Arbeitgeber/innen sind laut Gesetzgeber zur Arbeitszeiterfassung ihrer Mitarbeiter/innen verpflichtet. So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Was dieses Urteil für Praxisinhaber/innen bedeutet, warum es überhaupt eingeführt wurde, wie die Umsetzung erfolgen kann und warum es bei den Experten/-innen viel Aufsehen erregt hat, wird nachfolgend erläutert.
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Arbeitszeiterfassung für Praxisinhaber/innen
Laut Forschungen kamen im Jahr 2021 rund 1,7 Milliarden Überstunden zustande. Sie lassen sich je nach Auftragslage nicht immer vermeiden. Das Problem ist jedoch: Etwa 50 Prozent der Überstunden wurden nicht entlohnt. Möglich ist dies dadurch, dass sie nicht dokumentiert werden. Das soll mit der verpflichtenden Arbeitszeiterfassung ein Ende haben. Sie betrifft alle Arbeitgeber/innen in Deutschland und damit ebenso Praxisinhaber/innen. Der Europäische Gerichtshof hat die Arbeitgeber/innen bereits 2019 dazu verpflichtet, die Arbeitszeit systematisch zu erfassen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollte die Pflicht zur Dokumentation wesentlich schärfer regeln und legte im Februar des Jahres 2022 einen Gesetzentwurf vor, der die digitale Erfassung für verschiedene Branchen zur Pflicht macht.
Nicht erfasste und somit unbezahlte Überstunden können in vielen Situationen zustande kommen, zum Beispiel:
- Dienstliche Telefongespräche in der Freizeit
- Beantwortung von E-Mails an den Wochenenden
- Verlängerung der Schicht ab und an um eine halbe Stunde
So können sich im Laufe der Woche und Monate viele nicht erfasste Überstunden anhäufen, die nicht bezahlt werden. Mit der Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit handelt es sich für Praxisinhaber/innen hierbei um Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz. Damit haben sowohl Arbeitnehmer/innen als auch Arbeitgeber/innen stets einen guten Überblick, wie viele Stunden sie bereits geleistet haben. 2019 hat der Europäische Gerichtshof dazu schon ein Urteil verkündet. Wenn das Arbeitsschutzgesetz nach dem entstandenen Stechuhr-Urteil ausgelegt wird, sind Arbeitgeber/innen hierzulande ohnehin dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten der Mitarbeiter/innen aufzuzeichnen. Eine Rückkehr zur Stechuhr, der digitalen Zeiterfassung, mit der man die Stundenzettel abschaffte, wird es wahrscheinlich nicht geben. Die Erfassung regelt nicht nur die exakte Dokumentation der geleisteten Arbeitsstunden, sondern ebenso:
- Höchstarbeitszeiten
- Ruhezeiten und -pausen
Ruhezeiten und Pausen zählen nicht zur Arbeitszeit. Bei einigen Jobs gibt es Ausnahmen bei den Regelungen, beispielsweise bei Chefärzten/-innen.
Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes kam zustande, da es zwischen einem Betriebsrat einer vollstationären Wohneinrichtung und einem Arbeitgeber über das Initiativrecht zu Streitigkeiten bezüglich der Einführung der Arbeitszeiterfassung kam. Der Fall ist vor dem Hammer Landesarbeitsgericht gelandet. Zahlreiche Arbeitgeber/innen erfassen die Arbeitszeiten bereits verantwortungsvoll. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Welches System sich am besten eignet, hängt von unterschiedlichen Aspekten ab, zum Beispiel:
- Größe des Unternehmens, in dem Fall der Praxis
- Digitalisierungsgrad
- Arbeitszeitmodelle
Folgende Optionen stehen zur Auswahl:
Stationäres System
Die Mitarbeiter/innen melden sich mit einer Karte, einem Chip oder per Fingerabdruck an einem Terminal an und nach Schichtende ab.
Stempeluhr
Die Stempeluhr ist in Zeiten digitaler Datenverarbeitung nicht mehr zukunftsfähig.
Niederschrift
Die Mitarbeiter/innen notieren den Beginn und das Ende der Arbeitsschicht per Hand. Auch die Pausenzeiten werden festgehalten und von der Arbeitszeit abgezogen. Dafür kann man die passenden Stundenzettel herunterladen.
Excel-Tabelle
Gerade für kleinere Unternehmen, wie Arztpraxen, kann auch die Arbeitszeiterfassung per Excel-Tabelle sinnvoll sein. Nachteile sind, genau wie beim Stundenzettel, mögliche Fehler bei der Eingabe, mangelnde Möglichkeiten der Kontrolle und zudem lässt sich die Excel-Tabelle einfach manipulieren.
Grundsätzlich eignen sich in Arztpraxen zur Erfassung der Arbeitszeit elektronische Lesegeräte genau wie Excel-Tabellen oder Stundenzettel. Welche Methode man auch nutzt, bei der Einführung sollte immer größtmögliche Transparenz im Vordergrund stehen. Es geht nicht um die Überwachung der Mitarbeiter/innen.
Fazit
Nach dem jüngsten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom September 2022 besteht hierzulande für Arbeitgeber/innen und somit ebenso für Praxen eine Pflicht zur objektiven und zuverlässigen Erfassung der Arbeitszeit. Sie dient der Überprüfung der exakt geleisteten Arbeitsstunden, wovon beide Seiten profitieren: Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen. Wer die Arbeitszeiten der Mitarbeiter/innen nicht erfasst, handelt rechtswidrig.