Lange Arbeitszeiten, permanenter Druck keine Fehler zu machen und ständig helfen zu müssen, hohe Anforderung an sich selbst, wenig Pausen, Überlastung, Stress bis zum Burnout – Ärzte haben ein hohes Risiko, sich in eine Abhängigkeit oder eine Sucht zu begeben.
Nach getaner Arbeit auf dem Weg nach Hause noch ein Sprung in den Bar oder zu Hause mit einem oder mehreren Gläschen guten Weines entspannen um den Stress zu vergessen. Man hat gute Arbeit geleistet und hat es sich verdient. Fängt es anfangs am Freitagsabend mit dem Wochenende an, wird es rasch zur täglichen Regel. Schlechte Laune am nächsten Morgen, leichte Reizbarkeit, mangelnde Konzentration, Fehler, Kritik an der Arbeit, das nächste Glas am Abend – der Teufelskreis beginnt. Aus Gennusstrinken wird Alkoholmissbrauch, die Sucht ist nicht mehr zu verleugnen.
Ärzte sind vor Drogenmissbrauch oder Alkoholismus nicht geschützt, genauso wenig wie vor Herzinfarkten oder anderen schweren Krankheiten. Ganz im Gegenteil gibt es viele Indikatoren, die auf ein hohes Suchtpotential hinweisen. Dies wurde in einer anonymen Umfrage unter Ärztinnen und Ärzten bestätigt: 10 Prozent gab an, dass regelmäßiger Alkohol- oder Medikamentenkonsum auf sie zutrifft oder stark zutrifft, um dem Stress zu entkommen. Weitere 20 Prozent gaben an, dass sie teilweise zu den Suchtmitteln greifen. Dies sind schockierende Zahlen, bedeutet dies doch theoretisch, dass mehr als 100.000 Ärzte in Deutschland ein Suchtproblem haben könnten.
Selbst in fortgeschrittenen Stadien einer Suchterkrankung sind Ärzte häufig nahezu unauffällig. Sollten doch einmal kleine Ausrutscher auftreten, verhilft ihnen ihr geschulter Intellekt meistens zu einer guten Ausrede. Daneben können viele Ärzte ihr Problem über Jahre kaschieren, weil sie den einfachsten Zugang zu Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepinen haben. Sie können sich selbst ein Rezept über Angehörige ausstellen oder gehen einfach zum Medikamentenschrank. Die Sucht wird versteckt, die tägliche Arbeit in der Klinik oder in der Praxis und die Beziehungen zu den Kollegen bleiben lange intakt. Die betroffenen Ärzte wissen, dass viel auf dem Spiel steht und mobilisieren alle Kräfte, um nicht aufzufallen. Und die Kollegen und Familie schauen weg, schließlich möchte man einem angesehenen Arzt keine Abhängigkeit unterstellen.
Treten vermehrt über einen langen Zeitraum Symptome auf wie private und persönliche Probleme, körperliche Beschwerden, Erschöpfung, Müdigkeit, Sorgen und depressive Verstimmungen ist schließlich der einzige Weg aus der Sucht wie bei allen anderen Menschen die Therapie. Wird diese erfolgreich durchgeführt, reduzieren sich die gesundheitlichen und beruflichen Komplikationen und die Freude am Leben und an der Arbeit kehrt zurück. Doch der Weg aus der Sucht ist nicht zu Ende; nur die ambulante Nachsorge bei einem Therapeuten oder Arzt führt zu langfristiger Abstinenz. Die Aufrechterhaltung der Abstinenz erfordern wiederum Zeit und Anstrengung, die zusätzlich aufgebracht werden müssen, um dem Rückfall vorzubeugen.
Der Arzt – der Elitealkoholiker. Auch Intellekt, Bildung und Ansehen schützen nicht vor einer Sucht. Was denkt Ihr, sind Ärzte durch die allgemeinen Arbeitsbedingungen, die Verantwortung und die Umstände höher gefährdet als andere Berufsgruppen?
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