Als Ehepartner/in in der Arztpraxis zu arbeiten, stellt Ärzte/-innen und ...

Die aktuelle Situation in der Pflege verlangt von Arbeitgebern/-innen im Gesundheitswesen neue Wege, um Fachpersonal anzuwerben und zu halten. Überlastung der Mitarbeitenden durch Überstunden, Doppelschichten und Vertretungen von erkrankten Kollegen/-innen sind dabei der wichtigste Punkt, auf den man ein Auge haben sollte. Speziell im Gesundheitswesen gehen Arbeitgeber/innen daher neue Wege und setzen primär bei der Arbeitszeit an. Ein wichtiges Tool neben vielen anderen Arbeitszeitmodellen ist das Jobsharing. Hierbei teilen sich zwei Ärzte/-innen einen Arbeitsplatz in enger Absprache und entlasten sich gegenseitig.
Wir erklären hier, welche Voraussetzungen Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen schaffen müssen, damit Jobsharing optimal umgesetzt werden kann, und zeigen aktuelle Beispiele.
Jobsharing: Was ist das?
Jobsharing ist ein Arbeitszeitmodell, bei dem sich zwei (selten auch mehrere) Mitarbeiter/innen eine Vollzeitstelle teilen. Sie legen untereinander Aufgaben, Verantwortungsbereiche sowie Arbeitszeiten fest und erfüllen somit kooperativ die vertraglich festgelegte Gesamtarbeitszeit. Die gesetzliche Grundlage für das Jobsharing-Modell ist § 13 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).
Schon seit Jahren bewegt sich der Trend weg vom Modell der starren 40-Stunden-Woche hin zu flexibleren Arbeitszeitmodellen. Der Anteil der Arbeitnehmer/innen in Teilzeit liegt in Deutschland ohnehin über dem EU-Durchschnitt und es ist anzunehmen, dass vor allem im überlasteten Gesundheitswesen die Corona-Pandemie die Notwendigkeit hierzu noch verstärkt.
Jobsharing: Vor- und Nachteile
Jobsharing hat als modernes Teilzeitmodell mit großer Flexibilität branchenübergreifend viele Vorteile. Studien belegen, dass Jobsharer/innen i.d.R. zufriedener und leistungsfähiger sind als ihre regulär arbeitenden Kollegen/-innen. Allerdings steht und fällt das Modell mit der Zusammenstellung eines passenden Jobsharing-Teams. Nicht verschwiegen werden soll hier auch, dass das Modell sowohl Vor- als auch Nachteile sowohl für Arbeitgeber/in als auch Arbeitnehmer/in mit sich bringt.
Vorteile von Jobsharing
- höheres Engagement und gesteigerte Produktivität, besonders wenn Jobs nach individuellen Stärken und Vorlieben aufgeteilt werden
- gesteigerte Zufriedenheit mit und höhere Bindung der Mitarbeitnehmer/innen an das Unternehmen
- besserer Ausgleich bei Urlaub und Krankheit
- zielgenaue Besetzung von Stellen mit Mitarbeitern/-innen, die sich ergänzen oder voneinander lernen können
- bessere Verteilung von Verantwortung und somit geringeres Risiko für Stress, Krankheit und Burnout
- mehr Innovation durch unterschiedliche Blickwinkel
- weniger Fehler durch Vier-Augen-Prinzip
- verbessertes Employer Branding mit erhöhter Attraktivität für Bewerber/innen
- leichtere Eingliederung eventueller Nachfolger/innen, weil der/die Zurückbleibende diese einarbeitet
Nachteile von Jobsharing
- höherer Verwaltungs- und Organisationsaufwand für die Personalabteilung, da eine Jobsharing-Stelle jetzt zwei Arbeitnehmer/innen (und damit Verträge, Überweisungen, Urlaubsabrechnungen etc.) beinhaltet
- höhere Lohn- und Nebenkosten für eine Vollzeitstelle durch doppelten Verwaltungs- und Sozialversicherungsaufwand
- erhöhter Koordinationsaufwand durch Planung und Absprachen
- Schwierigkeit, die passenden Tandempartner/innen zu finden
- gesteigertes Konfliktpotenzial, falls die Jobsharing-Partner/innen nicht zueinander passen
Jobsharing: Diese Modelle gibt es
Jobsharing kann auf unterschiedliche Arten umgesetzt werden. Dies sind die gängigen branchenübergreifenden Beispiele:
- Job Pairing: Die Partner/innen stimmen ihre Aufgaben untereinander ab, teilen die Verantwortung für ihren Job und treffen wichtige Entscheidungen gemeinsam.
- Top Sharing: Die Partner/innen teilen eine Führungsposition und verantworten gemeinsam strategische Entscheidungen sowie die Führung ihrer Mitarbeiter/innen.
- Peertandems: Die Partner/innen teilen sich eine schwer zu besetzende Schlüsselposition oder eine Stelle, in der vielseitige Kompetenzen erforderlich sind.
- Succession Tandems: Ein erfahrene/r Mitarbeiter/in geht mit einer Nachwuchskraft ein befristetes Tandem ein mit dem Ziel, dass die Nachwuchskraft am Ende die Position des/-r älteren Kollegen/-in übernimmt.
- Crossfunctional/Crosscompany Tandem: Mit diesem Duett werden Schnittstellenfunktionen sinnvoll besetzt und Synergien genutzt, da hier Mitarbeiter/innen aus zwei Unternehmen (z.B. zwei benachbarten Krankenhäusern) auf einer Position arbeiten, um Know-how zu bündeln.
Jobsharing im Krankenhaus
Warum Jobsharing vor allem in Krankenhäusern eine sinnvolle Idee sein kann, liegt auf der Hand: In deutschen Krankenhäusern besteht derzeit ein akutes Versorgungsproblem, denn es fehlen rund 8.000 Fachkräfte. Außerdem gehen demnächst viele Ärzte/-innen und Pflegekräfte in den Ruhestand. Die Bleibenden leiden unter unbezahlten Überstunden, Doppelschichten, Krankheitsvertretungen, Leistungsdruck und Zeitknappheit. Viele würden daher gern ihre Arbeitszeit reduzieren.
Auch das Nachwuchs-Problem lässt sich mit Jobsharing eindämmen: Junge Ärzte/-innen wandern immer mehr ins Ausland ab oder wenden sich anderen Wirkungsbereichen abseits der restriktiven Arbeitszeiten des Krankenhauses zu. Wer heutzutage junge und qualifizierte Fachkräfte anwerben und halten will, muss künftig Arbeitsmodelle anbieten, die sich stärker an den Bedürfnissen des Klinikpersonals orientieren.
Jobsharing reduziert Überstunden und Stress
Wenn künftig ein Teil der Ärzte/-innen und Pflegekräfte sich mit einem/-r Kollegen/-in eine Stelle teilen würde, könnte dies vor allem das Problem der Überstunden eindämmen. Es ist erwiesen, dass zwei Halbtagskräfte eine Stelle effektiver besetzen als eine Vollzeitkraft, denn wenn jede/r nur vier Stunden pro Tag arbeitet, ist man in diesen vier Stunden geistig topfit und voll leistungsfähig. Teilzeit im Krankenhaus könnte so ohne Anhäufung von Überstunden realisiert werden.
Durch enge Zusammenarbeit, intensive Kommunikation und nahtlose Abstimmung beider Sharer/innen könnten außerdem künftig viele qualifizierte, bis dato nicht in Teilzeit ausführbare Stellen teilzeittauglich werden. Dieses Modell ist sogar für die Positionen Oberärzten/-innen und Chefärzten/-innen denkbar. Je nach Stellenanforderung und Mitarbeiterbedürfnissen sind die verschiedensten Teilungsmodelle denkbar: klassisches 50:50, selteneres 70:30 oder sogar 60:60, das vor allem für arbeitszeitintensive und stressbelastete Stellen eine Lösung wäre. Statt einem/-r überarbeiteten Oberarzt/-ärztin hat man dann zwei entspannte.
Jobsharing als Magnet für Fachkräfte
Weniger Überstunden und Stress sind natürlich ein eindeutiger Vorteil gegenüber anderen Arbeitgebern/-innen im Gesundheitswesen, wenn es um die Anwerbung von Fachpersonal geht. Durch die explizite Ausschreibung teilbarer Stellen positionieren sich Krankenhäuser als attraktive/r Arbeitgeber/in auf dem heiß umkämpften Markt für medizinisches Fachpersonal.
Aber nicht nur zukünftige Mitarbeiter/innen, sondern auch langjährig Beschäftigte in bestimmten Lebensphasen (z.B. Familiengründung, Elternzeit, Pflege der alternden Eltern, gesundheitliche oder private Probleme) profitieren vom Jobsharing. Sie können so ihre Arbeitszeit reduzieren, sich aber weiterhin in den Klinikalltag integrieren, ohne den Anschluss zu verlieren.
Außerdem bedeutet ein Tandem auf einer Vollzeitstelle doppelte Kompetenz und Produktivität. Durch beliebig kombinierbare Qualifikationen und Stärken der Jobsharer/innen können regelrechte „Super-Teams“ entstehen, die gemeinsam ein deutlich breiteres fachliches Spektrum abdecken können.
Beispiele für Jobsharing im Krankenhaus
Jobsharing wird bereits an vielen Krankenhäusern erfolgreich implementiert und die bisher berichteten Ergebnisse sind durchgehend positiv. Wie genau sich diese Praxis im Krankenhausalltag bewährt hat, zeigen wir hier an drei Beispielen: dem Krankenhaus Buchholz, der Geriatrie Essen und dem Universitätsklinikum Heidelberg.
Beispiel: Krankenhaus Buchholz
Das Krankenhaus Buchholz schrieb testweise eine Vakanz in der chirurgischen Notaufnahme sowohl als Vollzeit- als auch als eine halbe Stelle aus. Einer der Chefärzte im Haus hatte nämlich bemerkt, dass sich nicht genügen Ärzte/-innen auf Vollzeitstellen bewerben und daraufhin vorgeschlagen, Arbeitsangebote in Teilzeit auszuschreiben. Dr. Ellen Douglas, Geschäftsführerin der Krankenhaus Buchholz und Winsen Dienstleistungs-GmbH, sah dies ähnlich: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass derzeit in bestimmten Fachrichtungen der Markt geradezu leergefegt ist, und da muss man einfach schauen, wie man als Arbeitgeber attraktiv für Bewerber bleibt.“
Das Jobsharing-Modell stieß auf Interesse bei den Bewerbern/-innen und Dr. Douglas sah sofort die positive Resonanz: „Dadurch haben wir wieder Bewerber, die überhaupt Interesse zeigen und anfragen. Außerdem sind es keineswegs nur weibliche Ärzte, die sich für eine Teilzeitstelle interessieren. Gerade bei den Ärzten gehen viele männliche Kollegen auch lange in die Elternzeit.“
Natürlich bedeutet das Jobsharing Mehraufwand: Man muss zwei neue Mitarbeiter/innen eingearbeiten, und es fallen auch mehr Verwaltungskosten an. Aber Dr. Douglas findet: „Das ist immer noch besser, als wenn wir gar keinen für den Job hätten. Ich muss schließlich auch an das übrige Personal im Krankenhaus denken, das andernfalls weiterhin überlastet ist und schlicht die Arbeit der unbesetzten Stelle übernehmen muss.“
Positiv sei außerdem, dass ein/e kranke/r Teilzeitmitarbeiter/in, der/die krank werde, nur mit einer halben Arbeitszeit ausfalle und durch den/die Kollegen/Kollegin, mit dem/-r er/sie sich die Stelle teilt, bestmöglich vertreten wird.
Grundsätzlich ist das Krankenhaus Buchholz bei der Arbeitszeitgestaltung der Teilzeitstelle flexibel: Wer halbe Tage arbeiten will, kann das ebenso tun wie jemand, der lieber mehrere volle Tage kommt und dafür den Rest der Woche zu Hause bleiben kann, oder man macht nur Nachtdienste. Bis jetzt hat das Modell problemlos funktioniert.
Beispiel: Geriatrie Essen
Um mehr Zeit für Fortbildung, Familie und private Interessen zu haben, fassten im Januar 1993 zwei Assistenzärzte einer Klinik für Geriatrie in Essen mit 60 Betten (Stellenschlüssel: ein Chefarzt, ein Oberarzt, zwei Assistenzärzte, ein Arzt im Praktikum) den Plan, ihre Stellen über einen Testzeitraum von drei Jahren in drei Zwei-Drittel-Stellen umzuwandeln. Sie hatten mit starker Überstundenbelastung zu kämpfen und wollten die Stellen so aufteilen, dass sich jeweils eine Vollzeitphase und eine Freizeitphase abwechselte.
Als Maßstab galt die normale Jahresurlaubszeit einer Vollstelle von sechs Wochen. Die Abwesenheit während der Freiphase sollte diesen Zeitraum nicht überschreiten. Diese Arbeitszeit-Ausgestaltung sollte zwei Voraussetzungen erfüllen: Zum einen sollte im Hinblick auf die Stationsarbeit durch eine möglichst lange Arbeitsphase größtmögliche Kontinuität gehalten werden. Zum anderen sollte die Freiphase nicht so lang sein, dass der Wiedereinstieg erschwert würde. Ausgestaltet wurde dies konkret mit einer viermonatigen Arbeitsphase und einer zweimonatigen Freiphase. Dabei waren stets zwei Ärzte im Dienst und einer in der Freiphase.
Gemeinsam mit Chef- und Oberarzt realisierte man diesen Entwurf, für welche die Stellenteilung hingegen mit zusätzlichen Belastungen verbunden waren. Vor allem bei der individuellen Betreuung von Patienten/-innen mit langwierigen Verläufen war persönliche Präsenz erforderlich. Die Stationsschwestern und übrigen Kollegen/-innen berichteten jedoch keine zusätzliche Belastung.
Das Jobsharing kam für das Sharer-Team jedoch mit Einkommensabstrichen einher. Denn das Gehalt einer Vollstelle überschritt die Beitragsbemessungsgrenze um einen höheren Betrag als das einer Zwei-Drittel-Stelle. Diese Mehrkosten waren für die Modelllaufzeit zwar gering, würden aber bei vermehrten Stellenteilungen finanziell durchaus relevant werden.
Die teilenden Ärzte und ihre Angehörigen waren von der gefundenen Regelung dennoch begeistert. Die am Modellversuch Beteiligten beschrieben ausgeglichenere Laune und größere Belastbarkeit. Die Ermöglichung von Fortbildungen in den Freiphasen bereicherte die fachliche Qualität der Arbeit und wissenschaftliches Arbeiten wurden durch die Freiphase überhaupt erst möglich. Auch das Familienleben konnte durch mehr Zeit für Partnerschaft und Kinder intensiviert werden. Durch die Entlastung von der Kindererziehung konnten die Ehefrauen in den Freimonaten sogar ihren Beruf wieder aufgreifen oder sich persönlichen Interessen zuwenden, was ebenfalls zur Zufriedenheit innerhalb der Familie beitrug. Daneben blieb noch Zeit für Urlaub und private Aktivitäten, die ohne die Stellenteilung nicht möglich gewesen wären. Durch das geringere Einkommen traten für die Kollegen mit Mehrpersonenhaushalt Einbußen im Lebensstandard auf, die jedoch zugunsten der Vorteile akzeptiert wurden.
Beispiel: Universitätsklinikum Heidelberg
In der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik in Heidelberg wird derzeit (Mitte 2022) im Rahmen eines Modellversuchs auf der Psychotherapiestation ein spezielles Jobsharingmodell für Ärzte/Ärztinnen mit Kindern entwickelt, implementiert und evaluiert. Es soll den in Teilzeit arbeitenden Eltern die Möglichkeit bieten, die für die Facharztweiterbildung notwendigen stationären Rotationen zu durchlaufen. Ziel des Versuchs ist es, mit dem Jobsharingmodell für Eltern ein familienfreundliches Arbeitszeitmodell zu entwickeln. Es soll den Bedürfnissen der Ärzte/-innen entgegenkommn und dabei die personelle Funktionsfähigkeit der Klinik gewährleisten.
Das Konzept sieht folgendes vor: Eine Vollzeitarztstelle auf der Psychotherapiestation wurde im Modellversuch für ein Jahr in zwei 60%-Teilzeitarztstellen umgewandelt. Die beiden neu geschaffenen Teilzeitstellen wurden mit Ärzten/Ärztinnen in der Facharztweiterbildung (Facharzt/-ärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie bzw. Facharzt/-ärztin für Innere Medizin) besetzt, die Väter/Mütter kleiner Kinder sind. Die beiden Jobsharingpartner teilen sich aktuell ein Arbeitszimmer auf der Psychotherapiestation mit doppelter Ausstattung. Dies verkürzt die Kommunikationswege und erleichtert den Austausch zwischen den Jobsharingpartnern. Die beiden Jobsharingpartner treffen flexible Absprachen bzgl. der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit und vertreten sich gegenseitig in der Urlaubszeit. Dabei wird eine Kernarbeitszeit mit Anwesenheitspflicht in Absprache mit dem Oberarzt und dem interdisziplinären Stationsteam vorab festgelegt. Das Modell finanziert sich aus Eigenmitteln. Denn die Aufstockung um den 20-prozentigen Stellenanteil (da zwei 60-Prozent-Stellen, sprich eine 120-Prozent-Stelle) ist nicht im regulären Budget enthalten.
Erwartet wird bei Modellablauf Mitte nächsten Jahres, dass das Jobsharingmodell es Ärzten/-innen in oder nach der Elternzeit ermöglicht hat, die für den Facharzttitel notwenigen stationären Rotationszeiten abzuleisten und gleichzeitig für ihre Familien da zu sein. Bei erfolgreichem Projektabschluss soll das Jobsharingmodell durch Aufnahme in den Stellenplan der Abteilung dauerhaft aufgenommen werden und die Klärung weiterer Finanzierungsmöglichkeiten erfolgen.