
Eigentlich dürfen Ärztinnen und Ärzte in deutschen Krankenhäusern maximal 48 Stunden die Woche arbeiten, so ist es im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) geregelt. Der Tarifvertrag sieht sogar nur 42 Wochenarbeitsstunden vor. Die Realität ist weit davon entfernt. Schon vor der Corona-Pandemie arbeitete mehr als ein Drittel der Ärzteschaft deutlich mehr. Die Pandemie hat die Arbeitsbelastung zusätzlich verstärkt. Immer mehr ärztliche Mitarbeitende planen deshalb eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit.
Hohe Belastung für Klinikärztinnen und Klinikärzte lange bekannt
Wie belastend der Alltag in der Klinik vor der Pandemie war, haben etliche Erhebungen dokumentiert. So lag laut Statistischem Bundesamt (Destatis) die Arbeitszeit bei einem Drittel der Ärztinnen und Ärzte im Jahr 2018 über den gesetzlich geregelten 48 Wochenarbeitsstunden. Kein anderer Gesundheitsberuf hat vergleichbar lange Arbeitszeiten.
Der Marburger Bund kommt in einer Umfrage aus dem Jahr 2017 sogar auf eine noch längere Wochenarbeitszeit. 40 Prozent der Klinikärztinnen und Klinikärzte arbeiteten demnach inklusive aller Dienste und Überstunden zwischen 49 und 59 Stunden die Woche. Für weitere 20 Prozent waren sogar zwischen 60 und 80 Stunden pro Woche die Norm.
Arbeitszeit: Corona-Pandemie verstärkt Belastung
Wie sich die Pandemie auf die Arbeitszeiten der Ärzteschaft auswirkt, hat der Marburger Bund Baden-Württemberg im Oktober 2020 im Rahmen einer Umfrage unter rund 2.300 Ärztinnen und Ärzten eingefangen. Demnach arbeitet die Mehrheit der ärztlich Beschäftigten in Vollzeit mehr als 51 Stunden pro Woche.
Diese Ergebnisse untermauert eine Erhebung der Sächsischen Landesärztekammer, an der 987 ärztlich Beschäftigte teilnahmen. Die meisten Ärztinnen und Ärzte in Sachsen arbeiten mehr als vertraglich vereinbart. Während die vereinbarte Stundenzahl in Vollzeit im Durchschnitt bei 34,6 Wochenarbeitsstunden lag, arbeiteten in der Ambulanz beschäftigte Medizinerinnen und Mediziner durchschnittlich drei Stunden extra. Im stationären Bereich war die Diskrepanz noch größer, die tatsächliche Wochenarbeitszeit lag 13 Stunden über der vereinbarten Zahl. Bei den Teilzeitbeschäftigten arbeiteten nur knapp 25 Prozent weniger als 40 Stunden die Woche.
Überschreitung der Arbeitszeit ist Risiko für Patientensicherheit und Gesundheitssystem
Die chronische Überschreitung der vereinbarten und rechtlich festgelegten Arbeitszeiten ist klar dokumentiert und stellt ein doppeltes Risiko dar – für die Patienten und das Gesundheitssystem.
Die überlangen Arbeitszeiten führen laut der vom Marburger Bund Baden-Württemberg durchgeführten Umfrage regelmäßig zu kritischen Situationen. Demnach gaben 65,3 Prozent der befragten Medizinerinnen und Mediziner an, mehrmals pro Monat Situationen zu begegnen, in denen die Patientensicherheit durch überlastete Ärzte gefährdet sei. 46 Prozent der Befragten beobachteten solche Situationen wöchentlich. 11,4 Prozent sahen die Gefährdung der Patientensicherheit gar Tag für Tag.
Viele Ärztinnen und Ärzte wollen weniger arbeiten
Immer mehr Ärztinnen und Ärzte sind mit ihrer Arbeitssituation unzufrieden, haben nicht genug Zeit zur Erholung und für das Privatleben und planen eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit.
Laut der Erhebung der Sächsischen Landesärztekammer wollen mehr als ein Drittel der Befragten die Wochenarbeitszeit reduzieren. Ein Drittel hat diesen Schritt bereits getan. Die Gründe sind Arbeitsbelastung, schlechte Work-Life-Balance und zu wenig Zeit für Kinderbetreuung.
Die massenweise Reduzierung der Arbeitszeiten stellt eine Gefahr für das Gesundheitssystem dar. Denn, obwohl es immer mehr Ärztinnen und Ärzte in Deutschland gibt (siehe BÄK-Ärztestatistik), steigt auch der Versorgungsbedarf. Die Pandemie hat die Sorge um den Ärztemangel deutlicher hervortreten lassen.