Die Krankenhäuser stehen vor großen Herausforderungen, wie sich seit langem im ...

Anne ist Stationsärztin und muss aufgrund von Personalengpässen seit einigen Monaten auch Patienten/-innen anderer Stationen betreuen. Die Arbeitslast ist enorm hoch und Anne findet kaum noch Zeit zu schlafen. Während eines anstrengenden Nachtdienstes ist ihre Energie dann vollständig aufgebraucht. Sie wird mit der Diagnose Burnout in eine psychiatrische Klinik aufgenommen.
Annes Geschichte ist kein Einzelfall. Insbesondere bei Arbeitnehmern/-innen im Gesundheitswesen nimmt die Arbeitsbelastung durch den demographischen Wandel in Verbindung mit dem Fachkräftemangel kontinuierlich zu. Hinzu kommt die Corona-Pandemie, die in den letzten zwei Jahren häufig zu überbelegten Stationen geführt hat und das Gesundheitssystem bis heute vor eine Herausforderung stellt. Die Ergebnisse einer US-amerikanischen Studie belegen, dass mehr als 50 Prozent der Ärzte/-innen Burnout-Symptome zeigen. Besonders betroffen seien Intensivmediziner/innen, Allgemeinmediziner/innen und Neurologen/-innen. Vor diesem Hintergrund gewinnt eine gelungene Wiedereingliederung von physisch und psychisch erkrankten Arbeitnehmern/-innen im Gesundheitswesen an Bedeutung.
Das betriebliche Eingliederungsmanagement und das Hamburger Modell sind Konzepte, die der Gesetzgeber zum Zweck des Wiedereinstieges von Arbeitnehmern/-innen formuliert hat. Unabhängig davon, welche Maßnahme für die Wiedereingliederung gewählt wird, gilt es einige grundlegende Regeln zu befolgen. Nach einer kurzen Vorstellung beider Konzepte werden im Folgenden Tipps vorgestellt, die Arbeitgebern/-innen dabei helfen, den Wiedereinstieg von Teammitgliedern wie Anne erfolgreich zu bewältigen.
Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM)
Das BEM greift gem. §167 Abs. 2 SGB XI automatisch, sobald ein/e Arbeitnehmer/-in länger als sechs Wochen im Jahr krankheitsbedingt ausfällt. Der Arbeitgeber wird hier vom Gesetzgeber in die Pflicht genommen ein BEM-Gespräch zu führen. Ziel ist es, durch den Einsatz praktischer Mittel wie bspw. der Umgestaltung des Arbeitsplatzes die Arbeitsfähigkeit des/der Arbeitnehmers/-in wiederherzustellen. Der Eingliederungsprozess ist dann jedoch ergebnisoffen. Möglicherweise stellt sich heraus, dass der/die Arbeitnehmer/in nicht mehr arbeitsfähig ist und eine erneute Aufnahme des Berufs nicht durchführbar ist.
Das Hamburger Modell
Die Wiedereingliederung nach §74 SGB V (oder auch Hamburger Modell) bietet die Möglichkeit, Arbeitnehmer/innen individuell und gemäß ihrem physischen und psychischen Zustand schrittweise wieder in den Berufsalltag zurückzuführen. Durch die wöchentliche Erhöhung der Arbeitszeiten kann sich der/die Arbeitnehmer/in in einem gesunden Verhältnis innerhalb von sechs Wochen bis sechs Monaten wieder an die Arbeit gewöhnen. Im Ergebnis soll die volle Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt werden.
Voraussetzung, um das Hamburger Modell in Anspruch zu nehmen, ist die Mitgliedschaft des/der Arbeitnehmer/-in in einer gesetzlichen Krankenkasse. Außerdem die Bestätigung einer hinreichenden Belastungsfähigkeit durch den/die behandelnde/n Arzt/Ärztin. An dieser Stelle ist die Relevanz des Wiedereingliederungsplans zu betonen. Damit ein/e Arbeitnehmer/in nicht in kürzester Zeit wieder rückfällig wird, muss der Wiedereinstieg in den Beruf durch den/die behandelnde/n Arzt/Ärztin in Absprache mit dem betroffenen Teammitglied und dem Arbeitgeber genau geplant werden. Beginn und Ende der Arbeitszeiten, Tätigkeiten und Belastungsgrenzen, sowie weitergehende Unterstützung und Tipps nach Beendigung der Maßnahme sollten vorab festgelegt werden. Das Mitwirken durch den Arbeitgeber spielt für den Erfolg des Hamburger Modells spielt demnach eine entscheidende Rolle.
Gemeinsame Wahl des Modells
Um dem Teammitglied frühzeitig Unterstützung zuzusichern und damit die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Wiedereingliederung zu erhöhen, bietet sich ein persönliches oder telefonisches Gespräch an. In diesem Rahmen können Bedingungen für das BEM und das Hamburger Modell aufzeigt und besprochen werden. Durch das Aufsuchen des Gesprächs vermitteln Sie als Arbeitgeber aufrichtiges Interesse am Wohlbefinden des/der Arbeitnehmers/-in und stärken die Mitarbeiterbindung. Die Wahl des Modells erfolgt letztendlich zusammen mit dem/der behandelnden Arzt/Ärztin.
Der Schlüssel ist Kommunikation
Wenn Arbeitnehmer/innen nach längerer Krankheitszeit zurück in den Beruf kommen, stellt sich oft das Gefühl der Scham ein. Angehörige ärztlicher oder pflegerischer Berufe plagt das schlechte Gewissen, dass das eigene Fernbleiben vom Arbeitsplatz ihren Kollegen/-innen zusätzlich mehr Arbeit verschafft hat. Umso wichtiger ist es hier, Verständnis zu zeigen. Ein krankheitsbedingter Ausfall ist zwar für das Krankenhaus oder die Praxis sehr ärgerlich, in erster Linie ist es aber für den/die betroffene/n Arbeitnehmer/in ein gravierender Einschnitt in sein/ihr Leben. Die Aufgabe des Arbeitgebers ist es an dieser Stelle eine anerkennende Atmosphäre zu schaffen, damit sich das Teammitglied wohl fühlt und gerne wieder ins Arbeitsleben zurückfindet. Wird die transparente Kommunikation hier verfehlt, besteht die Gefahr, dass der/die Arbeitnehmer/in nach kurzer Zeit wieder berufsunfähig wird.
Aktive Mitgestaltung
Neben offener und ehrlicher Kommunikation spielt die Umsetzung des Besprochenen eine entscheidende Rolle. Finden Sie gemeinsam mit dem/der betroffenen Arbeitnehmer/in die Ursachen für den Ausfall und treffen Maßnahmen, um diese zu bekämpfen. Mögliche Ideen sind hier die dynamische Umgestaltung des Arbeitsplatzes, das Erschaffen von Ruheräumen oder die Etablierung wöchentlicher Austauschgespräche. In diesem Rahmen kann potenziellen psychischen oder sozialen Problemen im Team frühzeitig begegnet werden.
Prävention – Handeln, bevor es zu spät ist
Die konsequente Umsetzung der Maßnahmen zur Wiedereingliederung hat das Ziel, zukünftige Burnout-Diagnosen und andere umweltbedingte Erkrankungen des betroffenen und anderen Teammitgliedern zu verhindern. Dementgegen stehen jedoch grundlegende strukturelle Probleme, denen Arbeitgeber nur minimal entgegenwirken können. Als Arbeitgeber des Gesundheitswesens werden Sie hier vor eine große Herausforderung gestellt. Der zukünftig weiter steigende Fachkräfteengpass resultiert in einer immer höheren Arbeitsbelastung von Berufsgruppen des Gesundheitswesens. An dieser Stelle müssen aktiv Maßnahmen ergriffen werden, um Ärzte/-innen, sowie pflegerisches Personal bestmöglich zu entlasten. Obergrenzen für Arbeitsstunden innerhalb eines Dienstes oder eines Monats können eine Möglichkeit sein, Arbeitslast zu reduzieren. Gleichzeitig muss hier die individuelle Umsetzbarkeit genau geprüft werden. Im schlimmsten Fall können interne Regeln wie diese einen zusätzlich höherer Stressfaktor darstellen, da Arbeit liegen bleibt oder schneller Fehler passieren. Im regelmäßigen Austausch und durch das gemeinsame Einbringen von Ideen durch ärztliches und pflegerisches Personal können Ansätze zur individuell bestmöglichen Entlastung erarbeitet und umgesetzt werden.
Regelmäßiges Feedback
Für die regelmäßige Beurteilung und Optimierung getroffener Maßnahmen spielt überdies das Feedback durch die Mitarbeiter/innen eine wichtige Rolle. Damit die Wiedereingliederung erfolgreich ist, müssen besprochene Inhalte getestet und bewertet werden. Sollte das betroffene Teammitglied bspw. doch noch nicht gesund genug für die besprochene Stundenanzahl sein, kann dies im Rahmen eines Feedback-Gesprächs besprochen und entsprechend angepasst werden. Im Prozess der Wiedereingliederung ergeben sich häufig auch erst Anregungen und Wünsche, die vorher nicht bekannt waren. Gleichzeitig bekommen Sie als Arbeitgeber die Möglichkeit, Probleme anzusprechen und die Arbeitsverteilung für die Zeit nach der Wiedereingliederung grob vorauszuplanen.
Fazit
Das Gesundheitswesen ist aktuell durch Personalmangel bei stetig steigenden Patientenzahlen geprägt. Psychischer Stress und damit verbundene Diagnosen wie bspw. Burnout werden bei Angehörigen von Berufsgruppen des Gesundheitswesens immer häufiger. Wer als Arbeitgeber des Gesundheitswesens Wert auf eine transparente Kommunikation in einer wertschätzenden Arbeitsatmosphäre legt, kann mit Hilfe des BEM oder des Hamburger Modells betroffene Arbeitnehmer/innen erfolgreich wieder in den Beruf eingliedern. Mit Blick auf die Zukunft müssen sich Arbeitgeber im Gesundheitswesen vor allem die Frage stellen, wie längere Krankheitsfälle langfristig vermieden werden können. Die individuelle Betrachtung und stetige Optimierung der Prozesse im eigenen Haus in Verbindung mit einer konsequenten mitarbeiterorientierten Kommunikation und Feedback-Kultur kann mögliche Problemstellen und Ansätze zur Verbesserung aufzeigen. So können auch zukünftig krankheitsbedingte Ausfälle wie bspw. der Burnout von Anne bestmöglich verhindert oder reduziert werden.