Junge Mediziner bleiben ihrer Ausbildungsklinik selten treu. An der Bezahlung liegt die hohe Fluktuationsrate allerdings nicht. Wer den Mediziner-Nachwuchs halten will, muss vor allem kreative Karrieremöglichkeiten bieten. Auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit diskutierten Kliniker über neue Berufsbilder und mehr Wertschätzung für junge Ärzte.
Der Mediziner-Nachwuchs bleibt einer Klinik selten treu
Die Fluktuationsrate unter Klinikärzten ist groß. Eine Erhebung an der Uniklinik Münster hat gezeigt, dass in erster Linie junge Ärzte ihren Arbeitsplatz verlassen und sich nach neuen Karrieremöglichkeiten umsehen. Viele warten überhaupt nicht ab, bis sie die Stufe des Oberarztes erreicht haben, sondern verlassen die Klinik bereits als Facharzt. Vor allem kleinere und abgelegenere Klinikstandorte haben es schwer, ihren Mediziner-Nachwuchs zu halten.
Professor Klaus Hahnenkamp ist Direktor der Klinik für Anästhesiologie an der Universitätsklinik Greifswald und kennt das Phänomen. Doch ihm ist es gelungen, junge Ärzte an seine Klinik zu binden – und das an einem eher kleinen, ländlichen Standort mit alternder Bevölkerung. Wie hat er das geschafft? Auf dem Hauptstadtkongress stellte er sein Konzept vor. Es basiert auf einer Neuausrichtung der Facharzttätigkeit und kreativen Karrierechancen.
Wertschätzung und Mitarbeitergespräche wichtiger als Geld
Vor seiner Tätigkeit in Greifswald arbeitete Hahnenkamp in Münster und startete mit seinen Kollegen die erwähnte Umfrage unter jungen Ärzten. Das Ergebnis: Mit ihrem Gehalt als Arzt sind die meisten jungen Mediziner zufrieden. Sie wünschen sich vor allem mehr Wertschätzung am Arbeitsplatz und strukturierte Mitarbeitergespräche. Hahnenkamp und Kollegen verglichen ihre Ergebnisse mit Umfragen aus vier weiteren Unikliniken. Das Bild bestätigte sich überall: Mehr Geld hält junge Ärzte nicht am Klinikstandort – mehr Wertschätzung und eine bessere Mitarbeiterführung schon.
Hahnenkamps Konzept für die Greifswalder Uniklinik folgt den Ergebnissen seiner Erhebung. Er bietet dem Mediziner-Nachwuchs Mitarbeitergespräche nach fester Checkliste an. Außerdem gibt es ein Trainingscenter mit interprofessionellen Kursen für Ärzte und Pflegepersonal und für Assistenzärzte zwei Weiterbildungswochen pro Jahr. Darüber hinaus versucht Hahnenkamp, die jungen Ärzte mit neuen Berufsbildern zu halten. Dafür hat er die Stelle des Telenotarztes geschaffen, der Rettungssanitäter bei ihrem Einsatz unterstützt. Sechs Rettungswagen sind bislang mit der notwendigen Technik an Bord unterwegs, ein Innovationsfond fördert das Projekt.
Mit Digitalisierung anlocken
Auf neue Berufsbilder setzt auch Frank Merkle, Direktor am Steinbeis-Transfer-Institut Medicine and Allied Health. Sogenannte Physician Assistent (PA) sollen den Ärzten administrative Aufgaben abnehmen und ihnen mehr Freiraum für ihre medizinische Tätigkeit geben. An der Uniklinik Frankfurt versucht man derweil, den Medizinern die Dokumentationsaufgaben mit Hilfe von Computern zu erleichtern. Ärzte diktieren oder notieren wie gewohnt ihre Daten. Über ein System zur natürlichen Sprachverarbeitung nimmt ein Computer die Daten auf, wertet bestimmte Begriffe aus und strukturiert diese automatisch. Das vereinfacht zum Beispiel das Erstellen von Arztbriefen. Ein Integrationszentrum ermöglicht den schnellen Austausch mit anderen Kliniken. Für die Digitalisierungsmaßnahmen wird unter anderem IBMs Supercomputer Watson genutzt.
Unterstützende Berufsbilder und digitale Assistenten haben aber auch ihre Grenzen: Sie können keine Pflegeprobleme lösen oder gar den Ärztemangel beheben. Sie können aber eine Chance für kleine Kliniken sein, ihr Personal zu halten.