Als Ehepartner/in in der Arztpraxis zu arbeiten, stellt Ärzte/-innen und ...

Der Weg zum Mediziner und der Berufsalltag als Arzt mit Behinderung ist bereits durch die langwierige und aufwändige Ausbildung als Arzt verhältnismäßig schwer. Welchen Hürden müssen Menschen mit einer Behinderung während Medizinstudium und später im Berufsalltag in der Klinik oder Praxis gegenübertreten? Wir haben das Thema aufgerollt und zeigen die möglichen Hürden als auch die angebotenen Unterstützungsmöglichkeiten auf, wie gesonderte arbeitsrechtliche Regelungen, Steuervergünstigungen oder beispielsweise kostenfreie Nutzung des ÖPNV.
Der Artikel untergliedert sich wie folgt: zuerst werden grundlegenden Informationen über die Kategorisierung von Behinderungen dargestellt, gefolgt von einer Betrachtung des Studiums mit einer Behinderung und sowie abschließender Betrachtung des Berufsalltags als Arzt inklusive den Sonderrechten, die Menschen mit Behinderung eingeräumt werden.
7.6 Millionen Schwerbehinderte leben in Deutschland
Nahezu 10 % der deutschen Bevölkerung fällt unter die Kategorie “Schwerbehindert”. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit von einer funktionierenden Inklusion, also einem Wandel der Gesellschaft, bei welchem Menschen mit Behinderung selbstverständlich in allen Bereichen des Lebens teilhaben können.
Fast 50 % der Menschen mit Behinderung sind unter 50 Jahre alt und somit ein wichtiger Bestandteil in der Arbeitswelt und Gesellschaft. Die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und hat stärker zugenommen als die Zahl der schwerbehinderten Menschen in der Bevölkerung.
71.000 schwerbehinderte Menschen arbeiten im Gesundheitswesen
Die folgende Tabelle zeigt die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen, differenziert in die verschiedenen Wirtschaftszweige. Von den knapp einer Million Beschäftigten arbeiten etwa 71.000 im Gesundheitswesen und 62.000 in der Pflege und Sozialem.
Datenquelle: destatis.
Wann liegt eine Behinderung vor?
Von einer Behinderung spricht das Gesetz (Neuntes Sozialgesetzbuch), wenn die körperlichen Funktionen (z.B. durch Lähmungen), die geistige Fähigkeit (z.B. durch eine stark unterdurchschnittliche Intelligenz oder gestörte kognitive Fähigkeiten) oder seelische Gesundheit (z.B. durch ein Trauma) bei einem Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensjahr typischen Zustand abweichen und daher eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Ursache für die Behinderung, ob angeboren, durch Unfall oder aufgrund einer Krankheit, spielt keine Rolle.
Was ist der Grad der Behinderung?
In Deutschland stellt das Versorgungsamt die Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Der Grad der Behinderung wird in einer Zahl zwischen 20 und 100 ausgedrückt. Ab einem Wert von 50 zählt der Mensch als schwerbehindert, was zu zusätzlichen Sonderrechten im Berufsalltag als Entlastung führt.
Einen Grad der Behinderung kann man bereits bei einem Verlust eines Fingers erhalten, da man nicht mehr alle Tätigkeiten in gewohntem Umfang ausführen kann. Bei einer Seh-Behinderung erhält man beispielsweise einen Grad der Behinderung von 30, bei einer Hör-Behinderung von 50.
Mit dem Befund eines Grades der Behinderung von mindestens 50 wird ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt. Dieser enthält ein Merkzeichen, das für eine jeweilige Einschränkung und jeweilige Rechte steht. Beispielsweise steht “G” für eine Gehbehinderung, “Bl” für Blindheit oder “Gl” für Gehörlosigkeit.
Die Sonderrechte und -Regelungen folgen in den nächsten Abschnitten.
Das Medizinstudium mit Behinderung
Behindertenbeauftragte an fast jeder Universität
Wo vor zehn bis 20 Jahren ein Handicap noch ein KO-Kriterien für ein Studium war, finden wir heute fast überall Behindertenbeauftragte und Ansprechpartner in den Universitäten. Diese unterstützen bei Formalitäten, aber auch bei Aufgaben, die teilweise für Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf nicht zu bewältigen wäre.
Eine Liste mit Behindertenbeauftragten pro Universität wird am Ende des Artikels dargestellt.
Mobilität als große Hürde
Eine der größten Herausforderungen bleibt in der Mobilität von Menschen mit Bewegungseinschränkungen. Durch straffe Vorlesungspläne, kurze Pausen und weitläufige Universitäts Campusse werden Menschen im Rollstuhl oder Gehbehinderungen vor eine harte Aufgabe gestellt. Zeitplanung und Abstimmung ist daher unabdingbar und ist wichtiger Bestandteil der Alltagsplanung.
Bei Gruppenarbeiten ist hohes Verständnis der Kommilitonen gefragt
Das Studium wird von Jahr zu Jahr praxisorientierter und interaktiver. Neben klassischer Lernarbeit kommt es zu regelmäßigen Gruppenarbeiten und Team-Aufgaben. Für beispielsweise gehörlose Menschen oder mit einer Hörbeeinträchtigung kann dies regelmäßig zu unangenehmen Situationen führen. Somit sind die betroffenen Studenten stets auf das Verständnis der Kommilitonen und Team-Work angewiesen. Da es jedoch immer mehr Studenten mit Behinderung gibt und durch gute Inklusion bereits in vielen Bereichen neue Wege gegangen werden, können Lehrende, Studenten und angehende Ärzte mit Behinderung mittlerweile besser denn je im Studienalltag mit dieser Aufgabe umgehen.
Zulassung zur Abschlussprüfung nur über das Gericht
Gerade in der Vergangenheit gab es zahlreiche Fälle, bei denen Prüfungsämter herausragende Studenten nicht zur Abschlussprüfung zulassen wollten. Eine Hör-Behinderung genügt nicht dem klinischen Anspruch oder Diabetes macht eine stundenlange Operation in der Chirurgie unmöglich. Dies waren Begründungen für die Blockaden.
Mittlerweile gibt es zahlreiche praktizierende Ärzte mit Diabetes und körperlichen Einschränkungen, so dass Verwehrung von Abschlussprüfungen eher zur Seltenheit geworden sind. Seit dem Jahr 2003 und der Reform der Approbationsordnung dürfen Studenten mit Behinderung generell nicht mehr grundsätzlich vom Medizinberuf ausgeschlossen werden.
Einschränkungen bei der Wahl der Fachrichtung als Arzt mit Behinderung
Die größte Einschränkung für angehende Ärzte mit Behinderung ist die Wahlmöglichkeit von Fachrichtungen, da nicht alle Fachrichtungen bedingt durch die Art der Behinderung ausgeübt werden können. Dies beginnt bei körperlichen Einschränkungen, die es schlicht unmöglich machen in einem entsprechenden Bereich zu arbeiten.
Dennoch können Ärzte mit Behinderungen mit Wille und teilweise Hilfsmitteln in vielen Fachbereichen tätig sein, wie der Chirurgie oder auch der Radiologie.
Karriere und Berufsalltag als Arzt mit Behinderung
Der Alltag in Kliniken zeigt: Ärzte mit Behinderung können nicht nur ihrem Alltag nachgehen, sie können sogar Karriere machen.
Ein Beispiel hierfür ist der Chirurg Frank Röhrich vom Klinikum Bergmannstrost Halle, welcher querschnittgelähmt ist. Seine Beine sind vollständig gelähmt und dennoch ist er ein erfolgreicher Chirurg. Dieser Arzt hat körperliche Grenzen erfolgreich bezwungen und inspiriert im OP-Saal. Seine Geschichte gibt es in der Mitteldeutschen Zeitung.
Keine Bankkredite für einen Arzt mit Behinderung
Trotz der mittlerweile erfolgreichen Integration, berichten Ärzte mit Behinderung jedoch auch heute noch von Einschränkungen wenn es um die eigene Praxis geht. So wurden beispielsweise bereits Bankkredite für die Praxisgründung nicht gewährt.
Sonderregelungen für schwerbehinderte Ärzte
Durch die zusätzliche Belastung einer Behinderung werden schwerbehinderten Menschen Sonderregelungen und Sonderrechte eingeräumt. Zusätzlich werden auch Arbeitgeber entlastet, da sie beispielsweise vom Integrationsamt Zuschüsse für Ausbildungskosten oder ähnliches bekommen können.
Die folgenden Sonderregelungen und -rechte können Schwerbehinderten zustehen:
Finanziell:
- Persönliches Budget: Anspruch auf einen Geldbetrag von 200,00 Euro bis 800,00 Euro
- Vergünstigungen im öffentlichen Personenverkehr: Bis zu kostenfreier Nutzung
- Vergünstigung bei der KFZ-Steuer: Bis zu 100%
- Vergünstigung im Flugverkehr: Inklusive Begleitperson
- Erleichterung beim Parken: Es gibt blaue EU-Ausweise und orangenfarbene Ausweise, die Park- und Halteverbote aufheben können als auch maximale Parkdauer-Überschreitungen ermöglichen
- Befreiung von TÜV-Gebühren: Sonderabnahmen für Umbauen können übernommen werden
- Beitragsermäßigung für Automobilklubs
- Vergünstigungen beim Telefonieren
- Steuervorteile: In Form von Pausch- und Freibeträgen erhalten Schwerbehinderte von 310,00 Euro bis zu 3.700 Euro Pauschbeträge
- Erstattung von Aufwendung für Haushaltshilfen von bis zu 924,00 Euro jährlich
Im Berufsleben:
- Besonderer Kündigungsschutz: Unabhängig von der Betriebsgröße muss das Integrationsamt einer Kündigung zustimmen
- Bezahlter Zusatzurlaub von einer Arbeitswoche: Bei einer 5-Tage-Woche entspricht dies 5 Zusatzurlaubstagen
- Freistellung von Mehrarbeit: Also Überstunden, die über eine Arbeitszeit von 8 Stunden täglich hinausgehen (Für Ärzte ist wichtig, dass die tägliche Arbeitszeit auch auf 10 Stunden verlängert werden kann, wenn diese ausgeglichen wird.)
- Früheres Renten-Eintrittsalter
Über alle Regelungen und Kennzahlen informieren die Integrationsämter kostenfrei unter www.integrationsaemter.de.
Verbesserung ab 2017 durch das Bundesteilhabegesetz
Bundesteilhabegesetz geregelt. Im Zuge der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes werden Leistungen für Menschen mit wesentlichen Behinderungen aus dem bisherigen Fürsorgesystem herausgeführt und zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickelt.
Diese neue Eingliederungshilfe orientiert sich am persönlichen Bedarf und wird anhand eines bundeseinheitlichen Verfahrens personenbezogen ermittelt.
Dadurch wird sich die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung verbessern. Alle gesetzlichen Verbesserungen sollen bis zum Jahr 2020 in Kraft treten und beinhalten unter anderem wichtige Punkte in der Freistellung von Vertrauenspersonen, Kostenübernahme für Vertretungen und Unterstützungen, erweiterter Kündigungsschutz und eine tiefere Verankerung des Inklusionsgedankes.
Besonderer Bezug zu Patienten und Kollegen
Ärzte mit Behinderung genießen in vielen Fällen ein hohes Vertrauen von Patienten. Die Glaubwürdigkeit und das Verständnis von Ärzten, die selbst bereits eine schwerwiegende Krankheit oder Behinderung bekämpft oder bekämpft haben, ist sehr hoch bei Patienten.
Wie auch der Chirurg Frank Röhrich finden nicht nur Patienten, sondern auch viele Kollegen Inspiration in diesen Ärzten. Denn diese Ärzte zeigen, dass alles möglich ist – wenn auch gegebenenfalls in einer anderen Geschwindigkeit. Die gegebene Authentizität schafft Vertrauen und Mut bei vielen Patienten.
Auch wir ziehen unseren Hut vor tausenden Medizinern, die trotz aller Herausforderungen durch eine Behinderung ihren Weg im Studium und im Alltag gehen und vielen Menschen Gesundheit und Inspiration bringen.
Interessante Stellen für Ärzte mit Behinderung gibt es auf praktischArzt.
Mit unserer praktischArzt-Suche finden sich deutschlandweit zum Einstieg viele Stellenangebote für Assistenzärzte und über alle Fachbereiche und Karrierestufen sehr viele Ärztestellen. Wir wünschen viel Erfolg bei der Suche nach der passenden Stelle.
Liste der Behindertenbeauftragten an Universitäten
Anbei listen wir deutsche Universitäten auf, inklusive Homepage, medizinischer Fakultät, medizinischer Fachschaft und den jeweiligen Behindertenbeauftragten. Alle Anlaufstellen sind direkt verlinkt und öffnen sich mit einem Klick.