
Kommunikation ist alles. Eine gute Kommunikation im medizinischen Alltag zwischen Arzt und Patient kann positiven Einfluss auf den Behandlungserfolg und die Therapietreue des Patienten nehmen. Die ärztliche Gesprächsführung bei Kindern scheint manchmal an ihre Grenzen zu kommen. Welche wesentlichen Grundsätze sind zu beachten, damit auch Gespräche mit Kindern gelingen und diagnostische und therapeutische Hinweise gewonnen werden können?
Inhalt
Die ärztliche Gesprächsführung
Der Ärztekammer Nordrhein zufolge stellt die Kommunikationsfähigkeit im Patientenkontakt eine ärztliche Kernkompetenz dar, in der die Balance zwischen empathischer Nähe und professioneller Distanz entscheidend ist. Nur eine gute Kommunikation kann erreichen, dass der Patient Vertrauen in den Arzt gewinnt und diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen zustimmt. Denn tatsächlich ist es so, dass die häufigsten Defizite, die Patienten während eines Krankenhausaufenthaltes bemängeln, im Bereich von Kommunikation und Aufklärung liegen.
Ein Patientengespräch bedarf einer guten Vorbereitung, Strukturierung und sollte insbesondere in kritischen Entscheidungssituationen professionell geführt werden. Eine gute Kommunikation, auch wenn viele Ärzte eine natürliche Gabe dafür mitbringen können, ist ebenfalls zu erlernen und ist ein systematischer Lernprozess in der medizinischen Ausbildung, Weiterbildung sowie Fortbildung eines Arztes.
Das Arzt-Patienten-Gespräch
Das Arzt-Patienten-Gespräch ist ein Ergebnis der Arzt-Patienten-Beziehung, das sich seit dem 17. Jahrhundert, welches sich bis ins 19. Jahrhundert fortführte, entwickelt hat. Gemeint ist die typische „Face-to-Face-Kommunikation“, darunter zählen auch:
- Alltagsgespräche
- sachbezogene Kurzgespräche
- Gedankenaustausch
- Konfliktgespräche zwischen zwei Personen
- Arbeitsgespräche
- Diskussionen
- Auseinandersetzungen
- Frage-Antwort-Sequenzen
Im Rahmen der Digitalisierung stehen auch Internet-basierte Kommunikationsangebote für Patienten zur Verfügung. Diese Form sollte allerdings nicht das persönliche Gespräch ersetzen. Das Arzt-Patienten-Gespräch umfasst folgende Ziele, die sich aus dem Modell von 1990 von den Wissenschaftlern Bird und Cohen-Cole ableiten und umformuliert wurden:
- eine Beziehung entwickeln, beibehalten und abschließen
- die Art des Problems identifizieren und im Verlauf überwachen
- Vermitteln von Informationen an den Patienten sowie Behandlungspläne implementieren.
Die Arzt-Kind-Kommunikation
Kinder sind eine besondere Patientengruppe. Die Herausforderung besteht darin, mit dem Kind zu kommunizieren und hierbei sowohl informieren als auch betreuen zu können. Einerseits wird das Kind als Patient gefordert und andererseits auch die Eltern als Ansprechpartner. Heutzutage sollte aber auch ein Kind in ein Arztgespräch mit einbezogen werden – es entsteht eine sogenannte Dreiecksbeziehung, die auch zu Konflikten führen kann und das Kind, den eigentlichen Patienten, in den Hintergrund rücken lassen.
Für eine gelungene Arzt-Kind-Kommunikation bedarf es insofern Gesprächstechniken, die den Arbeitsalltag erleichtern können und auch dem Kind gerecht werden. Die Anwendung von einfachen, kurzen und offenen Fragen kann dazu beitragen, das Kind in die Gesprächsführung mit einzubeziehen und zudem von dem Kind wichtige Hinweise in Bezug auf die Krankengeschichte zu erhalten.
Grundsätze und Gesprächstechnik
Es wird empfohlen, Kinder einfach, kurz und konkret und offen zu befragen. Beispiel hierfür wäre die erste Frage: „Was denkst du gerade?“ Lange Gespräche sind nicht notwendig, vielmehr wird von kurzen Gesprächen profitiert.
Nach folgenden Grundsätzen könne die Arzt-Kind-Kommunikation geführt werden:
- angemessene Gesprächssituation schaffen
- echte Zuwendung und Präsenz zeigen
- zieloffen vorgehen
- die Eigensprache des Kindes aufgreifen
- Verzicht auf Interpretation und Deutung
- Wertschätzung
Auch von Vorteil ist es, Pausen im Gespräch zuzulassen und abzuwarten, anstatt eine zielgerichtete geschlossene Frage nach der anderen zu stellen. Darüber hinaus kann auch eine besondere Gesprächssituation geschaffen werden, wenn der Arzt alle anderen aus dem Raum rausschickt und sich nur dem Kind widmet. Auch das registriert das Kind und nimmt Kenntnis von der exklusiven Zuwendung, die es erfährt.
Beispiel: Das Kind mit akutem Abdomen
Folgendes Beispiel zeigt eine Gesprächsführung, die die oben genannten Grundsätze beherzigt und sogar einen operativen Eingriff verhindern kann:
Ein fünfjähriger Junge mit Verdacht auf eine akute Appendizitis („Blinddarmentzündung“) wird in der Notfallambulanz aufgenommen. Der diensthabende Oberarzt zieht seinen Chefarzt hinzu, da die Ultraschallbefunde nicht eindeutig auf eine akute Appendizitis hinweisen. Der Chefarzt hat Zweifel an der Diagnose und führt folgendes Gespräch mit dem fünfjährigen Jungen, nachdem er alle anderen Fachpersonen aus dem Raum geschickt hat.
- Chefarzt: „Was denkst du gerade?“
- Junge: „Da ist was im Bauch.“
- Chefarzt: „Was ist im Bauch?“
- Junge: „Mama hat ein Kind im Bauch.“
- Chefarzt: „Oho, da glaube ich, dass du viel daran denkst“
Es entsteht eine Gesprächspause. Dann kommt der Junge wieder zu Wort.
- Junge: „Das Kind kommt bald raus“
- Chefarzt: „Und bei dir?“
- Junge: „Muss auch raus.“
Am Folgetag hat der Junge voluminösen Stuhlgang, seine abdominalen Beschwerden und die abwehrgespannte Bauchdecke sind verschwunden. Eine Operation wurde nicht nötig.
Gesprächsführung mit Kindern: Zeitintensiv?
Zeitmangel ist im klinischen Alltag gegenwärtig. Und insbesondere Gespräche mit Patienten kommen zu häufig zu kurz. Bei Kindern sind allerdings keine ausführlichen Gespräche möglich sowie erforderlich. Nicht die Quantität, sondern die Qualität des Gesprächs ist bedeutsam.
Das Kind soll zu Wort kommen und dem Arzt Informationen liefern, die er durch gezielte Fragestellungen sicher nicht bzw. nur bedingt beantwortet bekommen hätte.
Das Gefühl von Zugehörigkeit
Eine Arzt-Kind-Kommunikation dient nicht nur der Informationsbeschaffung, sondern kann sich auch positiv auf den Heilungsprozess des Kindes auswirken. Ein Kind, dessen eigene Sprache aufgegriffen wird, spürt, dass der Arzt ihm zuhört und fühlt sich von diesem verstanden. Das Kind macht die Erfahrung „Meine Äußerungen werden wahrgenommen und beantwortet.“ Bei einem Kind, das sich verstanden fühlt, können sich Heilungsprozesse beschleunigen und die Erfolge therapeutischer Maßnahmen erhöhen.
Von einer solchen Gesprächsführung, die einfach, kurz und konkret und mit offenen Fragen ausgestattet ist, profitiert man gleichermaßen und es ist darüber hinaus nicht zeitintensiv. Eine einfühlsame und kindgerechte Kommunikation ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg.