass und Verlauf des Klinikaufenthalts in Kenntnis setzen. Außerdem sollen er für die folgende Behandlung wichtigen Informationen enthalten. Die Qualität und Vollständigkeit des Arztbriefes ist entscheidend dafür, ob die weitere Behandlung klar ist, oder ob der weiterbehandelnde Arzt zeitintensiv nachfragen muss. Außerdem dient der Arztbrief als wichtiges Falldokument und hat auch eine juristische Bedeutung. Kommt es durch einen fehlerhaften oder unvollständigen Arztbrief zu Behandlungsfehlern mit Schaden für den Patienten, muss der Verfasser des Briefs haften.
Schreibweise eines Arztbriefes
Ärzte haben nie viel Zeit. Wie so oft gilt also: In der Kürze liegt die Würze! Das erste Ziel ist daher ein klarer und knapper Stil, wobei natürlich alle relevanten Informationen vorhanden sein müssen.
Ein Arztbrief sollte:
- alle relevanten Informationen enthalten,
- klar und verständlich lesbar sein,
- sich möglichst kurz und präzise auf das Wesentliche konzentrieren,
- Selbstverständliches, Redundanzen und Floskeln weglassen
- fehlende Struktur, komplizierte Sprache, unleserliche Handschrift und ungebräuchliche Abkürzungen erschweren das Lesen. Empfehlungen sollten auch als solche formuliert sein und nicht direktiv wirken.
Inhalt und Aufbau eines Arztbriefes
Für die Reihenfolge eines Arztbriefes gibt es keinen festen Standard. Die einzelnen Abschnitte, die wir im Folgenden besprechen, werden je nach Einrichtung unterschiedlich platziert. Wichtig ist jedoch eine klare Gliederung, die schnell zu erfassen ist, z.B.:
- Adressat
- Patientendaten einschließlich Aufenthaltszeit
- Diagnosen, Eingriffe
- Therapieempfehlung15
- Epikrise
- Weiteres Procedere
- Befunde (Anamnese etc.)
Eine sinnvolle Reihenfolge folgt dem logischen Gedankenverlauf des Lesers, den vor allem die Befunde der fachärztlichen Untersuchung interessiert. Aus Zeitmangel lesen viele Ärzte nur die Diagnosen, die Therapieempfehlung und das weitere Prozedere. Wichtige Informationen, die unabdingbar für das weitere Vorgehen sind, sollten also unbedingt in einem dieser Abschnitte stehen. Hier noch ergänzende Hinweise zu einzelnen Punkten:
Anamnese
Unter diesem Punkt erscheinen Art, Dauer und Verlauf der vom Patienten beschriebenen Beschwerden (eventuell in den Worten des Patienten). Auch relevante Risikofaktoren oder Vorerkrankungen, können hier erwähnt werden. Außerdem sollten Sie auf den Grund der Aufnahme eingehen:
- Mit welchen Symptomen kam der Patient in die Klinik/Praxis?
- Bei Einweisung: Wer hat warum eingewiesen?
- Bei Einlieferung mit Rettungswagen: Weshalb wurde der Rettungswagen gerufen? Wie wurde der Patient vorgefunden?
Diagnosen
Hier sollten alle im Verlauf erhobenen Diagnosen aufgelistet werden. Zu Beginn die Hauptdiagnosen, die einen Bezug zum Aufnahmegrund haben. Und danach alle weiteren Nebendiagnosen, mit absteigender klinischer Bedeutung. Die Zusammenfassung reicht aus. Zur besseren Übersicht sollten keine „gesunden“ Befunde aufgegriffen werden. Im Einzelnen gilt:
- Thematisch oder kausal zusammenhängende Diagnosen oder pathologische Befunde lassen sich oft unter einem Punkt zusammenfassen.
- Befunde und Symptome sollten Sie nicht mit Diagnosen vermischen, sondern nur erwähnen, wenn sich keine Diagnose stellen ließ. (Dies dann in der Epikrise näher erläutern.)
- Auch relevante Operationen und Eingriffe sollten unter diesem Punkt erwähnt werden.
Therapieempfehlungen
In diesem Abschnitt stehen neben allgemeinen Therapieempfehlungen, eine vollständige Medikamentenliste mit genauen Angaben zu:
- Wirkstoff
- Darreichungsform
- Dosis
- Einnahmeschema
- ggf. Therapiedauer und Besonderheiten
Wird das nicht in der Epikrise erläutert, sollten Sie Änderungen der bisherigen Medikation hier begründen.
Epikrise
In diesem Abschnitt werden eventuelle Besonderheiten des jeweiligen Falls diskutiert und abwägend beurteilt. Die „Epikrise“ ist ein optionaler Teil und gerade bei kurzen Arztbriefen oft nicht erforderlich. Er kann aber auch der aufwändigste Teil des Arztbriefes sein.
In diesem Abschnitt können Sie die Anamnese, die Ergebnisse der Diagnose, deren Beurteilung, die Therapie sowie gegebenenfalls die Prognose und eventuell auch das Prozedere zusammenfassen. Zudem sollten Sie hier begründen, warum in dem speziellen Fall genau diese Diagnose getroffen und andere Differenzialdiagnosen ausgeschlossen wurden. Auch besondere Therapieentscheidungen (z.B. Wechsel der Medikation) und Unklarheiten sollten Sie diskutieren. Fassen Sie dabei aber die Informationen sinnvoll und logisch nachvollziehbar zusammen und listen Sie keine detaillierten Untersuchungsergebnisse auf; auch alle irrelevanten Befunde sowie Verlaufsdetails sind entbehrlich. Liegen viele Diagnosen gleichzeitig vor, können Sie die Punkte Beurteilung und Verlauf nach Diagnosen gliedern.
Wichtig ist vor allem Ihre Stellungnahme, inwieweit die erhobenen Befunde die Beschwerden oder den Grund der Behandlung erklären, denn dies ist Ihr Arbeitsauftrag.
Weiteres Prozedere und Abschluss
In diesem Abschnitt sollen Sie dem weiterbehandelnden Arzt die wichtigsten Informationen für das weitere Vorgehen und ggf. Termine zu Kontrolluntersuchungen mitteilen. Die vorgeschlagenen Behandlungen sind Empfehlungen und Sie sollten sie also auch als Empfehlungen, adressatenbezogen und verständlich formulieren. Sie vereinfachen es dem Leser, wenn Sie eine übersichtliche, schnell zu erfassende Wir-empfehlen“-Liste liefern.
Anhang mit Befunden
Aus den oben genannten Absätzen erhält der Leser alle wesentlichen Informationen. Im Anhang können Sie noch detaillierte Befunde, wie Anamnese, körperlicher Untersuchungsbefund, Befunde bildgebender Verfahren, Laborergebnisse, Histologien usw. liefern. Immer mehr Einrichtungen bieten stattdessen den Versand der Befunde auf Anfrage an.
Spezielle Tipps zum Stil
- Schreiben in der dritten Person Singular (er, sie, es) und der ersten Person Plural (wir).
- Vermeiden einem pseudo-juristischen, gestelzten Stil mit vielen Substantivierungen und Blähwörtern.
- Eindeutige Floskeln und keine langen Schachtelsätze.
- Keine Abkürzungen, die nicht gängig oder mehrdeutig sind.
- Gute, kurze Satzteile und Übergänge
- Und zuletzt: Diktieren Sie Ihre Arztbriefe: Das kann Ihnen viel Zeit sparen und es verbessert auch den Stil, denn normalerweise formuliert man mündlich viel einfacher und verständlicher als schriftlich.
Stilblüten in Arztbriefen
Zum Schluss noch etwas Humor. Wir haben für euch die schönsten und lustigsten Stilblüten in Arztbriefen zusammengefasst und eine Top 20 aufgestellt. Viel Spaß beim Lesen!